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Meinung, Agenturen, EventTech

Licht und Ton

Teil 3 der Nachbesprechung des BrandEx Awards 2021

Nach meinem Überblick zum BrandEx Award 2021, gehe ich nun detailliert in sieben Artikeln auf die Award-Verleihung ein. Ohne journalistischen Neutralitätsanspruch ist meine Kritik subjektiv, wird sich in der Beschreibung des Kritisierten jedoch um Objektivität bemühen. Jeden Artikel teile ich in die Beobachtung und die Konsequenz auf. Es entsteht daraus eine Art Leitfaden für Live Shows im Online-Event-Zeitalter. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr biete ich Ansätze, Gedanken, Ideen und Visionen und der Rest ist – wie man so schön sagt – up to you!

Die Seite im Freundebuch hat diesmal unser Komponist und Tonfachmann Marin Subasic gestaltet und seine Inspirationen in den Artikel mit einfließen lassen.

BEOBACHTUNG

Der Ton knackt und knirscht, viele Schaltentöne sind – wenn die Schalten denn überhaupt stehen – schlecht. Generell scheint das Stichwort „open production“ missverstanden worden zu sein, denn durchgehend sind Regiekanäle offen oder man hört im Hintergrund die Anweisungen, Diskussionen und Wetten, wer als nächstes „verkackt“ (das ist ein Zitat) einfach laut mit.

Für das internationale Publikum, das nicht ein einziges weiteres Mal erwähnt wird, kündigt Jan Kalbfleisch zu Beginn eine englische Audiospur an. Die Übersetzung wurde von Neumann & Müller zur Verfügung gestellt und funktionierte bei unseren Tests gut. Befremdlich ist, dass zu Beginn der Veranstaltung eine Frau die Herren vor der Kamera dolmetscht. Inwieweit der Synchrondolmetscheraufwand überhaupt notwendig war, habe ich in meinem ersten Artikel in dieser Reihe hinterfragt.

Während der Award-Kategorie Crossmedia kracht bei der Ansage des Gewinners im Hintergrund ein Tablett zu Boden. Irritation beim Moderator. Gelächter. Concept X hat gewonnen – von Ulf Gassner wird ein sympathischer Film gezeigt, allerdings versagt schon wieder die Technik: Höhns Mikrofon fällt aus, was die Regie ihm hörbar sagt. Wie ein Tonpraktikant soll Höhn nun in ein ersatzweise gereichtes Handmikro reden, um zu probieren, ob es wieder funktioniert. Gassner hört nichts und versucht, das durch Gestikulieren zu artikulieren. Höhn beginnt im On, seine Moderationskarten zu sortieren, im Hintergrund lautes Gewusel. Man wünscht sich, dass das Licht hier besser ausgeht, denn das möchte man sich nicht ansehen. Wie gewünscht, erscheint der BrandEx Bildschirmschoner. In diesem Moment wirkt der kleine wandernde rote Punkt im aufgebrochenen Quadrat des BrandEx Logos so, als suche er verzweifelt den Ausgang, um bloß schnell rauszukommen.

Aljoscha Höhn raunt hörbar genervt ins offene Mikro „So, Kai… beziehungsweise Ulf, hörst DU mich? Hallo…?“ Nichts. Aus der Regie wird reingerufen, Gassner höre jetzt. Als das Bild wieder da ist, signalisiert dieser im Hintergrund, dass er NICHTS hört. Höhn verabschiedet Ulf Gassner, der einfach ausgeblendet wird. Höhn: „Wir kommen jetzt hoffentlich zu einem Part, der auch funktioniert.“ Im Hintergrund hört man einfach ALLES von der Regie und drumherum, während der nächste Kategorien-Trailer läuft. In den letzten Sekunden hört man dann auch die Musik des Einspielers.

Schon im bemühten Intro-Talk von Höhn und Kalbfleisch wird die Anpassung von Licht und Kamera im On weitergeführt. Überhaupt wird konstant während der Sendung an irgendwas nachgeregelt. Das wäre hinzunehmen, würde es zum Erfolg führen, tut es aber nicht.

Den traurigen Tiefpunkt schlechter Beleuchtung erlebt Matthias Thoben vom BrandEx Team in einem Interview. Wie man später auf denselben, beim Einleuchten offensichtlich übersehenen Sessel, nochmal Kalbfleisch setzen kann, obwohl nebenan zumindest scheinbar etwas besser ausgeleuchtete Sitzmöbel ohne Funktion stehen, lässt den Zuschauer erneut fragend zurück.

KONSEQUENZ

Mit einem durchgeplanten Ablauf kann man beispielsweise dafür sorgen, dass auf dem Kanal fürs Synchrondolmetschen entsprechend passgenau Männer Männer und Frauen Frauen synchronisieren. Das hat mit Seh-Hör-Gewohnheiten zu tun, die vor dem Bildschirm ohnehin schwerer herzustellen sind als in der Präsenzsituation. Verlässliche Texte und Abläufe sind wichtig für Dolmetscher, um möglichst viel von den Emotionen der Protagonisten transportieren zu können. So kann der Dolmetscher-Job ein regelrechter Synchron-Schauspiel-Job werden.

Mit einer Audiokanalauswahl geht aber noch viel mehr: Inspiriert durch Forschungen zu binauralem Hören entwickeln wir mit Marin Subasic von M2Productions eine 3D-Audio-Experience. Viele Live Streams werden mit Kopfhörern konsumiert, über die man mit einem binauralen Live-Audio-Mix ein natürliches Hörerlebnis gleich unserem räumlichen Hören bieten kann. Die Ortung der Schallquellen, die im Stereosignal nur links und rechts unterscheidet, ist so auch zwischen vorne und hinten, oben und unten möglich. Billie Eilish und die Pentatonix haben begeisternde Klangwelten in vergleichbaren Formaten abgeliefert. Mit dieser Technik kann eine Branchen-Award-Verleihung Wege in die Zukunft weisen und Know-how der Branche live nutzen.

Dass „Ohne Proben nach oben“ selten funktioniert, wurde insbesondere in den Licht-, Kamera- und Tonpannen sehr deutlich. Deshalb erneut ein Plädoyer für umfassende Proben. Schaltentöne sollten mit genügend Vorlauf im Backend geprüft werden, damit man ggf. in der Live-Situation noch genug Zeit für einen Plan B hat, den man sich vorher zurechtlegen sollte. Das Setup sollte in der Probe immer zu 100 % dem Show-Setup entsprechen.

Je mehr Kameras zum Einsatz kommen, desto wichtiger ist die perfekte Ausleuchtung des Sets und der Protagonisten. Das Licht muss aus allen Positionen seinen Zweck erfüllen. Wie bereits im zweiten Artikel der Serie kurz angedeutet, kann man mit farbigen Lichtakzenten und weniger flach gesetztem Licht Kontraste und Tiefe in einer Szenerie schaffen und Highlights setzen. Gerade in der aktuellen Situation mit so vielen Bildschirmen um uns herum bietet es sich an, diese zu inszenieren und als indirekte Lichtquellen zu nutzen. So lassen sich verspielte, Spannung erzeugende Szenerien schaffen. Unser Licht- und Kamerafachmann Michael „Muck“ Kremtz hat kürzlich einen winzigen LED-Projektor entwickelt. Dieser bietet vor allem für diffizile Beleuchtungssituationen großartige Möglichkeiten. So hätte man – im Zimmer der Freunde beim Abend unter Freunden – die Gewinner wie einen Sternenhimmel an die Decke projizieren können. Auch der Einsatz in einem Miniatur-Greenscreen-Studio ist denkbar, um fantasievolle, emotionale und aufregende Award-Momente zu kreieren. Wir setzen die Miniaturprojektoren bereits als Effektbeleuchtung bei Filmproduktionen ein.

Mehr Tiefe im Set und in der Szenerie bietet auch mehr Möglichkeiten bei der Beleuchtung. Zunächst erscheint die Szenerie durch mehr Abstand der Protagonisten zum Hintergrund nicht so flach und wirkt durch die Perspektive größer. Darüber hinaus kann man so besser mit Lichtebenen spielen, Schatteneffekte gekonnt einsetzen und durch sehr spitzes, punktuelles Licht Show-Effekte schaffen. Es ist wesentlich mehr Abwechslung möglich und sei es nur das romantisch-warme Backofenlicht in der Event-WG.

Hey, Branche, wir müssen reden! Oder wie einst Tony Mono, der Comedy-Starproduzent bei 1LIVE, zu sagen pflegte: „Daaaaas geht besser!“ Weil das hier keine Comedy ist, weil es uns alle angeht, weil es unsere Zukunft als Branche ist, lasst uns sprechen. Wir freuen uns auf eure konstruktiv-kritischen Stimmen bei den nächsten Schritten. Stay tuned – für Teil 4 von 7.


Tobias Weber ist Geschäftsführender Gesellschafter bei der format:c live communication GmbH und ein Teil der Live Streaming-Komplettlösung StreConFlex. Als Regisseur und Creative Director verantwortet er zahlreiche Filmprojekte, Theaterproduktionen und Corporate Events für Weltmarken. Seine Erfahrungen umfassen außerdem crossmediale Konzepte, TV-Produktionen, Road-Shows und Kampagnen sowie Online-Events.


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Bildquelle: format:c live communication GmbH

Autor: Gastautor: Tobias Weber | format:c live communication GmbH

Veröffentlicht am: 23.03.2021


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