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Destinationen

Reisetrends nach Corona

5 spannende Beispiele für die „neue Normalität“

Die Event- und die Tourismusindustrie sind zweifellos zwei der am ärgsten von der Corona-Pandemie gebeutelten Branchen. Beide sind zudem extrem eng miteinander verknüpft, denn jedes mehrtägige Event beinhaltet für die meisten Teilnehmer zumindest eine kleine, wenn nicht gar weite Reise. Am Ende hat man es sogar mit einer Art „Rattenschwanz“ zu tun, an dem auch das Hotel- und Gastgewerbe, Gastronomie und Catering, Airlines und Verkehrsbetriebe sowie viele weitere Firmen hängen, die derzeit von der Krise besonders stark betroffen sind.

Kurz gesagt: Es sieht nicht gut aus für Reisende, auch wenn seit dem 15. Juni 2020 innerhalb Europas Schritt für Schritt viele Schranken gefallen sind. Denn jederzeit können neue Reisewarnungen ausgesprochen und Corona-Hotspots identifiziert werden. Gerade beim Überseeverkehr ist die Lage in vielen Staaten unsicher bis schwer einzuschätzen. Und vor allem steigt die Ungewissheit, was heute vielleicht noch geht und morgen bereits verboten sein könnte – oder umgekehrt. Corona hat die Welt verändert! Selbst wenn die Uhren wieder auf Null gestellt werden sollten, wird das Jahr 2020 den Reisemarkt nachhaltig umkrempeln – die „Private Economy“ genauso wie die „Business Class“.

Doch wohin wird die Reise gehen? Sind Massenveranstaltungen irgendwann wieder salonfähig oder auf lange Sicht mit Vorsicht zu genießen? Werden touristische Ziele und Eventdestinationen noch lange unter dem leiden, was uns zu Jahresbeginn alle überrascht hat? Natürlich bleibt es abzuwarten, wann, wie und ob die derzeit geltenden internationalen Reisebeschränkungen aufgehoben werden. Doch jeder sollte inzwischen begriffen haben: Nach Corona kann genauso vor der nächsten Pandemie bedeuten.

Ein Hoffnungsschimmer: Die Event- und Reisewelt bewegt sich langsam heraus aus ihrer Schockstarre, hinein in eine neue Zeitrechnung. Zumindest hierzulande, wo wir uns alle in bestimmten Situationen an das Tragen von Gesichtsmasken gewöhnt haben, während wir deretwegen noch vor kurzer Zeit asiatische Touristengruppen vorwiegend belächelt haben. Welche Trends aber können identifiziert werden, was das künftige Reisen angeht? Und welche Chancen bietet das für die Eventindustrie? Wir stellen Euch fünf spannende Trends vor, die die Branche aufgreifen sollte! Denn am Ende bleibt der Mensch ein Mensch und somit – ob im Urlaub oder auf Geschäftsreise – „Angriffsfläche“ für Viren und Bakterien.

1. Kleine Gruppen, straffe Organisation

Tourismusforscher gehen davon aus, dass gut durchorganisierte Gruppenreisen mit begrenzter Teilnehmerzahl an Bedeutung zunehmen werden. Die soziale Distanz zu anderen Reisenden, die nicht Teil der Gruppe sind, kann so bestmöglich gewahrt werden, ohne dass sich der Aufenthalt fernab von zu Hause im weitesten Sinne wie eine Art Quarantäne anfühlt.

Egal ob Wanderreise oder Sightseeing-Tour, Firmen-Incentive oder Teambuildingmaßnahme – die Anbieter aller Branchen sind gefragt ihre Expertise zu nutzen, damit in Sachen Anreise, Unterbringung, Verpflegung und Tourenplanung alle Hygienestandards und Distanzregelungen optimal eingehalten werden können. Auch dann, wenn je nach Reiseziel ein negativer Corona-Test Voraussetzung für eine Teilnahme wäre.

Für zahlreiche Eventagenturen ist solch eine Planung natürlich Normalität. Schließlich führt man schon lange Workshops oder Schulungen in kleinen Teams mit zehn bis zwölf Teilnehmern durch, geleitet Gruppen durch Berlin oder New York, ist von der Ostsee bis zum Kap der Guten Hoffnung aktiv. Auch Spezialisten für etwas abseits gelegene Destinationen dürfte es freuen, wenn diese künftig stärker in den Fokus des Interesses rücken, weil vielleicht genau dort die Ansteckungsgefahr gegen null tendiert oder Abstandsregeln relativ problemlos eingehalten werden können.

Gleichzeitig dürfte sich der langjährige Trend zu immer höheren Teilnehmerzahlen bei Veranstaltungen zugunsten von Incentives in kleinen Gruppen auf lange Sicht umkehren. „Klein“ könnte für die Branche demnach das neue „Groß“ werden, zumal sich originelle und individuelle Konzepte in kleinen Gruppen besser und gezielter umsetzen lassen.

2. Selbstbestimmung statt Massenabfertigung

Die meisten Reisenden bauen erst langsam wieder Vertrauen in die Veranstalter auf. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Regressansprüche oder Rückholaktionen auf Staatskosten nach dem Abebben der ersten Corona-Welle künftig undenkbar sind. Jeder trägt bei seiner Reisebuchung demnach ein höheres individuelles Risiko, als es vor der Pandemie der Fall war. Vor allem die Art der Unterbringung spielt eine entscheidende Rolle, ob man sich vor Ort einer erhöhten Ansteckungsgefahr aussetzt oder diese vermeidet.

Angesichts der unterschiedlichen internationalen Beschränkungen und Quarantänezeiten für ausländische Besucher wird erwartet, dass insgesamt weniger Reisen unternommen werden, dafür aber für längere Zeiträume. Eine neue Priorität für Reisende ist daher die Wertschätzung der Beherbergung, die sich z.B. in den Einrichtungen der Zimmer, im persönlichen Service und in der Möglichkeit, seine Zeit auf Wunsch möglichst autonom zu verbringen, widerspiegelt.

Riesige Hotelanlagen werden diese Entwicklung voraussichtlich in negativer Hinsicht zu spüren bekommen, während kleinere Apart- und Boutique-Hotels sowie Appartementkomplexe mit größerem Abstand zwischen den Wohneinheiten davon profitieren werden. Tagungshotels und Eventlocations sind daher gut beraten, geeignete „Social Distancing“-Konzepte anzubieten, um weiterhin erfolgreich zu sein oder sich auf diese Weise sogar einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

3. Online den Wunsch nach dem realen Erlebnis steigern

Nach dem weltweiten Rückgang des Reiseverkehrs spielen digitale Aktivitäten eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung des Images von Reisemarken und Veranstaltern. Erfahrungsberichte in Online-Communities, Bewertungsportale mit Raum für persönliche Statements und Chatfunktionen zur direkten Beantwortung von Fragen werden weiter an Bedeutung zunehmen. Sie werden Buchungsentscheidungen noch stärker als heute beeinflussen. Auch die Bewerbung von „Corona-freundlichen“ Inhalten auf Webseiten und in Newslettern kann potenzielle Kunden positiv beeinflussen. Solcher Content kann z.B. die Hygienestandards betreffen, die Maximalauslastung, den Transfer von Personen, das Restaurantkonzept und sogar den Abstand von Strandliegen oder die medizinische Versorgung im Notfall.

Als Best-Practice-Beispiel mag hier das auf Bali ansässige Hotel und Kreativzentrum Desa Potato Head dienen. In Zeiten der Abschottung wandelte man sich zu einer digitalen Lifestyle-Marke, die das reale Ambiente vor Ort online wiedergibt. Unter dem Hashtag #Goodtimesathome wurden originelle Inhalte über Instagram, Facebook und die eigene Homepage ausgestrahlt, darunter kurze Erkundungsfilme, immersive Lesungen, virtuelle Kunstausstellungen, morgendliche Musikrituale und Live-Yoga-Sitzungen. Seit Beginn der Kampagne hat sich die Resonanz in den sozialen Medien mehr als vervierfacht und zu rund 5,5 Mio. Page Impressions geführt.

Für die Eventbranche sollte die Vermarktung über digitale Kanäle und der beständige Austausch mit Kunden und Interessenten natürlich kein Neuland sein. Wer diesen Trend dennoch verschlafen haben sollte, hatte so gesehen ja seit März 2020 genügend Zeit, sich dieses Themas intensiv anzunehmen. Die Digital Player der Branche können so oder so die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass auch kleine Agenturen einen professionellen Social-Media-Auftritt hinlegen können. Lediglich die dazugehörigen Botschaften sollten klar und deutlich von den Anbietern formuliert werden.

4. Draußen ist es schöner und sicherer

Es ist natürlich wetterabhängig, aber der Trend Speisen und Getränke im Freien zu sich zu nehmen, hat sich in Corona-Zeiten deutlich verstärkt. Die Einhaltung eines Mindestabstands ist leichter zu handhaben und die Übertragung von Viren durch Tröpfcheninfektion signifikant geringer. Wo Außenbereiche vorhanden und genehmigt sind, werden diese künftig wohl noch stärker genutzt werden, auch in den Innenstädten. In südlicheren Urlaubszielen dürften vor allem alternative und nachhaltige Angebote wie „Wild Dining“ oder „From Farm to Table“ profitieren, sofern diese entsprechend vermarktet und kommuniziert werden.

Genau solche Ziele wurden in den letzten Jahren auch schon im Rahmen des „MICE Club Gourmet Club“ in Portugal und Spanien angesteuert. Diese sind für die Eventbranche äußerst attraktiv, weil hier z.B. auf regionale Produkte gesetzt wird, ein unvergleichliches Ambiente existiert und es niemals eng und gedrängt zugeht. Gerade dieses Wissen um Ziele, die nicht in jedem Reiseführer stehen, lässt sich nutzen, um eventuell auch im Privatkundensegment aktiv zu werden.

5. In freier Natur läuft es (sich) am besten

Analog zum letzten Punkt gilt abschließend: zurück zur Natur! Denn draußen ist nicht nur das Infektionsrisiko geringer. Man ist auch in der Lage, Menschenansammlungen aus dem Weg zu gehen und das Heft des touristischen Handelns zumindest gefühlt wieder selbst in die Hand zu nehmen. Eine aktuelle Umfrage in den USA hat beispielsweise ergeben, dass 88 Prozent der Befragten am liebsten eine Autoreise im eigenen Bundesstaat unternehmen möchten.

„Back to Nature“ meint auch, dass die klassischen Tourismus- und Event-Hotspots Federn lassen müssen zugunsten heutiger B-Destinationen. Natürlich mag dies umständlichere Anreisen beinhalten, aber auch eine breitere Verteilung der Massen an Menschen, die bis Ende 2019 in den beliebtesten Destinationen „eingefallen“ sind. Für manche Regionen könnte dieser Trend einen wirtschaftlichen Segen bedeuten, während andere endlich entlastet werden würden. Es bleibt natürlich abzuwarten, inwiefern sich das Eventgeschehen weltweit besser verteilen lässt und welche Kapazitäten dafür nach Corona benötigt werden.

Fazit – Kaum mehr Platz für Platzhirsche

So tiefgreifend die Corona-bedingten Einschnitte in der Reisebranche, Eventindustrie sowie im Gastronomie- und Hotelgewerbe auch sein mögen: Die Chancen, die sich bieten, gilt es zu ergreifen – online wie offline. Wenn in Zukunft möglichst viele Zahnräder unterschiedlicher Geschäftsfelder ineinandergreifen, ist es möglich, ein neues Reiseklima zu erschaffen, das viele Bedenken zerstreut und neue Erwartungen erfüllt.

Die Zeit der Massenabfertigung scheint zunächst einmal vorbei zu sein. Und wer – wenn nicht der Eventler – vermag es schon, auf kleinstem Raum wie im großen Ganzen eine individuelle Gästebetreuung gewährleisten zu können, die von der Buchung über die Anreise und Unterkunft bis zum Programm und dessen Nachbearbeitung über digitale Medien alle Wünsche befriedigen kann. All diejenigen Wünsche, die vorsichtige und zweifelnde Reisende derzeit bewegen!?

Hier gilt es anzusetzen, zusammenzuarbeiten und sicherlich auch Lösungen zu finden, die man bislang nicht unbedingt auf dem Schirm hatte. Wäre es aber nicht wünschenswert, dass gerade die „Kleinen“ ein Stück vom „großen Kuchen“ abbekommen, weil sie am Ende auch weniger brauchen, aber auch Abstand garantieren und flexibler agieren können?


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Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 23.07.2020


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