„Expo al gusto“: Mailand will es wissen
Der Deutschland-Pavillon als Gemeinschaftsprojekt
Am 1. Mai 2015 wurde sie im großen Rahmen mit viel Politprominenz feierlich eröffnet: die Expo 2015 in Mailand. Bis zum 31. Oktober werden bei bereits 10 Mio. verkauften Tickets über 20 Mio. Besucher auf dem Gelände im Nordwesten der italienischen Stadt erwartet, wobei man von etwa 75 % einheimischen, d.h. italienischen Gästen ausgeht. Über 145 Länder der Welt zeigen in Mailand sechs Monate lang ihre Beiträge und Ausstellungen zum Thema Ernährung.
Unter dem Motto „Feeding the Planet – Energy for Life“ sollen Lösungen aufgezeigt werden, wie die wachsende Weltbevölkerung in Zukunft ernährt werden kann und wie Nahrungsmittel gerechter auf der Erde verteilt werden können. Viele ernährungsbezogene Themenbereiche wie Lebensmittelhygiene, Massentierhaltung, Übergewicht oder Magersucht sind ebenfalls in das Programm eingebunden. Die Tatsache, dass über 805 Mio. hungernden Menschen fast eine Milliarde überernährte gegenüberstehen, verdeutlicht die Annahme, dass Hunger als das wohl größte lösbare Problem der Welt gilt.
Anders als bei bisherigen Weltausstellungen ist in Mailand keine Leistungsschau vorgesehen. Vielmehr soll über ein Diskussionsforum erreicht werden, dass unterschiedliche Sichtweisen und Lösungsansätze im Hinblick auf die Welternährungsproblematik beleuchtet werden und Gehör finden.
Wo das Thema „Ernährung“ großgeschrieben wird, darf natürlich auch eine atemberaubende Vielfalt an regionalen Spezialitäten und Köstlichkeiten nicht fehlen. Auf der derzeit wohl „größten Fressmeile der Welt“ lässt sich vom Krokodilburger bis zum Insektensnack alles finden, was Herz und Gaumen begehren. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht ganz kritikfrei gesehen wird, was auch für das Engagement von Coca Cola und McDonald’s als Hauptsponsoren der Expo gilt. Dem Besucherandrang tut dies aber bislang keinen Abbruch.
145 Länder auf 200 Hektar Messeland – und danach?
Das Expo-Gelände nimmt eine Fläche von rund einem Quadratkilometer ein. Nach der Weltausstellung soll das ehemals von Industrieanlagen bestimmte Gebiet teilweise zur Neuen Messe Mailand avancieren und die übrige Fläche für städtebauliche Projekte zur Verfügung stehen. Praktisch die gesamte Infrastruktur ist nur auf Zeit angelegt, was vielen Nachhaltigkeitsbefürwortern ein Dorn im Auge ist. Nur vereinzelt – z.B. aus der Schweiz – gibt es kreative Ideen, die für Millionenbeträge errichteten Pavillons weiter zu nutzen, wenn auch an anderer Stelle und unter anderen Vorzeichen.
Die Anfahrt zur Expo ist überwiegend nur mit dem Auto oder Bus möglich. Ein Bahnhof für Hochgeschwindigkeitszüge soll erst in einigen Jahren entstehen und auch das im Vorfeld angedachte Radwegenetz ist nicht realisiert worden. Ähnlich wie bei Olympischen Spielen positionierten sich Befürworter und Gegner der Expo bereits im Vorfeld. Immer geht es um die Frage, inwieweit sich „der ganze Aufwand“ lohnt, und ob es am Ende nicht ausschließlich „wirtschaftliche Sieger“ geben wird. Ein internationales Event dieser Größenordnung muss sich natürlich an seiner Zielsetzung messen lassen, die im Falle Mailand natürlich nicht auf dem betriebswirtschaftlichem Gesamtergebnis beruht, sondern vor allem darauf, inwieweit die Expo 2015 einen nachhaltigen Beitrag zur Lösung der Welternährungsproblematik geliefert haben wird.
„Fields of Ideas“ made in Germany
Gehen wir nun aber ins Detail, das heißt hinüber zum deutschen Pavillon. Dieser ist mit seinen 4.900 m2 Fläche fast schon traditionell einer der größten der Weltausstellung und firmiert unter dem Namen „Fields of Ideas“. Lebendig, fruchtbar und ideenreich – so will Deutschland sich nicht nur präsentieren, so soll es vor allem auf seine Besucher wirken. Hierfür hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fast 50 Mio. Euro in die Hand genommen und einen Ort geschaffen, der die Kräfte der Natur als wichtigste Quellen für unsere Ernährung herausstellt.
Größtmöglicher Schutz und intelligente Nutzung der natürlichen Ressourcen stehen somit im Mittelpunkt des deutschen Auftritts auf der Expo. Es werden nicht nur zukunftsweisende Projekte aus Politik, Wirtschaft und Forschung vorgestellt, sondern auch die Zivilgesellschaft – und damit jeder einzelne Besucher – in den Fokus gerückt. Unter dem Motto „Be active“ möchte man die Lust des Einzelnen wecken, bewusster und aktiver zu leben und so einen persönlichen Beitrag zum Allgemeinwohl zu leisten. Wie dies in der Praxis aussehen kann, sollen nicht zuletzt die deutschen Themenbotschafter vermitteln. Zu ihnen zählen Benjamin Adrion, Gründer der Initiative „Viva con Agua“, Michael Schieferstein der „Food Fighters“, Felix Finkbeiner von „Plant for the Planet“ und Erika Mayer der „Stadtbienen“.
Ein Höchstmaß an Interaktivität bietet dem Besucher das sogenannte „SeedBoard", eine Art kleiner Konsole. Hiermit kann jeder Besucher selbstständig mediale Angebote steuern, etwa Filme starten und bestimmte Inhalte auswählen. Texte und Bilder werden dann direkt auf der Projektionsfläche des „SeedBoard“ angezeigt.
„Typisch deutsch“: Natur- und Kulturlandschaft auf engem Raum
Auf eindrucksvolle Weise übersetzt der deutsche Pavillon die landestypische Feld- und Flurlandschaft in ein architektonisches Konzept. Das Gebäude entspricht einer sanft ansteigenden Landschaftsebene, verfügt über eine frei zugängliche Oberfläche und einer Themenausstellung im Inneren. Stilisierte Pflanzen ranken als „Ideenbäume“ vom Boden bis zur Decke und entfalten dort ein großes Blätterdach. Sie verbinden Innenraum und Außenbereich zu einem großen Ganzen. Konsequenterweise gehört Holz aus deutschen Wäldern zu den Hauptbaumaterialien des Pavillons.
Den Zuschlag für Bau und Durchführung hat eine Arbeitsgemeinschaft drei verschiedener Firmen erhalten. Dabei zeichnet Schmidhuber für Architektur und Generalplanung verantwortlich, Milla & Partner für das inhaltliche Konzept und Nüssli Deutschland für Ausführung und Projektmanagement. Mit der Organisation und der Durchführung des laufenden Betriebs wiederum wurde die Messe Frankfurt GmbH beauftragt. Mehr über die einzelnen Aktivitäten finden sich aktuell auf den Webseiten der Unternehmen.
Eine Herausforderung war die Integration des Nachhaltigkeitsgedankens in das architektonische Konzept. Man entschied sich daher, den deutschen Pavillon durch eine moderne Stahl- und Membranbauweise zu realisieren. Durch die Reduktion von Materialien ist die Konstruktion nicht nur extrem leicht, sondern lässt sich bis ins Detail auch besonders schnell auf- und abbauen. Die aus Lamellen bestehende Fassade ist als luftdurchlässige und schattenspendende Schicht konzipiert, so dass ein natürlicher Luftstrom entsteht und möglichst wenig Strom für die Klimatisierung benötigt wird.
Besucher können den deutschen Pavillon auf zwei unterschiedlichen Wegen erkunden, womit nicht nur möglichst viele Facetten Deutschlands gezeigt, sondern generell auch mehr Gäste „versorgt“ werden können. Weg Nr. 1 verläuft durchs Innere des Pavillons mit seinen 109 Inhalten und Inszenierungen zum Expo-Thema und einer großen Abschluss-Show am Ende. Hierbei erleben die Besucher Deutschland aus den Augen fliegender Bienen und können mit ihrem „SeedBoard“ sowie mit Händen und Stimmern eine Vielzahl von Klängen und Naturgeräuschen erzeugen. Sie vertonen die eindrucksvolle Bilderlandschaft auf diese Weise praktisch selbst. Weg Nr. 2 spart die eigentliche Ausstellung aus und führt über den Pavillon durch eine Landschaftskulisse, die in erster Linie Erholung und Genuss widerspiegelt. Das „Feld der Ideen“ ist für bis zu 16.000 Besucher täglich ausgelegt, was bei 184 Tagen Expo-Laufzeit bis zu drei Mio. Besuchern entspricht.
Multikulturelles bei Weißwurst und Bier
Am Ausgangsbereich wartet das 350 Gäste fassende Deutsche Restaurant mit einer großen Außenbewirtungsfläche auf. Die Speisekarte kommt „typisch deutsch“ und deftig daher. Hier hätte sich manch einer womöglich ein wenig mehr Abwechslung zu Bratwurst, Matjes, Schweinshaxe und Sauerkraut gewünscht. Vom Restaurant aus jedenfalls haben die Besucher einen freien Blick auf die Veranstaltungsbühne. Was das dort und an zwei weiteren Orten stattfindende Kulturprogramm angeht, hat man sich durchaus der Multikulturalität verschrieben.
Überraschende Aktivität und ungebremste Kreativität sollen ein Bild von Deutschland zeigen, wie es im Ausland noch längst nicht selbstverständlich ist. Natürlich passt auch hier der Leitspruch „Fields of Ideas“ ausgezeichnet ins Konzept. Für das täglich stattfindende Rahmenprogramm konnten sowohl junge Nachwuchstalente als auch ausgewählte Top Acts aus den Bereichen Musik, Literatur, Film, Spiel, Theater, Tanz und Kunst gewonnen werden. Praktisch am Hinterausgang des deutschen Pavillons lädt eine sanft geschwungene Landschaftstribüne zum Ausruhen und Verweilen ein. Dieser Bereich, die sogenannte „Deutsche Piazza“, soll zum zentralen Ort für Begegnung und Kommunikation werden. Hier darf jeder auch sein mitgebrachtes oder anderenorts erworbenes Essen in Ruhe genießen.
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Bildquellen: Expo 2015 / Daniele Mascolo, Schmidhuber / Milla & Partner