Jetzt MICE Club-Mitglied werden oder 30 Tage kostenfrei testen

Themensammlung - Corporate Responsibility

„Nachhaltig ist das neue Normal“

Das Catering hat Leuchtturmfunktion

Nachhaltigkeit ist mehr als ein Modewort. Im Veranstaltungsbereich sind vor allem die Begrifflichkeiten „Green Meeting“ und „CO2-Fußabdruck“ in aller Munde. Doch echte Nachhaltigkeit geht über reine Lippenbekenntnisse hinaus. Einmal mehr, seit 2017 die Corporate Social Responsibility-Berichtspflicht (CSR) gilt und damit Agenturen, Messebauer, Ausstatter und Caterer gleichermaßen in die Pflicht nimmt. Doch wo fängt Nachhaltigkeit an? Wann ist ein Veranstaltungskonzept wirklich stimmig? Und warum spielt das Catering dabei eine so wichtige Rolle? Wir haben bei Branchenplayern nachgefragt.

„Unternehmertum ist kein Selbstzweck“, sagt die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer. Damit bringt sie ein gesellschaftlich relevantes Thema, das sämtliche wirtschaftliche Bereiche durchdringt, auf den Punkt. Nachhaltiger Konsum ist im Mainstream angekommen und prägt längst die Identität von Marken. Ein Thema, mit dem sich auch Veranstalter zunehmend auseinandersetzen müssen. Und auseinandersetzen sollten, wenn sie bei Ausstellern punkten wollen. Denn geschäftlicher Erfolg, weiß auch 2bdifferent Geschäftsführer Jürgen May, wird längst auch daran gemessen, inwieweit ein Unternehmen seine Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft wahrnimmt. Daher suchen Unternehmen verstärkt nach Möglichkeiten, „ihre Nachhaltigkeitsstrategie auch bei der Planung und Umsetzung von Messen, Kongressen, Tagungen und Public Events fortzuführen.“ Ein nachhaltig umgesetztes Event „ist gut fürs Image, es minimiert Umwelteinflüsse, berücksichtigt gesellschaftliche Bedürfnisse und fördert letztlich auch die Nachhaltigkeit in der Region, die als Veranstaltungsort ausgewählt wird.“

Catering als Hebel zu mehr Nachhaltigkeit

Fakt ist: Neben der Anfahrt hinterlässt bei Veranstaltungen das Catering den größten ökologischen Fußabdruck. Dazu ein Beispiel: 50% der bestellten Services im Catering bauen nach wie vor auf ein konventionelles Buffet. Bei dieser Darreichungsform werden Speisen von etwa 1,3 kg pro Gast vorgehalten, wovon wiederum 15-25% nicht verzehrt werden und zusammen mit der reservierten Speisemenge im Wirtschaftsbereich – in der Regel weitere 10-15 % – am Ende des Tages sprichwörtlich in der Tonne landen. „Bei einer Veranstaltung mit Buffet werden pro 100 Personen somit bis zu 40 kg Speisen vernichtet und bis zu 883,80 Euro aus dem Fenster, sprich in den Speiserestebehälter geworfen“, sagt May und stützt sich dabei auf Erhebungen von bttr.live.

Eine nicht unwesentliche Facette, denn entgegen der landläufigen Meinung, dass Nachhaltigkeit gleich teuer heißt, birgt ein entsprechend geplantes und ausgeführtes Catering ein Einsparpotenzial von bis zu 20 % gegenüber der konventionellen Planung – von den positiven Auswirkungen auf Klima, Tierwohl und Gesellschaft einmal abgesehen. Was viele vergessen: Die Preisdifferenz zwischen einem normalen und einem nachhaltigen Catering erklärt sich auch durch die verdeckten ‚wahren’ Kosten für konventionelles Essen – den Preis für zu beseitigende Müllberge, dazu zählen auch Einweggeschirr und Verpackungen, und eine weder an der menschlichen noch an der Tiergesundheit orientierten Fleischproduktion zahlen als Gesellschaft am Ende wir alle.

Nachhaltigkeit erleben

Wie das mit Modeworten so ist, triggern sie auf vielfältige Weise. Dazu zählt auch ein latentes Gefühl der Bevormundung. Bei Events kommt es daher primär darauf an, verantwortungsvolles Handeln für Teilnehmer „unaufdringlich erlebbar zu machen und sie in den Nachhaltigkeitsprozess der Veranstaltung mit einzubinden“, erklärt May. Denn wird ein Catering unter nachhaltigen Gesichtspunkten geplant und realisiert, wird auch das Thema selbst erlebbar. „Vor allem beim kulinarischen Teil einer Veranstaltung besteht generell eine hohe Dialogbereitschaft, was den unmittelbaren Kontakt zu und zwischen Teilnehmenden sowie das Gespräch über nachhaltige Maßnahmen fördert. Diese Kommunikation, davon ist May überzeugt, kann die Attraktivität dieser Cateringstrategie erhöhen und persönliche Gewohnheiten ändern.“

Eine Überzeugung, die auch Fernsehköchin und Stiftungsgründerin Sarah Wiener teilt. Bei der 18. Jahreskonferenz des Rats für Nachhaltige Entwicklung (RNE), für das ihr Cateringunternehmen Speisen für knapp 1.400 Besucher zubereitete, appellierte sie an die Vorbildfunktion von Caterern: „Wir brauchen positive Beispiele und vor allem Hilfe bei der Umsetzung.“ Hier könnten Caterer eine Hauptrolle spielen, indem sie zeigen, dass nachhaltiges Essen für viele funktionieren kann. Das Prinzip funktioniert im Kleinen wie im Großen, auch wenn der Impact in Sachen Umweltbelastung und Vermeidung negativer sozialer Auswirkungen bei Großveranstaltungen wesentlich größer ist.

Wann ist nachhaltiges Catering wirklich nachhaltig?

Nachhaltigkeit ist keine Insel. Kein singulärer Aspekt, sondern ein Konzept, das die gesamte Wertschöpfungskette einbezieht. Das fängt schon bei der Auswahl des Catering-Unternehmens an: Neben der Einhaltung ökologischer Standards des Caterers sowie der Produktqualität nennt Jürgen May als wesentliche Faktoren die Energiebilanz, die sozialen Rahmenbedingungen, die Effizienzsteigerung bei Küchenabläufen, die konsequente Abfalltrennung und -vermeidung sowie Logistikwege: Regionale Artikel etwa sind nicht nur nachhaltiger, sondern eben auch kostengünstiger, was Transportkosten betrifft. Besonderes Augenmerk jedoch sollte auf einer transparenten Herkunft der Lebensmittel liegen. „Sicherheit bei der Auswahl geben Öko-Audits, als Qualitätsmerkmal im Catering gelten die Aspekte Regionalität, Saisonalität, Ökologie und Fairness.“

Es müssen also nicht die Erdbeeren im Winter sein. Doch auch das Cateringformat selbst ist relevant. Tellergerichte oder Flying Buffets beispielsweise reduzieren Lebensmittelabfälle im Vergleich zum klassischen Buffet um bis zu 30 %. Die budgetären Vorteile liegen ebenfalls auf der Hand: Statt mit durchschnittlich 1,3 kg Speisen pro Gast muss bei dieser Ausgabeform mit nur 690-800 g pro Kopf kalkuliert werden. Entscheidend für die Reduzierung von Lebensmittelabfall ist dabei eine kluge Planung, die das Gästeprofil berücksichtigt: Wie hoch ist der Frauen- und Männeranteil? Wie hoch die Anzahl der Vegetarier oder Veganer? Gibt es kulturelle Spezifika? Welche Lebensmittelallergien sind gängig? Diese theoretische Planung, so Christian Lehnert von bttr.live, „ist eminent wichtig für Veranstaltungen jeglicher Größe. Bei größeren Veranstaltungen gestaltet sich die passgenaue Planung sogar leichter als bei kleinen, da die Teilnehmergruppe mit zunehmender Größe homogener wird. Dabei darf die Kommunikation mit dem Gast, gerade bei einzuführenden Neuerungen, nicht vergessen werden.“

Übrigens: Erfolgt die Zusammenstellung eines Caterings aus regionalen, saisonalen und ökologischen Lebensmitteln und ist sie darüber hinaus vegetarisch oder vegan ausgelegt, „ist dies sicherlich die höchste Stufe der Nachhaltigkeit beim Catering“, erklärt Jürgen May und verweist damit zusätzlich auf das Faktum, dass allein die Produktion von Fleisch- und Milchprodukten über 15 % der weltweiten Treibhausgase verursacht. Das ist auch immer mehr Konsumenten bewusst, die Wert auf gesundes, wertvolles Essen ohne schlechtes Gewissen legen. Anders gesagt: „Mit einem guten Gewissen schmeckt’s einfach doppelt so gut.“

Wo liegen die größten Herausforderungen?

Das Catering ist bei Veranstaltungen immer ein Querschnittsthema: „Stimmig ist ein Konzept nur“, so May, „wenn die gesamte Veranstaltung unter nachhaltigen Gesichtspunkten geplant und umgesetzt wird.“ Das umfasst die Auswahl einer nachhaltig aufgestellten Location, die emissionsarme An- und Abreiseplanung, Barrierefreiheit und vieles mehr. Hier stellt sich natürlich immer auch die Frage, welche Handlungsfelder beeinflussbar sind und welche Relevanz sie jeweils für Umwelt, Gesellschaft und Ökonomie haben. Die wohl größte Herausforderung jedoch liegt darin, dass Nachhaltigkeit sich in der Veranstaltungswirtschaft von einer „Nice-to-have“-Option zum „Must-have“-Standard entwickelt. Engagement und Herzblut sind nicht mehr ausreichend, echte Nachhaltigkeit braucht ein betriebliches Managementsystem. „Nachweise zu den Ressourcenverbräuchen und der Herkunft der eingesetzten Waren ist nur eine Seite der Anforderungen der Auftraggeber“, erklärt May. „Noch stärker gefordert werden im Rahmen der EU-Berichtspflicht Informationen zur Umwelt-, Sozial- und Gesundheitspolitik sowie zur Geschäftsethik seitens der Auftraggeber.“ Sind die Defizite zu groß, droht der Ausschluss als Lieferant und eine Sperre für die Teilnahme an Ausschreibungen oder Wettbewerbspräsentationen.

Fazit: Glaubwürdigkeit, Authentizität und Transparenz

Nachhaltiges Catering hat Vorbildfunktion. Immer mehr Unternehmen und Konzerne sind sich ihrer Verantwortung bewusst und fragen Services und Konzepte nach, die eine nachhaltige Marken-DNA transportieren. Damit trägt die Branche massiv zu einer Transformation im Denken bei. Ganz einfach indem sie zeigt, dass es beim Thema Nachhaltigkeit nicht um Verzicht geht. Sondern um Glaubwürdigkeit, Authentizität und Transparenz.

Das hat auch Claudia Loewe (Geschäftsführerin Deutsche Filmakademie Produktion GmbH) überzeugt, die mit einem Nachhaltigkeitskonzept für den Deutschen Filmpreis LOLA ein Statement gesetzt hat: „Es ist der Beginn eines Weges, den wir über die nächsten Jahre gemeinsam gehen werden: mit unserem Team und mit den Mitgliedern der Deutschen Filmakademie. Die Veränderungen sind umfassend und nur nach und nach möglich. Diesen Schritt gehen wir mit großer Ernsthaftigkeit. Es ist uns dabei wichtig, nicht einzig auf pressewirksame Schauwerte zu setzen, sondern umfassend nachhaltig zu denken und zu gestalten. Wir haben bereits im vergangenen Jahr damit begonnen mit einem Kernteam alle Bausteine rund um den Deutschen Filmpreis zu analysieren und setzen auch dort an, wo es für unsere Gäste am Ende nicht zwingend sichtbar sein wird.“

Die Filmbranche ist, ähnlich wie die Eventbranche, noch weit davon entfernt, ressourcenschonend zu sein. Das Catering am Set gibt’s auf Plastiktellern, für den Strom sorgen Dieselgeneratoren, zu Drehorten geht es oft mit dem Flugzeug. Was zählt, auch wenn das Gesamtkonzept im ersten Schritt doch noch nicht als „stimmig“ bezeichnet werden kann, sich überhaupt auf den Weg zu machen. Mit Blick auf das Catering haben wir daher ein paar allgemeine Tipps zusammengestellt:

Faustregeln für ein nachhaltiges Catering

  • Beauftragung regionaler, nachhaltiger und vor allem zertifizierter Caterer
  • Auswahlkriterien für die Speisen: regional, saisonal, vegetarisch, und zertifiziert (Bio, MSC, Fair Trade, Naturland, Demeter, etc.)
  • Leitungswasser in Karaffen statt Mineralwasser in Flaschen, das erst an den Veranstaltungsort transportiert werden muss
  • Einsatz wassersparender Küchengeräte und abbaubarer Reinigungsmittel
  • Verzicht auf überflüssige Verpackungen und Einwegportionsabpackungen sowie auf kleine Flascheneinheiten
  • Mehrweggeschirr statt Einweggeschirr
  • Vermeidung von Lebensmittelabfällen: Was mit nicht verzehrten Speisen geschieht ist Teil der Planung
  • Laufende bilaterale Abstimmung zwischen Kunde und Caterer
  • Analyse der Gästestruktur und der Rahmenbedingungen: Wie viel Zeit steht für das Essen zur Verfügung, wie war der Tagesablauf, welche Mahlzeiten wurden schon eingenommen (z.B. bei Tages- oder Mehrtagesveranstaltungen wie Konferenzen etc.)
  • Reduktion des üblichen Sicherheitszuschlags von Speisen von 30 % auf 10 %
  • Dialog: Information der Gäste über die Qualitätsphilosophie und das Konzept zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung

Das könnte Sie auch interessieren:

Autor: Yvonne Egberink

Veröffentlicht am: 14.11.2019


Verfasse einen Kommentar

×

×