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EventTech

(K)eine Reise ins Ungewisse

Wie das Internet der Dinge den Reisemarkt verändern wird

Im Internet der Dinge bzw. dem Internet of Things (IoT) verschmelzen virtuelle Anwendungen und physische Gegenstände fast unmerklich miteinander. Wir berichteten im MICE Club-Magazin schon des Öfteren über Anwendungen, die das Internet „greifbar“ machen, etwa in Form von Beacons, RFID-Chips oder sensorischer Cyberbrillen.

Im IoT jedenfalls lässt sich mit Hilfe vieler kleiner Gadgets, Apps, Cams und Sensoren Unzähliges checken und tracken, steuern und beobachten. Das Spektrum reicht von der Paketverfolgung via Internet über die Laufstrecken aufzeichnende Fitness-Watch bis zur Steuerung der Haustechnik per Online-App. An dieser Stelle wollen wir uns aber weniger mit der jeweils zugrundeliegenden Technologie befassen, sondern mit den konkreten Auswirkungen des IoT auf die Reiseindustrie.

Hierzu ein kurzer Blick zurück, da das Internet die gesamte Branche ja ohnehin schon gehörig umgekrempelt hat. Wer heute eine Reise tut, vergleicht im Web Preise und Verfügbarkeiten, sichtet Erfahrungsberichte und Bewertungen, bucht über das Internet, checkt online ein und lässt sich den Boarding-Pass aufs Handy senden. Nun schickt sich auch das Internet der Dinge an, den Reisemarkt nachhaltig zu verändern. Ihr Smartphone bzw. Ihre in der Cloud hinterlegte virtuelle Persönlichkeit wird dabei zum Inbegriff Ihrer Identität.

Beispiel 1: Das IoT als ganzheitlicher Flugreisebegleiter

Wenn Sie Ihr Gepäck am Flughaben selbst labeln und aufgeben, nutzen Sie eine IoT-Anwendung. Ebenso, wenn Sie über Ihr Smartphone darüber informiert werden, auf welchem Airport-Parkdeck noch freie Plätze zu finden sind. Insellösungen wie diese werden bereits recht häufig eingesetzt und weisen sicherlich den Weg in eine vielversprechende Servicezukunft.

Nun ist das Handling von Big Data und cloudbasierten IoT-Services eine hochkomplexe Angelegenheit, erst recht, wenn mehrere Millionen Fluggäste im Jahr davon profitieren sollen. Die besondere Herausforderung für die Zukunft wird darin bestehen, in einer globalen Branche auch globale Standards zu setzen. Primär geht es darum, eine im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlose Konnektivität sicherzustellen, die den Reisenden bei der Buchung abholt, sich über die Anreise und den Aufenthalt vor Ort fortsetzt und erst bei der Rückkehr in heimische Gefilde endet.

Denn egal, welche Tracker, Sensoren, lokale Netzwerke und globale Clouds Sie auf Ihrer Reise „begleiten“: Sie sollten lückenlos in einem länderübergreifenden System zusammengeführt werden, damit Sie an Flughafen X nicht wieder Ihre ausgedruckte Buchungsbestätigung hervorkramen müssen oder an Airport Y zum Servicedesk gerufen werden, weil nicht ausreichend vegetarische Gerichte mit an Bord sind. Das IoT verschafft Ihnen auf Reisen aber nur dann wirklich mehr Service und Komfort, wenn Sie sich dafür nicht bei acht Anbietern registrieren und entsprechend viele Apps auf Ihrem Smartphone installieren müssen.

Noch konkurrieren die Systeme verschiedener Internet- und Mobilfunkanbieter, Reiseplattformen und Flughafenbetreiber in vielen Fällen miteinander. Wenn dieses Problem weitgehend gelöst ist und die richtigen Schnittstellen eine lückenlose End-to-End-Konnektivität des Gastes sicherstellen, mag sich das Servicelevel auf Flugreisen dank des IoT entscheidend verbessern. Das gilt übrigens auch für Ihre Zeit an Bord, da immer mehr Jets von den Airlines mit einem kostenfreien und sicheren Wi-Fi-Zugang ausgestattet werden. So können Sie künftig auf zahlreichen Flugstrecken Ihren Tomatensaft via App ordern, Ihren Duty-Free-Einkauf mit dem Handy bezahlen, Ihr Entertainmentprogramm selbst konfigurieren und sämtliche Zollmodalitäten mit nur wenigen Klicks erledigen. Und selbst, falls Ihnen Ihr Koffer auf einer Flugreise verlorenginge, könnten Sie diesen mit Ihrem Smartphone selbsttätig orten, ohne dass eine weltweite manuelle Suchaktion in Gang gesetzt werden müsste.

Beispiel 2: Das Smart Hotel wird kommen

Kommen wir zu einem weiteren Vorteil von IoT-Anwendungen auf Reisen aller Art. Dazu müssen Sie sich natürlich erstmal äußern, das heißt etwa bei Ihrem Reiseveranstalter Ihre Vorlieben und Wünsche hinterlegen. Welche Raumtemperatur bevorzugen Sie? Haben Sie einen Lieblingscocktail? Mögen Sie Wellnessanwendungen? Leiden Sie unter Allergien? Wie wichtig ist Ihnen die Aussicht? Bevorzugen Sie Vollkornbrot zum Frühstück? Schlafen Sie lieber hart oder weich?

Sie dürfen das alles nun beliebig weiterspinnen. Stellen Sie sich einfach nur vor, dass alle Ihre Wünsche und Anforderungen bei Ihrem Hotelaufenthalt automatisch berücksichtigt werden. Schließlich wurde Ihr bei der Reisebuchung erstellter Datensatz bereits im IT-System des Hotels Ihrer Wahl hinterlegt. All die kleinen IoT-Gadgets vor Ort kommunizieren nun direkt bei Ihrer Ankunft mit Ihrem Smartphone. Und Sie haben es selbst in der Hand, daran jederzeit noch etwas zu ändern.

An einem Szenario wie diesem arbeitet gerade die Hotelkette Marriott in ihrem „Gästezimmer-Labor“. Hier werden gemeinsam mit den Technologiefirmen Samsung und Legrand neue Konzepte für das Übernachtungserlebnis erforscht. Wie im Bereich Smart Home kommunizieren auch im „intelligenten“ Hotelzimmer mehrere Systeme, Geräte und Anwendungen miteinander, die sich wiederum vom Gast per sprachgesteuerter App beeinflussen lassen. Die neuen Ideen reichen von intuitiver Beleuchtung bis zur virtuellen Yoga-Anleitung. Die Wunschtemperatur zum Duschen lässt sich während des Aufenthalts genauso speichern wie der Weckruf durch einen virtuellen Assistenten. Und tatsächlich soll ein derart smarter IoT-Service bereits innerhalb der nächsten fünf Jahre zum Standard in allen Marriott-Hotels werden.

Viele „Dinge“ kommen auf uns zu

Jüngste Studien haben ergeben, dass die Anzahl an „Wiederholungsgästen“ beim Einsatz eines hohen IoT-Servicelevels um 50 Prozent und die Zahl der Erstbuchungen um 15 Prozent zunimmt. Bereits im Vorfeld personalisierte Angebote führen demnach zu mehr Kundentreue und verbesserter Auslastung. Für die Branche ist das natürlich unbezahlbar. Bedenken wir aber auch einen fragwürdigen Nebeneffekt: Die Investitionskosten in umfassende Big-Data- und IoT-Lösungen lassen sich nicht zuletzt durch die massive Einsparung von Servicepersonal relativ schnell kompensieren. Aber machen wir uns nichts vor: Die „schöne neue“ Reisewelt wird kommen, und das nicht erst in zehn Jahren. In manchen Ländern und Regionen wird das freilich eher der Fall sein als in anderen.

Warum in Sachen IoT gerade die großen Airlines und Flughäfen Druck machen, lässt sich ebenfalls leicht erklären: Die typisch menschliche Fehleranfälligkeit soll nach Möglichkeit ausgeschaltet werden. Nach dem Autopiloten soll es nun auch der „Autoservice“ richten. Schon ein Zahlendreher beim Abtippen eines Buchungscodes etwa kann eine nicht unerhebliche Flugverspätung zur Folge haben. Hier schlägt Schätzungen zufolge jede Stunde mit fast 80.000 US-Dollar zu buche. Und welche Airline will sich diese Mehrkosten schon leisten?

Wohin führt die digitale Reise?

Die anstehende „Vollautomatisierung“ vieler Bereiche der Reiseindustrie durch das IoT und angrenzender IT-Lösungen wird binnen weniger Jahre sicherlich zu mehr Servicequalität, kürzeren Wartezeiten und einem höheren Individualisierungsgrad führen. Der Reisende selbst wiederum sieht sich gezwungen, noch mehr persönliche Informationen von sich preiszugeben, als es heutzutage bereits der Fall ist.

Gleichzeitig wird es von Seiten der Anbieter oberste Priorität haben, sich bestmöglich gegen Cyberattacken und Schadsoftware zu schützen. Nicht umsonst hat die Deutsche Telekom mit ICSS (International Carrier Sales & Solutions) einen eigenen Geschäftsbereich aufgebaut, der sich ausschließlich den Fragen internationaler Konnektivität, Sicherheit und Services auf Flugreisen annimmt (übrigens ausschließlich auf Englisch).

Auch interessant ist in diesem Zusammenhang, dass allein in den USA Ende 2018 voraussichtlich jeder dritte Erwachsene Wearables und damit das IoT nutzen wird – und das ganz bewusst in Form vernetzter Uhren, Kleidungsstücke, Kopfhörer, Schlüsselanhänger, Chipkarten oder sonstiger Gegenstände. Die automatisierte Kommunikation von Smartphones mit Cloud-Software, Sensoren, Transmittern und Respondern ist dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Führende Anbieter in der Reisebranche sprechen bei all diesen Trends jedenfalls vom „Full lifecycle of the connected guest transaction“. Sie beschreiben damit einen Zyklus, der sich nicht nur auf Ihre nächste Reise von den Vorbereitungen bis zur Rückkehr bezieht, sondern Sie bestenfalls auf eine lebenslange „Guided Tour“ einstimmt! Wir wünschen einen tollen Trip!


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Bildquelle: Marriott

Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 07.12.2017


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