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Themensammlung - Employer Branding

Bewerber sind keine Bittsteller

Der Arbeitsmarkt ist wie eine Pralinenschachtel, man weiß nie, was man kriegt (in Anlehnung an Forrest Gump). Es ist schon geradezu abenteuerlich, wie viele Unternehmen, nicht nur aus unserer Branche, mit Bewerbern verfahren. In den vergangenen 10 Jahren als „Perlenfischer“ habe ich zahlreiche absonderliche Geschichten von Kandidaten gehört, bei denen man nur den Kopf schütteln kann. Die Arbeitsagentur Emmendingen (zuständig für den Wohnort des Autors) bezeichnet dies als typische Erfahrungen ihrer Kunden:

Eingangsbestätigung der Bewerbung? Fehlanzeige! Zwischenbescheid (wir brauchen noch etwas Zeit)? Fehlanzeige! Zeitnahe Absage nach der Sichtung? Fehlanzeige! Vorstellungsgespräch und Einhaltung des versprochenen Rückmeldetermins? Du bist aber naiv. Wertschätzende Formulierungen bei Absagen? Wovon träumst Du denn? Die Krönung war diese Geschichte: Einladung zum Gespräch und Absage vier Stunden vorher. Die Agentur befindet sich in Hamburg, der Bewerber reiste aus Stuttgart an.

Das ist ärgerlich und entwürdigend für Menschen, die sich mit Herzblut beworben haben. Mein Blutdruck steigt, während ich schreibe, denn es ist ausschließlich eine Frage der Höflichkeit!

Personalmarketing ist kein Gedöns

Der Schaden für das Image als Arbeitgeber ist beträchtlicher als mancher denkt, denn es gibt das Arbeitgeberbewertungsportal www.kununu.com. Ende Mai 2019 verzeichnete man die imposante Zahl von 3,5 Millionen Bewertungen für knapp 900.000 Arbeitgeber.

So sieht typischerweise ein Arbeitgeberprofil aus, hier das von kununu selbst:

Der kununu-score beträgt maximal 5,0 und setzt sich zusammen aus den Bewertungen von ehemaligen Beschäftigten, Bewerbern und Auszubildenden. Die zu bewertenden Kriterien sind erfreulich differenziert. Hier beispielhaft die Ergebnisse von Neumann & Müller:

Das bedeutet volle Transparenz am Arbeitsmarkt, mehr muss man eigentlich dazu nicht sagen. Fatal, wenn man als Unternehmen dort nicht vertreten ist, oder noch schlimmer, schlechte Bewertungen aufweist. Jetzt erhalten auch Arbeitgeber (oder der alte Chef) ein Zeugnis, eine weitere Spielart der Machtverschiebung.

Jobs werden Produkte, Arbeitgeber werden Marken

Wirb oder stirb - das klingt zugegeben etwas dramatisch und gilt eigentlich für die Produktwerbung. Allerdings wird der Personalengpass zunehmend größer. In manchen Bereichen dauert die Stellenbesetzung sechs Monate und länger. Die gute alte Stellenanzeige wird nur noch selten gedruckt, sie wandert ins Netz zu den Jobportalen wie monster.de und stepstone.de, aber auch zu spezialisierten Jobbörsen wie www.vt-stage.com oder www.hotelcareer.de.

Die Personalabteilung heißt nun Human Resources, was nur dann einen Fortschritt darstellt, wenn damit auch ein Bewusstseinswandel verbunden ist. Zu den Aufgaben des Personalwesens 2.0 gehört die Entwicklung und Kommunikation der Arbeitgebermarke nach innen und nach außen, neudeutsch Employer Branding. Was verbirgt sich dahinter?

„Employer Branding ist die identitäts-basierte, intern wie extern wirksame Entwicklung und Positionierung eines Unternehmens als glaubwürdiger und attraktiver Arbeitgeber. Kern des Employer Branding ist immer eine die Unternehmensmarke spezifizierende oder adaptierende Arbeitgebermarkenstrategie. Entwicklung, Umsetzung und Messung dieser Strategie zielen unmittelbar auf die nachhaltige Optimierung von Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung, Leistungsbereitschaft und Unternehmenskultur sowie die Verbesserung des Unternehmensimages. Mittelbar steigert Employer Branding außerdem Geschäftsergebnis sowie Markenwert.” Soweit die Definition der Deutschen Employer Branding Akademie DEBA www.employerbranding.org.

Am Anfang steht eine Statusbestimmung der Attraktivität als Arbeitgeber. Hierzu ist die interne Sicht, also die der Mitarbeiter und Führungskräfte, zu erfassen. Welche Schwächen und Stärken nehmen sie wahr, welche Markenwerte verbinden sie mit ihrem Arbeitgeber? Ebenso wichtig ist die Identifikation mit dem Unternehmen, werden die Werte gelebt? Oder sind sie überhaupt bekannt? Dazu einige Grundsatzfragen (nach Esch u.a. Internal Branding 2014):

  1. Was zeichnet das Unternehmen als Arbeitgeber aus?
  2. Warum sollen sich Fachkräfte bei dem Unternehmen bewerben?
  3. Welche Leistungsangebote und Nebenleistungen bietet das Unternehmen?
  4. Welche Werte vertritt das Unternehmen?
  5. Wie kann die Unternehmenskultur beschrieben werden?
  6. Was sind die Alleinstellungsmerkmale als Arbeitgeber?

Am vorläufigen Ende des Employer Branding-Prozesses steht dann der Mitarbeiter in seiner Rolle als Markenbotschafter. Wie man das vorbildlich in Markenkommunikation umsetzt, beweist die Neumann & Müller-Kampagne „Einer von uns“.

Anzeigenmotiv Neumann & Müller

Was ist Ihre Great-Place-to-Work-Botschaft?

Die Überschrift ist nicht zufällig gewählt. Der amerikanische Zertifizierer ist wohl der bekannteste Arbeitgeber-TÜV www.greatplacetowork.de in Deutschland.

Dieses Modell stellt eine erste Checkliste dar, mit der man sein eigenes Unternehmen durchleuchten kann. Arbeit macht einen großen Teil unseres Lebens aus. Leistung und Produktivität hängen sehr stark von den Arbeitsbedingungen ab. Wohlfühlarbeitsplätze sind also keine karitative Einstellung des Arbeitgebers, sondern kaufmännisches Kalkül. Der Hirnforscher Gerald Hüther betont in einem Interview mit der F.A.S. (Nr. 50/2015) noch einen anderen Aspekt: „Wir sind soziale Wesen. Unser Gehirn strukturiert sich ein Leben lang vor allem aufgrund der Erfahrung mit anderen. Wir sind so angelegt, dass wir immer nach Gelegenheiten suchen, mit anderen gemeinsam etwas zu tun (…). Erst die Arbeit macht uns zu Menschen.“

Mitarbeiter möchten auch stolz auf ihr Unternehmen sein (vgl. GPTW-Modell). Ein Thema für die Markenführung. Die Arbeitgebermarke ist für LINDNER „ein wichtiger Baustein, um sich von den Mitbewerbern abzuheben“ (Vorstand Andreas Krökel im Interview mep 4/2016). Dazu gehört – wie beim Absatzmarketing – ein Controlling. Dazu werden jährlich die Mitarbeiter von LINDNER befragt. Die Ergebnisse münden im LSI LINDNER Satisfaction Index.

In Zeiten des Fachkräftemangels ist eine starke Arbeitgebermarke für die Attraktivität eines Unternehmens beinahe so wichtig wie die (Absatz-)Marke. Es sind nämlich zwei Seiten der gleichen Medaille!

Das Schaubild verdeutlicht die Zusammenhänge und Wirkungskomponenten. Marken sind unbewusste Vorurteile. Marken lösen Emotionen aus. Arbeitgebermarken auch!

Fazit für das HR-Management: Mitarbeiter sind Markenbotschafter

  • Professionalisieren Sie Ihr Bewerbermanagement.
  • Formulieren Sie eine Great-Place-to-Work-Botschaft.
  • Formulieren Sie eine Employer Value Proposition.
  • Beteiligen Sie sich an Arbeitgeberwettbewerben.
  • Schaffen Sie einen Employer-Happiness-Index.

Das nächste Kapitel beleuchtet genau dieses Thema – die Unternehmenskultur.


Die Artikelserie „How happy are you with your job?“ beschäftigt sich mit der Zukunft der (Zusammen-)Arbeit in der Eventbranche. Mit den Herausforderungen des sozialen, technologischen, kulturellen und ökonomischen Wandels, der alle Akteure der Veranstaltungswirtschaft betrifft, nein durchschüttelt. Dabei lassen das Bewusstsein hierfür und die Veränderungsbereitschaft der Branche zu wünschen übrig.

Die Artikelserie gliedert sich in acht Abschnitte, die in sich abgeschlossene Themen darstellen und nicht chronologisch gelesen werden müssen:


Unser Gastautor:

Wolf Rübner gründete mit EventCampus 2002 eine auf Live-Kommunikation spezialisierte Beratung. Zu den Kunden zählen Agenturen, Messebau und Event-Dienstleister.

Beratungsfelder sind Marketing und Personal. Strategie-Workshops, Präsentations- und Führungs-Training sowie Seminare runden sein Portfolio ab.


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Bildquellen: Photo by Ben White on Unsplash, Screenshots von www.kununu.com, Neumann & Müller, Screenshot von www.greatplacetowork.de, Mosely, Customer experience, organisational culture and the employer brand, BRAND MANAGAMENT VOL. 15 NO. 2, 123-134, November 2007, S. 132

Autor: Gastautor: Wolf Rübner | Eventcampus

Veröffentlicht am: 06.06.2019


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