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Themensammlung - Change-Kommunikation

Alles bleibt anders

Moderne Organisationsformen brauchen mehr statt weniger Führung

Die Online-Plattform für Zukunftsideen changeX behandelt Themen des Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft. In Kooperation mit dem MICE Club veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen spannende Beiträge unseres Content-Partners, wenn wir diese für unsere Leserschaft interessant finden.

Agilität, das ist das Versprechen, dass sich durch dezentrale Verantwortung, maximale Vernetzung bei gleichzeitiger Auflösung von Hierarchien die organisationalen Probleme in Luft auflösen. Die Idee, Führung neu zu denken, mündet in deren schrittweiser Abschaffung. Unser Autor wendet ein: Moderne Organisationsformen brauchen mehr statt weniger Führung - eine Führung, die Verantwortungsübernahme konsequent einfordert, die Orientierung gibt und die Sinn stiftet. Und Führungspersönlichkeiten, die für etwas stehen, die Ideen vermitteln und die Beziehungen stiften. Die durch Klarheit, Präsenz und Inspiration überzeugen.


Im Zuge der digitalen Transformation, die kaum ein Unternehmen unberührt lässt respektive auf Jahrzehnte hinaus unberührt lassen wird, eint die Organisationen branchenübergreifend der Wunsch nach mehr Agilität. Wer Wertschöpfungsketten digitalisieren, Abläufe beschleunigen und Einheiten verschlanken will, um den Kundenanforderungen besser gerecht zu werden und die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, kommt früher oder später unweigerlich auf agile Methoden zu sprechen.

Schrittweise Abschaffung von Führung

Der Hintergedanke: Angesichts zunehmender Komplexität im Projektportfolio müssen sich Firmen ohnehin schrittweise vortasten. Da passt der experimentelle Charakter von agilem Management nur allzu gut ins Konzept. Agil ist das neue Esperanto oder, um in der Sprache der Ökonomie zu bleiben, die Bitcoin unter den Managementmethoden: ein großes - zum Teil bis zum Hype aufgeblähtes - Versprechen, dass sich durch dezentrale Verantwortung, maximale Vernetzung und bei gleichzeitiger Auflösung von Hierarchien ein Großteil der organisationalen Probleme in Luft auflöst. Insbesondere aus den Chefetagen heraus wird ein agiler Mindset gefordert in der Hoffnung, dass jeder den anderen mit mentaler Beweglichkeit infiziert (wobei die Überwindung von Trägheit und Schwerfälligkeit vielerorts ein frommer Wunsch bleibt).

Zumindest aus Topmanagementsicht stehen mittlerweile eine Reihe von smarten Werkzeugen bereit, mit denen sich ein solcher Mindset auch gegen Widerstände durchsetzen lässt. Der agilen Weiterentwicklung scheint nur eine organisationale Komponente im Weg zu stehen: die Führungsebene. Wer heute von agil spricht, meint im selben Atemzug, Führung neu denken zu müssen. Von dieser Neudefinition ist es dann zum nächsten Schritt nicht mehr weit, den mehrere Organisationen auch bereits gegangen sind: die schrittweise Abschaffung von Führung. In der Tat verursacht eine umfassende Agilisierung von Unternehmen einen gewaltigen Kollateralschaden, vor allem im mittleren Management, dem ohnehin schon das Label der Lähmschicht anhängt.

Der Sprint wird zur neuen Maßeinheit

Vielen Bereichs- oder Abteilungsleitern wird angst und bange, wenn sie die aktuellen Diskussionen verfolgen. Ihre Organisationen springen auf den agilen Zug auf, ohne richtig verstanden zu haben, wohin der eigentlich unterwegs ist. Dabei sein ist alles! Von daher ist es wenig überraschend, dass alle rufen: „Mehr davon", aber nur wenige wissen, was sie am Ende bekommen, wenn sie mehr davon haben. In jedem Fall besteht ein großer Wunsch, möglichst tief greifende Veränderungen struktureller, technologischer und kultureller Art im Schnelldurchgang durch die Organisation zu jagen. Der Sprint wird dabei zur neuen Maßeinheit, das Agile-Prinzip zum Fatburner für alle Abteilungen, die sich nicht mehr bewegen können.

Viele CEOs trauen ihren langgedienten Bereichs- und Abteilungsleitern gerade in den Change- und Drangperioden keinen großen Motivationsschub mehr zu. Stattdessen schieben sie ihre Manager im Organigramm von links nach rechts und wieder zurück. Wie an einem Strohhalm hält sich dann die mittlere Führungskraft an einer unklar definierten Rolle fest. Sie soll mehr delegieren - aber wohin? Wie das Loch füllen, das sich dadurch im eigenen Aufgabenbereich auftut? Und wer sagt überhaupt, dass die eigenen Leute mehr Verantwortung wollen? Bislang war es doch ganz bequem, wenn ein anderer den Kopf hinhielt.

Im Gefolge des Change-Vollalarms und des agilen Schlankheitswahns machen sich Verunsicherung und Überforderung breit. Es braucht nicht viel Hellseherei, um zu verstehen, dass wir auf Organisationsformen zusteuern, in denen Führungskräfte weitgehend obsolet geworden sind.

Großunternehmen mit alternder Belegschaft und klassischer Hierarchie blicken neidisch auf junge, offensichtlich extrem dynamische Start-ups, die sich gar nicht erst lange mit Top-down-Entscheidungsprozessen aufhalten müssen. Jahrzehntelang hatten die etablierten Marktführer eine Gewinngarantie auf ihr Geschäftsmodell, Unternehmen glichen Besitzstandswahrern, die einen Markt gepachtet hatten und bis zum Ende verteidigten. Von Aufbruch keine Spur. Jetzt aber, wo die neuen Wettbewerber es wagen, die Platzhirsche mit größter Selbstverständlichkeit auf ihren lieb gewonnenen Märkten anzugreifen und deren Monopol quasi über Nacht infrage zu stellen, antworten diese mit der teilweisen Umwandlung ihrer Organisationen in agile Versuchslabors und Design-Thinking-Spielwiesen. Das ist gut so und auch notwendig, aber in diesem Transformationsprozess treten drei wesentliche Stolpersteine auf.

Stolpersteine im Transformationsprozess

Erstens: Die Teilung in Inkubator und Regelbetrieb birgt Konflikte

Vielerorts zeichnen sich Konflikte ab zwischen den Innovationstreibern und jenen Kollegen, die sich mit bloßer Optimierung abmühen, also zugespitzt formuliert zwischen langsamem und schnellem Denken, zwischen Trägheit und Tempo: Die Gefahr besteht, dass sich die Organisation in einen exploitativen Verwaltungsbetrieb und einen explorativen Inkubator spaltet. Im agilen Schnellkochtopf geht der Punk ab und wird Schumpeter gehuldigt, während in der klassischen Hierarchie mühsam an der großen Effizienzschraube gedreht wird. Doch spätestens dann, wenn das agile Team in die Linienorganisation zurückkehren soll, sind die Probleme da. Wer soll dann vermitteln zwischen Thinktank und Lame Duck - wenn nicht die Führungskräfte?

Zweitens: Agil bedeutet nicht zwangsläufig mehr Autonomie

So mancher Mitarbeiter, der sich in ein agiles Projekt stürzt und einfach mal lossprinten will, stellt verwundert fest: Ich muss mich einem starren Set von Regeln beugen und kann gar nicht so autonom handeln, wie ich es gern hätte. Projekte alter Schule, die ohne Backlog und Daily Scrum auskommen, geben den Teammitgliedern oftmals mehr Freiräume und lassen sie an einer längeren Leine laufen.

Ein Unternehmen aus der Energiebranche beispielsweise hat dem Business Development flächendeckend einen Kanban-Prozess verschrieben. Alle Initiativen müssen einen streng formalisierten Prozess durchlaufen und dürfen erst nach Freigabe durch das Management Board vom Backlog in den Stand der Aktivität gehoben werden. Die Folge: Motivierte Kollegen, die regionale Initiativen im Kleinen erproben wollen, werden zurückgepfiffen. Zurück auf Start, heißt es dann, schließlich möchte das Management ein Wörtchen mitreden.

Wer Agilität auf diese Weise nur halbherzig umsetzt, erntet schnell dieselbe Demotivation, die aus hierarchischen Entscheidungsstrukturen entspringt. Die Vertriebsteams, die voller Zuversicht gestartet sind - in Form eines noch nicht perfekten, aber vorzeigbaren Pilotprojekts -, empfinden die strenge Formalisierung und Einmischung des Managements als Blockade und nicht als Türöffner oder gar Turbo fürs Neugeschäft.

Drittens: A fool with a tool is still a fool

Es wird oft suggeriert: Neue Tools erfordern eine neue Haltung. Dabei ist es umgekehrt: Vor den Tools kommt immer die Haltung. Auf einer Tagung klagte eine Organisationsentwicklerin darüber, dass die Agilisierung ihres Unternehmens gründlich schiefgelaufen war. Sie hatte den Auftrag bekommen, über agile Methoden den Weg zu mehr Autonomie und Selbstorganisation zu ebnen: „Wir legten sofort los, haben Pilotgruppen definiert, in denen Kanban in Projekten zum Einsatz kommen sollte. Die Führungskräfte schickten wir in Schulungen. Wir bekamen extrem viel Gegenwind, ein Dialog war gar nicht möglich. Wir haben nicht verstanden, dass wir erst an der Haltung der Führungskräfte hätten arbeiten müssen, um dann schrittweise agile Methoden einzuführen. Nicht umgekehrt."

Auch unterliegen viele Unternehmen dem Irrtum, dass Autonomie nur mit einer weitgehenden Abschaffung von Hierarchien einhergehen kann. Wer so argumentiert, verkennt, dass sich Selbstorganisation in Netzwerken vollzieht, die mitnichten hierarchiefrei sind. Gerade in Netzwerkorganisationen sind hierarchische Führungsstrukturen notwendig und brauchen agile Methoden einen hierarchischen Rahmen, damit sie überhaupt zustande kommen.

Meine Überzeugung ist: Wir brauchen mehr statt weniger Führung in modernen Organisationsformen, eine Führung, die konsequent einfordert, wo es an Verantwortungsübernahme fehlt, eine, die Orientierung gibt, wo das Schiff richtungslos navigiert, und die Sinn stiftet, wo Mitarbeiter sonst nur mit leeren Worthülsen beworfen werden. Mitarbeiter folgen Ideenvermittlern, keinen Schönrednern. Sie halten sich an Führungspersönlichkeiten fest, die für etwas stehen und die für sich klar sind, was richtig und was falsch ist.

Führen in der Doppelhelix

Zur Führung in agilen Zeiten passt das Bild der Doppelhelix, die aus zwei schraubenförmig umeinander gedrehten Strängen besteht. Diese beiden Stränge stehen komplementär zueinander und sind fast unsichtbar in ihren Basenpaaren verbunden. Nehmen wir mal an, der eine Strang steht für die Führungskraft, der andere für das Team. Der Abstand zwischen den Strängen ändert sich niemals. Die Führungskraft bleibt immer in Sichtweite - genauso wie das Team für die Führungskraft. Sie sind durch stabile, aber unscheinbare Regeln miteinander verbunden, die die Art und Weise der Zusammenarbeit klar umreißen. Regeln, die verinnerlicht sind und nicht täglich thematisiert oder an die Wand projiziert werden müssen.

Es gibt immer wieder Überschneidungen, wenn die Stränge schraubenartig auf die andere Seite wechseln. Im Führungsalltag nutzt die Führungskraft diese Überschneidungspunkte, um sich regelmäßig mit dem Team abzugleichen. An diesen Punkten findet eine gegenseitige Vergewisserung statt, eine Überprüfung, ob das Team noch richtig unterwegs ist oder was es braucht, um wieder richtig unterwegs zu sein. In dieser Doppelhelix-Struktur stelle ich mir eine Organisation mit agiler DNA vor.

Für das Führen in der Doppelhelix braucht es meines Erachtens drei wesentliche Prinzipien, die auch als KPIs moderner Führung gelten können und die sich perfekt ergänzen. Das sind Klarheit, Präsenz und Inspiration.

Es herrscht eine große Sehnsucht nach einfachen Lösungen. Je mehr die Mitarbeiter die VUCA-Dimensionen der neuen Welt, ihre Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität wahrnehmen, desto stärker ist der Wunsch, von der Führung Klarheit vermittelt zu bekommen. Vor VUCA, also zur Zeit der Fünfjahrespläne, als Entwicklungen noch langfristig kalkulierbar waren, haben sich Organisationen und Teams in labyrinthartigen Kontexten wiedergefunden. Sie mussten den einen oder anderen Umweg in Kauf nehmen, aber es gab verlässliche Orientierungshilfen, die am Ende doch immer zum Ausgang wiesen. Heute sind wir nicht mehr im Labyrinth, sondern von einem dichten Dschungel umgeben. Jeder Schritt ist ein Schritt ins Ungewisse. Und aus der Vergangenheit lassen sich nur bedingt Rückschlüsse ableiten, wie der Weg nach vorne auszusehen hat. Euphemistisch umschrieben, fahren die Unternehmen auf Sicht. Tatsächlich tappen sie die meiste Zeit über im Dunkeln.

Raus aus dem eigenen Echoraum

Es gibt nur wenige Führungskräfte, die zwischenzeitlich eingestehen, dass auch sie längst nicht alles klar sehen. Dagegen vermitteln die Super Heroes unter den CEOs, dass sie selbst alles am besten wüssten. In ihrer Eitel- und Selbstgefälligkeit vergeben sie eine große Chance: Wer seine Mitarbeiter zum Mitdenken auffordert und ihnen zuhört, um selbst mehr Klarheit zu gewinnen - und damit den eigenen Echoraum verlässt, in dem nur die eigene Stimme zählt -, der bringt die Organisation in jedem Fall mehr voran als durch einseitige Rechthaberei. Keine Managementschule ersetzt den Austausch mit den eigenen Leuten. Insbesondere nicht den Austausch mit den meinungsstarken, konstruktiv-kritischen Mitarbeitern, die nicht darauf angewiesen sind, dem Chef zu gefallen, und deshalb furchtlos auf Fehlentwicklungen hinweisen können.

Das können auch Kollegen sein, die tagtäglich mit dem Kunden in Kontakt sind. Wer als Chef klar sehen will, wie es dem Unternehmen geht, schaut weniger auf den Aktienkurs als auf die Schnittstellen zu den externen Partnern. Ein Tag im Kundenkontakt verschafft mehr Durchblick als jeder Rückgriff auf vergangene Erfolge. Eine Führungskraft, die Klarheit über ihre Optionen gewinnen will, muss in der Gegenwart beheimatet sein. Nur aus diesem Bewusstsein heraus, was um sie herum passiert, gelingen verwertbare Zukunftsentwürfe.

Wer es schafft, gemeinsam eine klare Strategie zu entwickeln, in der sich die Führungsmannschaft wiederfindet, muss diese auch klar vermitteln. Nicht in wachsweichen Botschaften, um die Mitarbeiter zu schonen. Damit richtet eine Führungskraft nur heilloses Durcheinander an. Der mündige Mitarbeiter hat ein Anrecht darauf, zu erfahren, was ihn erwartet und was von ihm erwartet wird. Eine Führungskraft muss also berechenbar sein, wenn sie mit ihren Leuten rechnen will. Diese koppeln sich aber von der Führung ab, wenn die sich ständig in Widersprüche verstrickt oder Dinge unklar lässt. Wenn sie es nicht schafft, einen verlässlichen Rahmen zu entwickeln, in dem sich die Teams frei entfalten können. Innerhalb von Leitplanken zwar, aber darin selbstbestimmt und eigenverantwortlich handelnd.

Interesse an echtem Dialog

Zu dieser Selbstbestimmtheit der Mitarbeiter steht eine starke Präsenz der Führung keineswegs im Widerspruch. Mit Präsenz assoziiere ich weniger eine physische Anwesenheit als eine geistige Wachheit und starke Gegenwärtigkeit: die Fähigkeit, den Fokus zu halten und sich nicht in Tasks zu verlieren; die Fähigkeit, in der Zeit zu sein, statt sich in ihr zu verlieren oder ihr hinterherzulaufen; die Bereitschaft, sich dem anderen zuzuwenden.

Eine Führungskraft sollte an einem echten Dialog interessiert sein, an der Meinung und den Ideen des Gegenübers - und dies völlig hierarchiefrei. Auf einen solchen Dialog kann sich eine Führungskraft nur einlassen, wenn sie präsent ist. Das heißt konkret: erkennen, wann das Team sie braucht, und da sein, wach sein, präsent sein, wenn das Team sie braucht und gemeinsam um Lösungen gerungen wird.

Das bedeutet nicht, dass der Chef morgens seinen Beobachtungsposten einnimmt und über die Arbeit seiner Schützlinge wacht. Gemeint ist vielmehr eine besondere Form der Aufmerksamkeit, eine Verankerung im Hier und Jetzt. Eine präsente Führungskraft ist immer ganz bei der Sache beziehungsweise beim Gegenüber. Sie spürt die Energien im Unternehmen und vermag sie konsequent in die richtige Richtung zu lenken.

Beziehungsaufbau als erste Führungsaufgabe

Nichts anderes umschreibt Achtsamkeit: das Gefühl, mit sich und mit anderen verbunden zu sein. Der Soziologe Harmut Rosa spricht von Resonanzerfahrungen, mit denen Menschen in ihrer Umwelt Anklang finden. Eine Führungskraft muss mit ihren Leuten in Beziehung treten, muss Resonanz herstellen und Anklang finden - andernfalls ist sie für diesen Job schlicht ungeeignet. Nicht Kommunikation ist die erste Führungsaufgabe, sondern der Beziehungsaufbau nach innen und nach außen. Kommunikation dient diesem Beziehungsaufbau.

Präsenz im Sinne von Gegenwärtigkeit ist eine zwingende Voraussetzung, um zu erkennen, ob das Team richtig zusammengesetzt ist oder etwas in die falsche Richtung läuft. Der Gegenentwurf zur präsenten Führungskraft ist der Liquid Leader. Dieser Führungstypus hat keine klaren Überzeugungen und weicht Entscheidungen aus, ja er weicht sogar den eigenen Leuten aus. Der Liquid Leader ist weder greif- noch begreifbar. Er lässt sich von einem Meeting ins nächste treiben, schwimmt mal hier mit, mal dort, ergeht sich in Andeutungen und verliert sich - mangels eines eigenen Standpunktes - im Ungefähren. Ein Team, das von einem Liquid Leader geführt wird und dennoch vorankommt, muss eine absolute Spitzenmannschaft sein. Nur Höchstleister können eine Führungskraft ignorieren, die in keinster Weise standfest ist und sich auf nichts festlegen will.

Eine Führungskraft, die Präsenz zeigt und für sich klar ist, lässt sich auch weniger treiben und von Impulsen steuern. Sie verfällt nicht in Reaktivität oder ruft Reaktionsmuster ab, sondern agiert aus eigenem Antrieb und trifft bewusste Entscheidungen.

Offenheit für Rollen- und Perspektivenwechsel

Klarheit und Präsenz führen zu einer neuen Qualität von Führung, die andere zu Höchstleistungen inspiriert. Wir können dagegen von niemandem inspirierende Führung erwarten, der sich den ganzen Tag im Autopilotmodus bewegt. Wer auf Multitasking schaltet, statt sich auf den einen gegenwärtigen Moment zu besinnen.

Mitarbeiter streben nach Inspiration, nach lebenslangem Lernen und persönlichem Wachstum. Von diesem Menschenbild ist auszugehen, wenn man als Führungskraft etwas bewegen will. Inspiration in der Führung heißt dann auch, sich gerade in agilen Zeiten nicht ausschließlich auf bekannte Sicht- und eingefahrene Verhaltensweisen zu fixieren, sondern sich jederzeit für Rollen- und Perspektivenwechsel zu öffnen. Wenn diese Bereitschaft in der Führung nicht vorhanden ist und bei den Mitarbeitern entsprechend nicht gefördert wird, hat das Team auch keine passenden Antworten auf veränderte Kontexte in einem agilen Umfeld. Diese Antworten müssen immer wieder neu gefunden werden - und zwar im Austausch zwischen Führungskräften und Mitarbeitern.

Auch hier beschreibt Achtsamkeit eine herausragende Führungsqualität. Dahinter verbirgt sich die Fähigkeit, Dinge neu wahrzunehmen, die Erkenntnis, dass man bestimmte Sachverhalte längst noch nicht so gut kennt, wie man ursprünglich dachte. Damit ist Achtsamkeit eine unverzichtbare Grundlage für Inspiration und - ernsthaft betrieben - vielleicht zuverlässiger als jede noch so agile Methode. Es braucht keine Schatzkiste an verrückten Inspirationstechniken, wenn wir uns stattdessen unserer fünf Sinne einmal ganz bewusst bedienten.

Diese aktive Wahrnehmung als Resultat einer starken Präsenz, das Einnehmen unterschiedlicher Perspektiven, das echte Interesse am Gegenüber, die grundsätzliche Offenheit für und das Denken in Alternativen sowie das unbedingte Streben nach Klarheit unter Einbezug von internen Wissensträgern - das sind Führungsprinzipien, die nicht erst jetzt in der agilen Ära entdeckt werden. Sie bedeuten keine Revolution des Führungsverständnisses, sondern vielmehr eine Rückbesinnung auf längst Bewährtes.

Dieses Essay veröffentlichen wir in enger Kooperation mit der Online-Plattform changeX.


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Autor: Markus Czeslik

Veröffentlicht am: 13.02.2020


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