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Agenturen

Kreativ in der Krise! Kreativ aus der Krise?

Alternative Geschäftsideen im Zeichen von Corona

Wie aus dem Nichts kam sie, die Corona-Krise. Nicht zuletzt hat sie die Eventbranche besonders hart getroffen: Events wurden abgesagt, Messen gecancelt, Konzerte verschoben, Incentives storniert. Flüge wurden ersatzlos gestrichen, Workshops in die Zukunft verschoben, Meetings verboten. Das alles innerhalb weniger Wochen, ja Tage. Was hat all das mit dem Veranstaltungssektor gemacht? Er kam vollständig zum Erliegen. Eine Branche, deren Kerngeschäft und -ziel die Zusammenkunft von Menschen ist, kann unter diesen Umständen nicht überleben. „Wie lange noch?“ lautet die wohl wichtigste Frage in diesem Zusammenhang. Wie lange, bis der Shutdown aufgehoben wird? Wie lange, bis mein Unternehmen in die Insolvenz gehen muss?

Auch bei einem Ende des Shutdowns bzw. einer Lockerung der Ausgangsbeschränkungen wird es vermutlich noch bis 2021 dauern, bis die Eventbranche wieder 100 Prozent geben kann – es sei denn, es wird ein Impfstoff oder wirksames Medikament gegen SARS-Cov-2 gefunden. Wer in dieser schweren Zeit aufgibt, ist wirtschaftlich gesehen eigentlich schon am Ende. Daher möchten wir hier einige Projekte vorstellen, im Rahmen derer Agenturen neue Geschäftsmodelle entwickelt haben, um ihren Laden auch in Zeiten der Krise am Laufen halten zu können – selbst wenn das Event selbst dabei in den Hintergrund rückt.

Besonders bemerkenswert: Die Aussagen der verschiedenen Geschäftsführer sind um einiges offener und persönlicher ausgefallen, als man es vor der Pandemie hätte erwarten können. „Business as usual“ hat für den Moment ausgedient. Nachdenklichkeit und Selbstreflektion haben sich in das bis dato vorherrschende professionelle Vorgehen gemischt. Gut möglich − wenngleich diese Aussage ziemlich gewagt erscheinen mag −, dass nach Corona vieles anders sein wird und im Veranstaltungsbusiness wieder mehr davon zum Tragen kommt, was es eigentlich ausmacht: Menschlichkeit, Verbundenheit und Kooperation.

Beispiel BEEFTEA – Krisen-App für Unternehmen

Die Corona-Pandemie zwingt Unternehmen immer mehr dazu, Mitarbeiter freizustellen, in Kurzarbeit zu schicken oder im Home-Office arbeiten zu lassen. Täglich machen neue Nachrichten die Runde, was erlaubt ist und was nicht, was aktuell sinnvoll erscheint und sich per se schwierig gestaltet. Jeder Verdacht der Infektion eines Mitarbeiters kann das komplette Arbeitsgefüge ins Wanken bringen.

Gerade in diesen Krisenzeiten ist eine gute Kommunikation im Unternehmen wichtig. Doch wie informiert man seine Mitarbeiter, wenn diese nicht im Büro arbeiten und über keine Kommunikationsmittel wie PC oder Firmenhandy verfügen? Die BEEFTEA Group hat eine App entwickelt, über die Unternehmen in der Lage sind, ihre Angestellten in Krisenzeiten zeitnah über aktuelle Geschehnisse und deren Auswirkungen zu informieren. Über diese App werden alle Mitarbeiter von der Produktion bis zur Verwaltung, im Innen- oder Außendienst, gleichermaßen mit den wichtigsten Informationen versorgt. Eine „Push Message"-Funktion der App stellt sicher, dass man die wichtigsten Informationen auch dann erhält, wenn die App geschlossen ist.

Durch eine Segmentierung der Daten nach Gruppen bzw. Fachbereichen erhalten die Mitarbeiter nur die Informationen, die für sie persönlich oder deren Bereich wichtig sind. Hierzu können Themen wie Urlaubsabbau oder Kinderbetreuung gehören. Die Mitarbeiter wiederum können über die App Fragen stellen oder sich aktiv einbringen, indem sie z.B. eigene Beiträge in Foren veröffentlichen.

„Wir wollen mit dieser App den Unternehmen ein leistungsfähiges Tool an die Hand geben, mit dem sie schnell und zielgruppengerecht mit ihren Mitarbeitern kommunizieren und diesen wichtige Informationen zeitnah an die Hand geben können" so Andreas Grunszky, Geschäftsführer von BEEFTEA. Die App ist branchen- und betriebsgrößenübergreifend einsetzbar.

Auf die eigene Unternehmenssituation angesprochen, führt Andreas Grunszky fort: „Wir nutzen die Krise, um den Kunden verstärkt digitale Tools als Lösungsansätze rund um die Corona-Problematik anzubieten. Darüber hinaus ist unser Ziel, digitale Events in abwechslungsreiche Broadcast-Events zu transformieren. Wir kommen hierbei jedoch nicht von der technologischen, sondern von der emotionalen Ebene − ohne die Notwendigkeit der erforderlichen Technik außer Acht zu lassen, versteht sich. In der Krise können wir die Firma zudem von angesetztem Speck befreien, indem wir Kosten reduzieren, von denen man zwar wusste, aber sich nicht weiter darum gekümmert hat. Ein Beispiel sind etwa die Abos von Zeitungen, die man eh nicht mehr gelesen hat.“

Andreas Grunszky spricht aber auch über seine private Situation: „Ich als Mensch nutze die neu gewonnene Zeit auch, um diese sinnvoller zu gestalten: mehr Schlaf, mehr persönlicher Freiraum und viele Telefonate mit Freunden und Verwandten, die in regulären Businesszeiten viel zu kurz gekommen sind. Denn wenn das Geschäft wieder anzieht, will ich die zurückgewonnene Energie nutzen, um für den Aufschwung fit zu sein.“

Beispiel KahnEvents – die kleine Online-After-Work-Party

KahnEvents spielen nicht primär im Digitalbereich. Die Eventagentur trifft es also umso härter, wie Inhaberin Nadja Kahn bestätigt: „Am 2. März begann bei uns der Storno-Hagel und binnen einer Woche waren 18 Events abgesagt. Bei weiteren rangen wir um neue Termine im kommenden Jahr oder für den Herbst. Doch was sollten wir nun in den „freien“ Monaten tun? Wir haben uns gefragt, was genau ein menschliches Miteinander so besonders macht? Zum einen, dass dieselbe Atmosphäre geteilt wird. Zum zweiten, dass zusammen gespeist, gesnackt oder getrunken wird. Dieselbe Atmosphäre zu teilen, ist uns aktuell nicht möglich, aber wir können noch immer die Freude teilen, gemeinsam etwas zu genießen. Und so entstand unsere Online-Party-Box, die jetzt auch unter www.onlinepartybox.de buchbar ist.“

Die Box ist gedacht für ein virtuelles Get Together. Es gibt sie in verschiedenen Ausführungen. Prosecco, Wein und Bier, Oliven, Grissini und Chips gehören je nach ausgewählter Box dazu. Die Überraschung ist natürlich nicht für den „Hausgebrauch“ gedacht, sondern dafür, andere zu überraschen, beispielsweise Kunden, Mitarbeiter, Freunde oder Geschäftspartner. Der Dank erfolgt dann umgehend per digitaler Konferenztechnik. Eine entsprechende Anleitung liegt jeder Box bei.

Und schon kann sie losgehen: die kleine After-Work-Online-Party. Lockere Gespräche, gute Stimmung und das Schmieden neuer Ideen – es bleibt jedem selbst überlassen, ob geschäftliche Kontakte auf diese Weise eine persönlichere Ebene erreichen oder einfach ein Dankeschön an die Welt gesendet wird für engagierte Mitarbeit, langjährige Kundentreue oder die letztjährige Buchung.

Ein Tropfen auf den heißen Stein, könnte man meinen, aber die Nachfrage bestimmt das Angebot. Und die Nachfrage ist groß. Nadja Kahn beschreibt das wie folgt: „Wir sind alle betroffen. Unsere Branche aber mit voller Wucht. Doch trotz all der vielfach katastrophalen und existenzbedrohenden Situationen für Agenturen, Hotels, Caterer, Locations, Geschäfte, Dienstleister, Mitarbeiter und Kollegen, Familien und Einzelne nehmen wir so viel Positives wahr: Verständnis füreinander, kreative Lösungen, nie dagewesener Zusammenhalt! Es gibt da draußen so unfassbar viele, die Stärke zeigen, durchhalten, die den Kopf statt in den Sand hinaus in die Welt strecken, um neue Wege zu suchen und zu gehen ... DAS ist inspirierend!“

Beispiel format:c – Live-Streaming von A bis Z

Tobias Weber, Kreativdirektor der Kölner Agentur format:c wundert sich, dass erschreckend viele Akteure der Eventbranche gerade mehr oder weniger abgetaucht sind. „Währenddessen haben wir ein schon länger in Planung befindliches neues Produkt gelauncht: Deutschlands erste mobile Komplettlösung für‘s Live-Streaming. Hierfür haben wir uns mit der loud GmbH zusammengetan und unser Angebot StreConFlex getauft, was für Stream Content Flexible steht.“

Im Mittelpunkt dabei steht ein Truck-Trailer, der mit Hightech-Kameras und einer hochauflösenden LED-Wand ausgestattet ist, während sich die Regie im Van daneben befindet. So lässt sich überall in Deutschland ein hochwertiger Live-Stream mit minimalem physischem Kontakt realisieren. „Entscheidend sind die inhaltliche Beratung und die Auswahl des richtigen Formats“, sagt Natalie Driesnack, geschäftsführende Gesellschafterin bei format:c. Tim Wiegand, Inhaber der loud GmbH, ergänzt: „Wir setzen mit StreConFlex darauf, erstmals alle Bestandteile eines Streaming-Events aus einer Hand zu bieten. Viele Mitbewerber preisen hingegen gerade in diesen Zeiten reflexartig nur die Technik an, ohne sich über die konkrete Umsetzung für den Kunden Gedanken zu machen.“

Von der Beratung und Planung über die Content-Bearbeitung und -Produktion bis hin zur technischen Umsetzung inklusive Inszenierung bieten die beiden Unternehmen damit ein bisher noch nicht am Markt erhältliches Komplettangebot an. Hinzu kommen zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten wie Online-Abstimmungen, Chat-Funktionen und digitale Workshops. All das funktioniert barrierefrei und sicher über ein browserbasiertes Tool. „Wir haben zu viele Streams erlebt, die nicht explizit auf das Publikum vor den Bildschirmen zuhause oder im Büro zugeschnitten waren“, erklärt Tobias Weber. „Dadurch geht den Sendenden wichtige Aufmerksamkeit verloren. Deshalb haben wir mit unseren Erfahrungen im Live-, TV- und Online-Bereich eine Reihe interaktiver Formate entwickelt, die Live-Streaming erst zum Event machen.“ Natalie Driesnack ergänzt: „Wir unterstützen den Kunden in der Auswahl des richtigen Contents, beraten bei der Entscheidung über die Dauer des Streaming-Formats und coachen die Protagonisten bezüglich ihres Auftritts vor den Kameras ohne Live-Publikum.“

Das mobile Studio kommt im Trailer auf den Hof des Kunden gefahren. Alle Absprachen haben im Vorfeld stattgefunden, die Inhalte sind vorbereitet und es kann nach nur einer Stunde Einrichtungszeit losgehen. Etwa sechs Stunden braucht es, um darüber hinaus ein optionales Pop-up-Studio aufzubauen, aus dem gesendet werden kann wie etwa aus einem professionellen TV-Studio. „Gerade jetzt, wo Streaming in einem regelrechten Hype große Aufmerksamkeit erfährt,“ so Tobias Weber, „ist es wichtig, den Kunden eine seriöse und vollständige Lösung zu bieten, nicht bloß eine in der Not in die Runde geworfene Idee.“

Beispiel Rheintoechter – das Wichtige tun

Einen gänzlich anderen Weg beschreitet die Marketing- und Eventagentur Rheintoechter aus Bad Honnef gemeinsam mit ihrer Tochterfirma Isarsoehne in Rottach-Egern. Hier hat man die vorhandenen Kapazitäten gebündelt, um in Zeiten der Pandemie das eigentliche Kerngeschäft zu verlassen und das zu tun, was gesellschaftlich nachgefragt wird: Mundschutze und Gesichtsmasken zu produzieren. Für einen moderaten Preis werden in Handarbeit bis zu 400 Masken täglich genäht und können online bestellt werden. Die Lieferzeit kann bis zu zehn Tage betragen.

Inhaberin Birgit Eschbach kam aus ganz persönlichen Gründen auf diese Idee: „Rheintoechter und Isarsoehne haben innerhalb von drei Wochen 100 Prozent der Aufträge bis zum 1. Quartal 2021 verloren. Da wir aber in der Kreativwirtschaft tätig sind, haben wir uns dazu entschlossen, mit eigener Kraft diese Krise zu meistern und dadurch mehr vom Kuchen der KfW-Kredite für unsere langjährigen Netzwerkpartner in den Bereichen Eventausstattung, Catering oder Technik zu lassen.

Dabei hat mir sehr die Erinnerung an meine Großmutter geholfen − wie sie mit Energie, Disziplin und Selbstbewusstsein unsere Familie aus der Krise des 2. Weltkriegs geholfen hat. Sie verkörperte für mich praktisch das „Role-Model“ des Wirtschaftswunders. Also haben wir uns kurzerhand dazu entschlossen, mit analogen und digitalen Konzepten ein neues ‚Wirtschaftswunder‘ zu gestalten. Analog nähen sechs Näherinnen gerade täglich 400 Mund- und Nasenmasken, mit denen Unternehmen ihre Mitarbeiter ausstatten, damit diese nach dem Lockdown arbeiten können. Digital ermächtigen wir unterdessen bundesweit Wirtschaftsförderungen dazu, das #NextWirtschaftswunder im Mittelstand zu einer neuen Erfolgsgeschichte für Deutschland werden zu lassen. Wir starten damit jetzt in der Krise und wollen aus den 20er Jahren nach der Krise ein goldenes Jahrzehnt machen. Ich bin voller Energie, Disziplin, Selbstbewusstsein und Dankbarkeit − eben ganz die Enkelin meiner Oma.“

Bestellungen von Masken ab 200 Stück sind bitte vorab per Mail an eschbach@rheintoechter.com zu richten, damit eine verbindliche Lieferterminzusage getroffen werden kann.

Fazit

Unsere Beispiele zeigen, dass auch in Pandemiezeiten das Eventbusiness nicht vollständig zum Erliegen kommen muss. Mit Mut, Kreativität und Engagement lässt sich einiges bewerkstelligen, wobei vermutlich diejenigen Firmen die Krise besser überstehen werden, die auf gewisse Rücklagen zurückgreifen können. Gerade Start-ups dürften es daher schwer haben, die künftigen Wochen und Monate unbeschadet zu überstehen. Denn auffangen lässt sich der finanzielle Verlust über Monate hinweg sicherlich nicht.

Unsere Beispiele zeigen andererseits auch, dass die Veranstaltungsindustrie sozusagen schon länger „entzweit“ ist: in rein analoge und hauptsächlich digitale Player. Letztere sind in der Corona-Krise natürlich besser für das gewappnet, was noch kommen mag. Sie sind sogar in der Lage innovative Produkte zu entwickeln, die das Online-Konferenzgeschehen noch weiter nach vorne bringen werden. Und wer weiß: Vielleicht sind digitale Meetings gar die Zukunft der Eventbranche. Vielleicht aber beginnt nach der Krise auch ein regelrechter Run auf analoge Erlebnisse, da wir doch lange auf diese verzichten mussten.

Es ist einfach eine Zeit der Unsicherheit für alle. Es zeigt sich aber auch, dass gerade die Eventbranche auch jetzt das tut, was sie am besten kann: machen, organisieren und Menschen zusammenbringen – egal aus welchem Grund und zu welchem Zweck!


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Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 22.04.2020


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