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Themensammlung - Change-Kommunikation, Employer Branding

The Wind of Change

Eine neue Arbeitskultur erobert die Büros

Seit einigen Jahren weht ein frischer Wind durch die Büroetagen der MICE-Branche. Glücksritter, SinnsucherInnen und bärtige Rebellen mit Ohrstöpseln streifen durch die Flure und grinsen den Besucher freundlich an. Was ist da los? Arbeiten die ernsthaft? Keine Bange, das tut sie, die Generation Y.

Mit dem schleichenden Generationswechsel ist auch ein neuer Wertekanon eingesickert. Dies ist nun nichts Neues, das gab es zu allen Zeiten. Während der Autor und seine Alterskohorte primär nach materiellem Erfolg strebten und klare Ansagen und Hierarchien bevorzugten, sind die Vertreter der Generation Y (Jahrgänge 1980 bis 1995/2000) alias „Millennials“ nicht mehr so eindimensional gestrickt. Sie wollen „Sabbaticals statt Dienstwagen, Sinn statt Beförderungen, Chefs, die coachen statt zu kontrollieren“, wie DER SPIEGEL schreibt.

Gerade in der vom „Jugendwahn“ getriebenen Kommunikationsbranche treffen wir auf diese Generation. Daher lohnt es sich, ihre Wünsche und Träume, ihre Motive und Einstellungen zu erforschen.

Eine Studie des Zukunftsinstituts fördert wesentliche Erkenntnisse zu Tage: die dazu durchgeführte Umfrage zeichnet das Bild einer Generation, die „nach Eigenständigkeit, Selbstverwirklichung und Autonomie strebt (…). Wir-Werte (Partnerschaft, eigene Familie, Freunde) und solche, die auf die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit abzielen, stehen höher im Kurs als beruflicher Erfolg im klassischen Sinne. Kreativ zu sein, eigene Ideen zu verwirklichen, mitgestalten zu können ist für junge Frauen (72 Prozent) wie Männer (69 Prozent) wichtiger als das Erklimmen der Karriereleiter.“ (Generation Y – Das Selbstverständnis der Manager von morgen, 2013).

Glück statt Geld also. Die Erwartungen an den Job liefern dazu einen differenzierten Einblick.

Was motiviert?

Zu den klugen Köpfen unserer Branche zählt zweifellos Cedric Ebener, Gründer und Geschäftsführer der Hamburger Agentur CE & Co. Er hat die Arbeitskultur bereits vor einigen Jahren auf das Wohl der Mitarbeiter fokussiert:

„Unser „Wert“ misst sich in der Kreativität und Qualität unserer Arbeit. Und in der Konstanz, in der diese Qualität gehalten bzw. noch verbessert werden kann. Viele Prozesse und Strukturen sind daher darauf ausgerichtet, dass sich die Mitarbeiter schneller entwickeln können als die Agentur. Damit sie die Agentur qualitativ vorantreiben können, ohne angetrieben werden zu müssen. Gleichzeitig wollen wir diese wertvollen Mitarbeiter natürlich möglichst lange halten.

Im Einzelnen versuchen wir dies mit folgenden Maßnahmen:

  • Anfallende Überstunden werden kurzfristig abgebaut. So kann jeder nach kurzfristigen Stressphasen wieder auftanken.
  • 5% des Gehaltes werden in Fortbildungen investiert, die die Mitarbeiter sich selbst aussuchen.
  • Kreative haben eine 4-Tage-Woche, was Zeit für Inspiration (oder andere inspirierende Jobs) gibt. Über- oder Unterkapazitäten können so auch einfach ausgeglichen werden.
  • Urlaube werden vom Team freigegeben, nicht von der Teamleitung. Denn das Team weiß am besten, wie viel Stress welche Urlaubswünsche für das Team bedeuten."

(aus Jörg Jelden: Agenturen der Zukunft, S. 43)

Wissensarbeit wird anders organisiert

„Niemand weiß so viel wie wir alle zusammen“, besagt ein altes japanisches Sprichwort. Veranstaltungsorganisation lebt von den kreativen, wissensbasierten Leistungen einer Heerschar von Experten, die über institutionelle Grenzen hinweg gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Starre Hierarchien, lange Informations- und Entscheidungswege würden den Veranstaltungserfolg gefährden. Daher sind wir in der Eventbranche schon nahe dran am Ideal einer „Open-Source-Gemeinschaft“, in der die Beteiligten selbstorganisiert arbeiten.

Peter F. Drucker, der die Entwicklung moderner Managementkonzepte wie kaum ein Zweiter beeinflusst hat und bereits 1959 die Begriffe „Wissensarbeit“ und „Wissensgesellschaft“ prägte, erkannte damals, dass die durch die Informationstechnik ausgelöste Wissensexplosion nur durch steigende Spezialisierung zu bewältigen ist.

Ein Wissensarbeiter (im Gegensatz zum Industriearbeiter) ist nach Drucker jemand, der mehr über seine Tätigkeit weiß, als jeder andere in der Organisation. Diese Hypothese kann man ohne weiteres auf den projektbezogenen Leistungsverbund aus Agenturen und Dienstleistern übertragen, der aus hochgradigen Spezialisten besteht.

Idealistisch betrachtet beruht in einem eingespielten Projektteam Wertschöpfung auf Wertschätzung und funktioniert nicht nach Befehl und Gehorsam – die Beteiligten arbeiten selbstorganisiert auf Augenhöhe miteinander.

Man ist motiviert und gerne bereit, sein Wissen und seine Ideen mit anderen zu teilen, weil die Arbeitsbeziehung auf Vertrauen, Respekt, Anerkennung, Fairness und Toleranz basiert – so hat der Autor es jedenfalls auf seinen „Baustellen“ zu Agenturzeiten erlebt.

Führungsfunktionen existieren natürlich auch – aber nur vorübergehend auf ein Projekt beschränkt und sie beruhen auf Kommunikations- und Sachkompetenz und nicht auf formaler Autorität, sprich Weisungsrecht. Statussymbole und Titel spielen kaum eine Rolle, hier sind brillante Ideen und effektive Leistung relevant. (in Anlehnung an Ulrich Klotz)

Sinn und Sinnlichkeit

Unser Verständnis von Arbeit gründet noch auf den Ideen der Aufklärung, in der Arbeit als sinnstiftendes Mittel und als Voraussetzung der Selbstbestimmung verstanden wurde. Die Sinnhaftigkeit von Arbeit war zu Zeiten der Industriellen Revolution überhaupt kein Thema – im Gegenteil. Es waren streng weisungsgebundene Tätigkeiten, bei denen selbstständiges Denken nicht erwünscht war. Karl Marx sprach von „entfremdeter Arbeit“.

200 Jahre später mit dem Übergang zur Dienstleistungsgesellschaft (dieser Sektor erwirtschaftete 2018 ca. 70% des Bruttowertschöpfung; statista.de) hat sich die Arbeitswelt um 180° gedreht – Mitdenken ist erwünscht, nein, sogar zwingend erforderlich. Damit stellt sich die Sinnfrage. Und zwar nicht nur für die Generation Y, die in der bereits zitierten Studie folgende Lebensziele zu Protokoll gibt:

Lebensziele Generation Y

Was für die Arbeitszufriedenheit wirklich zählt, sind weniger die materiellen Anreize, sondern „Sinnstiftung, eine gute Planung und erfüllbare Ziele wie auch eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ so die Studie des Zukunftsinstituts.

Positive Arbeitserlebnisse als Schlüssel

Um erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen also den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Bemühungen stellen. Statt einseitig auf Umsatz und Gewinn abzustellen gilt es, die Beschäftigten ins Boot zu holen. Je besser das Arbeitserlebnis ist, desto stärker engagieren sich Beschäftigte in ihrem Job. Auch die Wechselwilligkeit hängt mit der Arbeitszufriedenheit zusammen: Wer positive Impulse erhält, bleibt gerne bei seinem Arbeitgeber. Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels wird dieser Aspekt immer wichtiger.

Doch wie lassen sich positive Arbeitserlebnisse gestalten? Anders als oftmals angenommen, sind es nicht die großen Incentives, die die Employee Experience dauerhaft beeinflussen. Stattdessen zählen Integrität und Mitarbeiterunterstützung. Zudem müssen die Beschäftigten das Gefühl haben, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen. Sie wollen einen wichtigen Beitrag zum Geschäftserfolg leisten. Ob ihnen das gelingt, das erfahren sie nur durch Rückmeldungen.

Feedbackprozessen kommt eine ganz entscheidende Rolle bei der Vermittlung positiver Arbeitserlebnisse zu. 80 Prozent der Beschäftigten fühlen sich durch entsprechende Maßnahmen motiviert. Noch wichtiger ist aber die Wertschätzung: Für 83 Prozent entscheidet die ihnen entgegengebrachte Anerkennung maßgeblich darüber, ob sie sich im Unternehmen wohlfühlen (Meta-Studie des HARVARD BUSINESS REVIEW MAGAZINE).

Fazit für das HR-Management: Verwandelt Euch in eine People Company

Es bedarf neuer Anreizmechanismen, die auf Leistungsprinzipien ebenso aufbauen wie auf der Talent- und Persönlichkeitsentwicklung sowie der Schaffung erweiterter Freiräume. Die Generation Y erwartet, dass es um „ihre“ Perspektive geht. Ihre Vorstellung von Individualität muss vorbehaltlos akzeptiert werden, was nicht mit Egoismus zu verwechseln ist. Feedback und Wertschätzung sind die wichtigsten Stellschrauben, um den Erwartungen (nicht nur) der Generation Y gerecht zu werden.

Diese beiden Aspekte gehören nicht unbedingt zu den Stärken (deutscher) Führungskräfte. Deshalb sollte hier ein Kommunikationstraining ansetzen.

Eine strategische Komponente, die Führungsleistung messbar macht, ist eine regelmäßige Befragung der Mitarbeiter zur Messung der Arbeitszufriedenheit. Ein Vorbild ist der „Lindner Satisfaction-Index“. Im Rahmen einer anonymen, digitalen Umfrage bewerten die Angestellten das Unternehmen alle zwei Jahre in verschiedenen Kategorien mit Schulnoten von 1 bis 5. Die Teilnahmequote lag beim fünften LSI im Herbst 2018 bei 70 Prozent. Die Ziele: Vertrauen in den Arbeitgeber stärken und das Arbeitsumfeld so gestalten, dass Mitarbeiter sich wohlfühlen.

Eine weitere Maßnahme ist die Entwicklung eines Leitbildes. Es drückt kurz, präzise und verständlich aus, welche Werte für das Unternehmen wichtig oder verbindlich sind. Es handelt sich um Grundaussagen über die Art und Weise im Umgang mit Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, Mitbewerbern, Öffentlichkeit und der Natur. Das Leitbild formuliert die Sollkultur bzw. ein realistisches Idealbild, also das kulturelle Wunschbild und „Grundgesetz“ des Unternehmens. Ein bemerkenswertes Beispiel hierzu kommt von der Agentur marbet.

Das Leitbild verpflichtet insbesondere die Führungskräfte, denn sie haben eine wichtige Vorbildfunktion. Erarbeitet wird dieser „Kompass“ partizipatorisch, d.h. von allen Mitarbeitern.

Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit der spannenden Frage „Boss oder Anführer?“.


Die Artikelserie „How happy are you with your job?“ beschäftigt sich mit der Zukunft der (Zusammen-)Arbeit in der Eventbranche. Mit den Herausforderungen des sozialen, technologischen, kulturellen und ökonomischen Wandels, der alle Akteure der Veranstaltungswirtschaft betrifft, nein durchschüttelt. Dabei lassen das Bewusstsein hierfür und die Veränderungsbereitschaft der Branche zu wünschen übrig.

Die Artikelserie gliedert sich in acht Abschnitte, die in sich abgeschlossene Themen darstellen und nicht chronologisch gelesen werden müssen:


Unser Gastautor:

Wolf Rübner gründete mit EventCampus 2002 eine auf Live-Kommunikation spezialisierte Beratung. Zu den Kunden zählen Agenturen, Messebau und Event-Dienstleister.

Beratungsfelder sind Marketing und Personal. Strategie-Workshops, Präsentations- und Führungs-Training sowie Seminare runden sein Portfolio ab.


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Bildquellen: Geschäft Foto erstellt von sergeycauselove - de.freepik.com; Zukunftsinstitut GmbH, marbet Marion & Bettina Würth GmbH & Co. KG

Autor: Gastautor: Wolf Rübner | Eventcampus

Veröffentlicht am: 21.03.2019


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