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Meinung

Weil ich es mir nicht wert bin

Über das absurde Verhalten von Eventmanagern, die keine Stornogebühren zahlen wollen

Warnung: Dieser Text kann unbequeme Wahrheiten enthalten, die tiefste menschliche Abgründe offenbaren und charakterliche Schwächen aufdecken, die bei dem in diesem Artikel angesprochenen Personenkreis zu Schnappatmung, hohem Blutdruck, reflexartigen Gegenangriffen, persönlicher Hassrede und verschwörungstheoretischen Ergüssen führen können.

In diesem Artikel wird von üblichen Branchenveranstaltungen innerhalb der Eventbranche die Rede sein, bei der die auftraggebende Kundenseite (= gerne als Planer oder Buyer betitelt) von der Anbieterseite (= Kongresshäuser, Hotels, Destinationen und Dienstleister aus den Bereichen Technik, Catering, Mobilität, Personal, etc.) nach allen Regeln der Kunst umworben wird. Bei häufig mit Champagner und Schnittchen flankierten Einladungen zu exklusiven Abendessen, mehrtägigen Inforeisen und exorbitant teuren „Once in a lifetime“-Aktivitäten werden die gerne auch als „Hosted Buyer“ verschrieenen Kunden auf das Heftigste umgarnt und gepampert.

Dabei werden die begehrenswerten Akteure klassischerweise in drei klar differenzierbare Gruppen unterteilt:

a) Der Verbandsplaner ist des Anbieters liebster Freund: Plant der Verbandsvertreter in der Regel wiederkehrende große Kongresse mit mehreren Tausend Teilnehmern, so wenig erfahren ist er im Haifischbecken Eventbranche, lässt sich mangels restriktiver Compliance-Regeln noch ohne Reue (und rechtliche Konsequenz) ordentlich nach Strich und Faden verwöhnen und ist hinsichtlich des Erwartungshorizontes an Branchenveranstaltungen wenig anspruchsvoll. Ein „Perfect Match“ könnte man sagen.

b) Der sogenannte „Corporate“-Planer wird von der Anbieterseite nicht minder begehrt, bedarf aber einer durchdachten Anbandelungsstrategie, führten exzessive Einladungsorgien in der Vergangenheit zur Einführung strikt bemessener Compliance-Regelwerke, die der Anbieterseite seither einiges an Kreativität abverlangen, um weiterhin die ungeteilte Aufmerksamkeit der verwöhnten und mit Selbstbewusstsein reichlich ausgestatteten Klientel zu erlangen.

c) Zu guter Letzt wäre da noch der Agenturplaner am Ende der Nahrungskette: Früher als Multiplikator anerkannt und als leichter Fang für (aus Sicht der Agenturchefs) kostenfreie Incentivierungsmaßnahmen junger Projektmanager (= Praktikanten) gern gesehener Teilnehmer zum Auffüllen unterbesetzter Fam Trips willkommen, nimmt der Agenturplaner bei Einladungen der Anbieterseite nur noch am Katzentisch Platz, will man als Anbieter doch nach Möglichkeit eine geringere Marge in Folge auszuschüttender Agenturprovision zu verhindern wissen und dabei nicht auch noch einen allzu teuren Knigge-Kurs für Schulabgänger mitfinanzieren müssen.

So umworben werden tagtäglich zig mal mehr und mal weniger attraktive Einladungen von Anbieterseite an die Planer ausgesprochen. Das Gros der Einladungen erfolgt dabei kostenfrei (= also ohne Berechnung einer Teilnahmegebühr), gleichwohl ist (oder sollte ich besser sagen: sollte) der Planerseite bewusst sein, dass die Anbieterseite als Gegenleistung zumindest die physische Anwesenheit des Eingeladenen erwarten darf - wenn schon im Zweifel die Qualifizierung der teilnehmenden Person als geschäftsrelevanter Kontakt wegen Teilnehmernot regelmäßig großzügig übergangen wird.

Eine Seuche namens Unverbindlichkeit

Nun grassiert in der Eventbranche - nicht erst seit Corona - eine Seuche namens Unverbindlichkeit, die es den Eingeladenen bei einer vermeintlichen Kostenfreiheit der Veranstaltung sehr leicht macht, ihr kurzfristiges, nicht selten unentschuldigtes (= No Show) Fernbleiben als Kavaliersdelikt abzutun. Ein leichtes Kribbeln in der Nase verhilft in Coronazeiten zudem zu einem überhöhten Stornierungsgrund, will man - verantwortungsbewusst wie man ist - ja in keinem Fall als Superspreader andere Teilnehmer gefährden. Egal ob vorgeschobener Absagegrund oder nicht: Die E-Mail ist schnell geschrieben, auf Senden drücken und lieber die neu eingegangene Pitcheinladung bearbeiten, den kurzfristig anberaumten Kinoabend mit der besten Freundin vorziehen oder eine spontan eingetretene Katastrophe superheldenhaft (= Sterbefall im Verwandtenkreis, Babysitter krank oder Autopanne) abwenden. Nach mir die Sintflut - was interessiert mich - als Eventler - das Schicksal des einladenden Veranstalters?

Beim einladenden Veranstalter geht es am Veranstaltungstag morgens schon um 07:30 Uhr los: Man kann quasi schon die Uhr danach stellen, in welchen Zeitabständen die Stornos eintrudeln. Wenn gegen Mittag dann rund ein Drittel der Teilnehmer bereits abgesagt hat, kommt die bange Frage auf, wer denn zu dem Event noch kommen soll? Denn da wären ja noch die No Shows, also diejenigen, die ohne vorher Bescheid zu geben, einfach nicht erscheinen. Wenn man dann am Ende noch mehr als 50% der registrierten Teilnehmer vor Ort persönlich begrüßen kann, kann man sich schon glücklich schätzen.

Die No Show-Gebühr – das Schreckgespenst

Über die immensen, damit verbundenen Kosten (von der investierten Zeit und den engagiert kuratierten Inhalten ganz abgesehen) und verschwendeten Ressourcen (überdimensionierte Location, Überproduktion Catering, etc. = alles andere als nachhaltig) brauche ich hier niemandem zu erzählen. Angesichts des Seuchegrades ist es - schon allein zum Selbstschutz - geboten, dieser Unverbindlichkeit ein Gegengewicht in Form einer No Show-Gebühr entgegenzusetzen. Denn gleich aus welchem Grund der Eingeladene sich um die Teilnahme drückt, den Schaden hat der Veranstalter. Da eine No Show-Gebühr unweigerlich zu einer Belastungsprobe für die Beziehung zwischen Veranstalter und Teilnehmer führt, scheuen sich nahezu 99% aller Veranstalter davor, eine ebensolche wirkungsvoll und konsequent durchzusetzen, führt dies in der Regel zur Beendigung der Beziehung - mit abgründigen Begleiterscheinungen, von denen dieser Artikel erzählen möchte:

Kreativität ist gefragt

Denn der geneigte Leser wird es kaum glauben, wie kreativ und vielfältig die Reaktionen absagender bzw. nicht erschienener Teilnehmer ausfallen, um eine Storno-/No Show-Gebühr im zweistelligen Euro-Bereich zu umgehen. Allein die Ankündigung der Erhebung einer solchen Gebühr führt zu reflexartigen, gar artistischen Verrenkungen: Denn plötzlich ist eine Teilnahme doch ganz unproblematisch möglich: Eine Vertretung ist binnen Minuten gefunden, ein Babysitter quasi auf Abruf bereit; auch eine aufkommende Erkältung verschwindet wie von Geisterhand durch Zitrone-Ingwertee-Einläufe bei innerer wie äußerer Anwendung. Flugs wird ein negativer Corona-Test aus dem Hut gezaubert: „Ich krank? Iwo!“ So kommt die Androhung einer Stornogebühr manchmal dem Auswerfen eines Lassos gleich, mit dem man abtrünnige Teilnehmer gerade so noch rechtzeitig wieder einfangen kann.

„Ich – No Show? Ich war doch da!“

Auch bei den No Shows gibt es gar wundersame Anwandlungen: Eine Teilnehmerin berichtete mir von einer sehr stressgeplagten Anreise. Feierabendverkehr, Stau und dann kein Parkplatz: „Da bin ich wieder umgedreht und nach Hause gefahren.“ Nach Erhalt der No Show-Rechnung wollte die Teilnehmerin plötzlich doch in der Location gewesen sein, verließ diese aber unverrichteter Dinge, da sie die Veranstaltung nicht finden konnte und auch die Teilnehmerregistrierung nicht besetzt gewesen sein soll... Nur blöd, dass ich persönlich an genau eben dieser gesessen habe! Den Vogel abgeschossen hat ein Vertreter eines führenden deutschen Automobilclubs: So erhielt ich nach einem Event ein Dankesschreiben für die inspirierende Veranstaltung, dabei war die Person nachweislich gar nicht anwesend. Die – kriminelle – Energie ging gar so weit, dass dieselbe Person ihre eigene IT-Abteilung angewiesen hat, den Erhalt meiner E-Mails an seine Adresse zu unterbinden.

Noch ein paar Beispiele gefällig?

  • Da ist der selbsternannte Branchenprimus, der nach langjähriger Branchenzugehörigkeit die Grundmechanismen einer promotablen Veranstaltung nicht durchdrungen haben möchte. „Der Veranstalter bezweckt mit seiner kostenlosen Einladung eine werblich-promotable Absicht? Ich dachte, dass diese Einladungen mit Top-Eventlocation, kuratiertem Speaker-Programm, hochwertigem Catering und erlebnisorientiertem Unterhaltungsprogramm einzig aus dem Grund erfolgen, weil mich der Veranstalter ganz dolle lieb hat.“
  • Ein langjähriges Mitglied wechselt nach Erhalt der Rechnung von der Du- in die Sie-Anrede.
  • Ein großes Kölner Telekommunikations- und Medienunternehmen gibt die Angelegenheit an seine Rechtsabteilung, um ein seitenlanges Konvolut mit BGB-Paragraphen und zitierten Kommentaren zu ähnlichen Gerichtsurteilen zu verfassen – wegen EUR 80 Stornogebühr!
  • Ein namhafter Hersteller für Colabrausegetränke dokumentiert in mehreren Videos, dass sich die betreffende Verlinkung auf die Stornoregelung auf mehreren Browsern und Endgeräten nicht öffnen lässt. Vielleicht einfach mal die eigene IT-Abteilung fragen, welche internen Sicherheitseinstellungen ebendies verhindern?

Die Liste der abstrusen Reaktionen ließe sich endlos fortsetzen.

Kleiner Tipp: Vielleicht hilft es, sich einfach nur für die Veranstaltungen anzumelden, zu denen man auch wirklich kommen kann und möchte. Oder einfach mal zu hinterfragen, ob man – als Angehöriger der Eventbranche – so von seinen Teilnehmern im Stich gelassen werden möchte? Da kommt mir der weise Toilettenaushang in den Sinn: Hinterlassen Sie bitte die Toilette so, wie Sie sie gerne vorfinden möchten!

Und manchmal ist es ratsam, sich einfach mal die Stornobedingungen durchzulesen, die man durch das aktive Ankreuzen eines Häkchens bestätigt.


Der Autor dieses Artikels steht unter ärztlicher Beaufsichtigung, polizeilichem Personenschutz sowie einer gesunden Portion Selbstbewusstsein und wird die Reaktionen auf diesen Artikel bei einer sehr guten Flasche eines in Barrique ausgebauten Chardonnays aus dem Burgund und einer großen Tüte Kartoffelchips mit einer nicht zu verleugnenden Vorfreude genüsslich auf sich einprasseln lassen. Eine Nachahmung ähnlich kompromittierender Inhalte durch Dritte wird ausdrücklich nicht empfohlen, sondern ist explizit erwünscht.


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Bildquelle: Bild von wayhomestudio auf Freepik

Autor: Dominik Deubner

Veröffentlicht am: 16.11.2022


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Anika ,
Die Hotelspezialisten
23. Oktober, 14:11 Uhr

Hallo Dominik,

vielen Dank für deinen Beitrag und ich finde es wichtig, dass es angepsrochen wird! Deine Veranstaltungen sind immer sehr gut und ich bin sogar dafür sogar von Berlin nach Hamburg gekommen. Kurz nach deiner Veranstaltung war ich bei einem Hotel zum After Work eingeladen und von 20 Personen waren drei anwesend. Der Rest war No Show und da war auch bei mir das Verständnis vorbei, so dass ich auch einen Post hierzu bei LinkedIn schreiben musste! Liebe Grüße

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Gabi Schares,
EVENT Impuls
17. November, 18:46 Uhr

AUTSCH 😂

Zur kleinen Ehrenrettung unserer Branche.

Die Unverbindlichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch alle Branchen, ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, auch beim privaten 50. Geburtstag, wo die Indieband plötzlich nur noch vor Leuten spielt, die Roland Kaiser bevorzugt.

Meine Lösung in Zukunft bei Events mit Kann-Gästen - Ja es gibt auch Pflichtgäste, eigene Mitarbeiter beispielsweise - das Erheben einer Schutzgebühr. Bei Anmeldung wird diese je nach Eventwert im unteren bis mittleren 3stelligen Bereich bei Anmeldung fällig und erstattet bei Teilnahme.

Deckt nicht die Stornokosten, verhindert aber, dass man vor Ort feststellt, dass nicht nur die Location, sondern das Gesamtkonzept samt Spannungsbogen für die Tonne ist.

Getreu dem Motto: "Beim Geld hört die Unverbindlichkeit auf!"

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Wolf Rübner,
EventCampus
17. November, 15:23 Uhr

Dominik, an Dir ist ein Kabarettist verloren gegangen......

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