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„Wer Werte beachtet, wird wertvoller!“

Interview mit Bodo Janssen von Upstalsboom

„Warum werden Leitbilder und Werte so oft proklamiert und dann nicht gelebt?“, haben wir hier im MICE Club kürzlich gefragt. Dass und wie es anders geht, zeigt Bodo Janssen, der in zweiter Generation die Upstalsboom Hotels und Ferienwohnungen führt. Der Familienbetrieb bietet Häuser der Drei- bis Fünf-Sterne-Kategorie an Nord- und Ostsee.

Besonders war man bei Upstalsboom schon immer. Als im Jahr 1976 die Eltern von Bodo Janssen das erste ganzjährig betriebene Hotel auf Langeoog eröffneten, wurden sie in der Branche belächelt. Das Hotel übertraf jedoch bereits im ersten Jahr die inselüblichen 90 Belegtage um ein Vielfaches: 240 Tage Auslastung standen seinerzeit zu Buche.

Andere Wege gehen und damit erfolgreich sein, liegt Janssen also im Blut. Trotz familiärer Prägung sieht er sich als Quereinsteiger, denn er hatte sich vor seinem Einstieg ins elterliche Unternehmen schon eine erfolgreich Existenz fernab der Hotellerie aufgebaut. „Das verhilft mir zu einem unverstellten Blick, der unseren Weg erst möglich gemacht hat“, glaubt er.

Der Upstalsboom-Weg

Nach dem vernichtenden Ergebnis einer internen Mitarbeiterbefragung hat Janssen konsequent einen Paradigmenwechsel hin zu einer menschlichen Unternehmensführung eingeleitet. Er nutzt dazu Methoden, die er im Benediktinerkloster des Pater Anselm Grün kennenlernte. Auch die Coaching-Strategie Corporate Happiness bezog er ein, um einen Kulturwandel herbeizuführen, der viel Beachtung findet. Inzwischen erhalten Janssen und die Corporate-Happiness-Beauftragten in den einzelnen Hotels regelmäßig Besuch von Interessenten, denen sie in Workshops und Seminaren ihre Vision vom glücklichen Mitarbeiter vorstellen. Auch gibt Janssen mittlerweile selbst Klosterseminare für das Team Benedikt.

Mit ungewöhnlichen Tagungsformaten – z. B. „Tagen auf dem Deich“ – bieten die Hotels auch das passende Umfeld, um sich für die neuen Methoden zu öffnen. Viele kommen, nur die Kollegen der Branche sind zurückhaltend, sagt Bodo Janssen:

„Aus der Hotellerie bekomme ich erstaunlich wenig Resonanz, weder negative noch positive. Anders sieht das in der Industrie aus, auch in der Reiseindustrie. Dort verfolgt man unseren Weg mit Spannung und es kommen auch immer mehr Gruppen zu uns, um sich den Upstalsboom-Weg zeigen zu lassen.

In der Hotellerie sind es eher Einzelphänomene, von denen wir Zuspruch erfahren. Hoteliers oder Direktoren, die mich oder meine Mitarbeiter ansprechen oder z. B. auf Kampagnen reagieren. Aber ein aktives Interesse aus den Führungsriegen einer Kette oder Company gibt es bisher nicht. Dafür allerdings umso mehr von ihren Mitarbeitern. Ich habe mich daher schon oft gefragt, was wir in der Branche dafür tun können, das sich mehr und mehr vom alten Führungsweg verabschieden.“

Führung ist der Dreh- und Angelpunkt für den Wertwandel bei Upstalsboom – warum?

"In der Mitarbeiterbefragung wurde deutlich, dass viele Mitarbeiter Dienst nach Vorschrift verrichten, ohne Inspiration oder Anleitung. Grund: Sie fühlten sich schlecht oder gar nicht geführt. Das habe ich persönlich genommen, zumindest habe ich es so empfunden. Für mich ist klar, dass ein Wertewandel immer bei den Führungskräften beginnen muss. Das werden wir auch demnächst in einer großen Anzeigenkampagne klar machen. Der Despot, der Diktator – alle diese negativen Führungsbilder haben ausgedient."

Das ist ein schwerer Weg, sagen Sie. Den sind bestimmt nicht alle Mitarbeiter mitgegangen?

"Das stimmt, nicht jedem gefällt der neue Weg. Selbstreflektion gehört dazu, jeder muss bei sich anfangen und das schaffen einige nicht. Auch wer gute Absichten hat, kann sich aktiv selbst im Weg stehen. Wir haben erst kürzlich wieder erlebt, dass eine Führungskraft in einer Konfliktsituation lieber weggelaufen ist (das meine ich wörtlich) als Mitarbeitern Rede und Antwort zu stehen."

Warum ist das so?

"Opfer und Täter nehmen sich häufig nicht als Opfer und Täter wahr. Ich glaube, wir scheuen den Blick in den Spiegel, den uns andere vorhalten. Meine Theorie ist, dass die Hotellerie eine der letzten großen Bühnen der Welt ist. Wer hier arbeitet, ist Schauspieler. Wer hier Führungskraft wird, der hat – bewusst oder unbewusst – noch das Bild vom großen Gastgeber, vom Hoteldirektor mit Einstecktuch, Montblanc und Rolex. In diesem Gesamtbild können alte Hierarchien und „militärische Strukturen“ der wahren Persönlichkeit entgegen wirken. So lernen wir das, so geben wir das weiter.

Wir leben, was wir erlebt haben und von diesen Mustern den Weg zur geforderten Authentizität zu schaffen, ist nicht einfach. Aber nur so lässt sich unser Weg gehen: Wenn wir verstehen, dass Führung nicht Privileg ist, sondern Dienstleistung."

Führung als Privileg, das klingt in der Tat nach alten Hierarchien?

"Führung als Privileg, dahinter steht vor allem der Gedanke, dass man lange genug geschuftet hat, um dahin zu kommen, wo man ist. Nun sollen mal die anderen für mich arbeiten, denn: Ich bin jetzt Jemand! Aber wer glaubt etwas zu sein, hört auf, etwas zu werden.

Dagegen steht die tatsächliche Bedeutung von Führung als gemeinsamer Weg. In dieser Bedeutung ist die Führungskraft „nur“ die Kraft HINTER der Mannschaft, die den Mitarbeitern den Weg ebnet, ihre bestmögliche Leistung zu erbringen. Wie z. B. ein Trainer, der die Stärken jedes einzelnen kennt, um dadurch alle Potenziale bestmöglich fördern zu können. Dafür oder dahinter steht auch einer unserer Hauptwerte – Achtsamkeit."

Stichwort Werte. Die haben ja viele. Wie schaffen Sie es, dass sie gelebt werden?

Das schaffen wir noch nicht immer, aber wir arbeiten daran. Wir haben Häuser, viele sogar, da ist der „Flow“ des Upstalsboom-Weges spürbar und wird gelebt. Andere sind noch nicht so weit. Das hängt zusammen mit dem eben erwähnten Schritt von der (guten) Absicht zur tatsächlichen Verhaltensänderung. Nur wenn das Verhalten dem Wert entspricht, wird er gelebt. Erforderlich ist dazu der oben erwähnte Spiegel, alle müssen bereit sein, sich diesen vorhalten zu lassen. Man benötigt unbedingt die Fremdeinschätzung, also eine gelebte Feedbackkultur. Wenn „Kritik“ zu Sanktionen führt, wird sie nicht mehr erfolgen. Damit ist der Weg tot. Daher gehört das „Trau Dich“ zu unserer Kultur und für mich ist es ganz wichtig, dem nachzugehen, wenn einer meiner Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin das Gefühl hat, sich nicht mehr trauen zu dürfen.

Sie sagen, dass in einigen Häusern der Kulturwandel schneller geht, können sie das erklären?

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Kulturwandel schneller und wirksamer erfolgt, wenn sich viele Mitarbeiter im Haus an der Erarbeitung des Leitbildes beteiligen. Was die Menschen in den Häusern angeht, können wir überhaupt keine Cluster bilden, können z. B. nicht sagen, dass die Generation X, Y oder Z das neue Führungsverständnis besser umsetzen kann. Wir sehen keinen Unterschied zwischen „Alt“ oder „Jung“ oder zwischen „Wessi“ oder „Ossi“. Es liegt einzig und alleine in der Person begründet, wie jemand den neuen Stil begreift und ob er sich aktiv beteiligt.

Lässt sich dieses Begreifen forcieren?

Ja, auf jeden Fall. Das eigentliche Verständnis und die Begeisterung für unseren Weg setzen ein, sobald die Kollegen erkennen, dass sich Qualität, Umsatz und Mitarbeiterzufriedenheit nicht ausschließen, dass also ein Faktor nicht automatisch zulasten eines anderen geht. Alle bedingen einander und können zusammen wachsen.

Das kann ich mittlerweile in Zahlen belegen. Der Nettoumsatz von Upstalsboom stieg von 18,5 Millionen Euro im Jahr 2009 auf 42 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2013. Selbst wenn ich das von Expansionen bereinige, bleibt es ein beachtlicher Anstieg, der zeigt – wer Werte beachtet, wird wertvoller.

Herr Janssen, vielen herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg für Sie und Ihre Mitarbeiter.

Bodo Janssen, Geschäftsführer Upstalsboom Hotels und Ferienwohnungen, Quelle: Upstalsboom


Bodo Janssen fragte uns, was wir in der Branche dafür tun können, damit mehr und mehr sich vom alten Führungsweg verabschieden. Wir möchten diese Frage gerne an Sie weitergeben, bitte schreiben Sie uns Ihre Meinung an info@mice-club.com.


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Autor: Andrea Goffart

Veröffentlicht am: 29.10.2014


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