Europe rules
Studie: Europa ist und bleibt der Hotspot für internationale Events
„Europe as a Destination für Meetings and Conferences“ lautet der Titel einer Studie vom Juli 2019, die das mittel- und langfristige Potenzial des Standortes Europa für Tagungen und Konferenzen untersucht. Herausgeber sind neun Mitglieder der Strategischen Allianz der National Convention Bureaux of Europe, darunter das German Convention Bureau GCB als federführender Partner. Es wurden dabei nicht nur generelle Kennziffern und Branchentrends untersucht, sondern auch umfassende Interviews mit 45 führenden Unternehmen der Eventindustrie in Europa und den USA geführt.
Wie es um Europas Eventindustrie bestellt ist
Europa ist und bleibt der Hotspot für internationale Events. Laut der ICCA, der International Congress and Convention Association, finden 52,5 Prozent der Veranstaltungen von international agierenden Verbänden und Unternehmen in europäischen Ländern statt. Asien und die USA folgen mit großem Abstand und Anteilen von rund 20 bzw. etwas über elf Prozent. Mittelfristig – darin sind sich alle Experten einig – wird sich an der europäischen Dominanz auch nichts ändern. Dazu ist das „kleinräumige“ Europa zu gut erreichbar und ein echter „Melting Pot“, der mit enormer Vielfalt aufwartet. Hinzu kommen eine hervorragende Meeting-Infrastruktur und − auf den Weltmarkt bezogen – durchaus moderate Preise.
Interessant ist laut einer Analyse der ICCA, dass die beliebtesten Städte in Europa nicht unbedingt mit den meist frequentierten Ländern korrelieren. Als Beispiel wird Deutschland genannt, das als „Eventland Nr. 1“ lediglich zwei Städte in den europäischen Top 25 platzieren kann. Hier mögen andere Studien abweichen, aber so ist das nun mal im „Reich der Statistik“. Jedenfalls stellt man heraus, dass im weltweiten Vergleich auf die Top-5-Länder Europas 45 Prozent der meistbesuchten MICE-Städte entfallen. Im Klartext heißt das nichts anderes als „Europe rules“.
Was hoffnungsvoll stimmt und (kaum) Sorgen bereitet
Zwar dürfte Europas langjährige Dominanz im internationalen Veranstaltungsmarkt ungebrochen bleiben, aber natürlich müssen sich Planer und Veranstalter auf das immense Tempo der globalen Entwicklung einstellen. Hierzu zählen gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Faktoren genauso wie technologische Trends und eine zunehmende Umweltsensibilität.
Ein Aspekt, der besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist natürlich der anstehende Brexit. Diese bereitet den Planern aber nur insofern Kopfschmerzen, da das Vereinigte Königreich im Falle eines „No Deals“ erheblich an Attraktivität verlieren könnte und man infolgedessen auf andere europäische Länder auszuweichen gedenkt. Ein Profiteur dessen könnte natürlich Deutschland sein, zwar nicht gesamtwirtschaftlich, aber eben innerhalb der Eventindustrie.
Viel stärker ist man deswegen ob der makroökonomischen Entwicklung besorgt, da eine erneute Finanz- bzw. Eurokrise in Verbindung mit einer weltweiten Rezession derzeit in Expertenkreisen zumindest als nicht unwahrscheinlich gilt. Schließlich sind die globalen Schulden in den letzten zwölf Jahren um 174 Prozent gestiegen. Solange der Dollar aber gegenüber dem Euro stark bleibt, profitieren vor allem Anbieter aus Übersee von den für sie günstigen Konditionen in Europa. Da globale wirtschaftliche Veränderungen aber nicht in die Rubrik „beeinflussbar“ fallen, gibt es auch keine Stellschrauben, an denen Eventplaner dahingehend drehen könnten.
Wie empfindlich der Markt hingegen auf soziale Unruhen reagiert, zeigen beispielsweise die Gelbwesten-Proteste in Frankreich. Fast alle Pariser Tagungshotels sahen sich während der Hochphase der Aktionen mit steigenden Stornoraten konfrontiert. Das Thema Sicherheit wirkt sich zwar direkt auf die Buchungsraten aus, ist jedoch sehr stark temporärer Natur. Schon heute ist etwa die Furcht vor islamistischen Anschlägen kein großes Thema mehr, wie die Interviews mit den Führungskräften der Branche ergaben. Besonders besorgt in Bezug auf die generelle Sicherheitslage in Europa zeigte sich keiner.
Darüber hinaus ist man sich relativ sicher: Wenn Land A oder Stadt B für eine gewisse Zeitspanne als „Risikodestinationen“ gelten, kann man relativ zügig und unproblematisch den Veranstaltungsstandort innerhalb Europas wechseln – und das, ohne große finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen oder dem angedachten Eventcharakter nicht mehr gerecht werden zu können.
Wie die Technik den Markt beeinflusst
Vielfach haben wir schon darüber berichtet, in welchem Maße die Digitalisierung Einzug in die Eventbranche hält. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass an denjenigen Technologien, die auch im Alltag angekommen sind, kein Weg mehr vorbeiführt. Hybrid- und Online-Meetings auf der einen sowie Hochgeschwindigkeits-WLAN und speziell designte Apps auf der anderen Seite gehören inzwischen zum Eventalltag dazu. Vor allem ein schnelles Breitband-Internet wird deshalb in Tagungshotels und -locations als selbstverständlich angesehen. Denn ohne die entsprechende technische Infrastruktur sind Livestreams, Videokonferenzen und die gleichzeitige App-Nutzung von bis zu mehreren tausend Teilnehmern kaum realisierbar.
Eine besondere Bedeutung wird dabei den 5G-Netzwerken zugedacht, die den bisherigen LTE-Standard spätestens ab 2020 in Sachen Multimediafähigkeit und Datenübertragungsrate erheblich übertreffen sollen. Alles unterhalb von LTE taugt damit höchstens noch für bewusst entschleunigte Events, aber nicht mehr für moderne Tagungen und Konferenzen. Veranstalter und Locations, die zeitnah in 5G investieren, sollten der Studie zufolge signifikante Wettbewerbsvorteile haben.
Auch das Internet der Dinge wird dadurch einen Schub erfahren. Über 24 Millionen entsprechende Geräte wie Armbänder oder Anhänger sollen laut Prognose im kommenden Jahr weltweit bei Tagungen und Konferenzen zur Anwendung kommen. Damit einher geht mehr Komfort für die Besucher, z.B. durch schnellere Einlasskontrollen oder individualisierte Angebote, aber auch ein besseres Tracking, Controlling und Monitoring seitens der Anbieter.
Generell wird die technologische Zukunft gerne mit künstlicher Intelligenz (KI) in Verbindung gebracht. Noch ist das aber eher eine Vision denn eventtechnische Realität, da ein Schritt nach dem anderen getan wird und marktreife Produkte noch nicht verfügbar bzw. erschwinglich sind. Langfristig aber versprechen sich die befragten Unternehmen besonders viel von lernenden Chatbots, die Teilnehmer individuell durch eine Veranstaltung führen können.
Was die Branche antreibt und bewegt
Der Trend zunehmender Individualisierung dank digitaler Technologien ist in der Branche allgegenwärtig. Wie schon immer entscheiden aber vorrangig ökonomische Kriterien wie der Return on Investment über das, was tatsächlich realisierbar ist. Wirtschaftlichkeit ist und bleibt innerhalb der Veranstaltungsindustrie oberstes Gebot, wobei Ausnahmen die Regel bestätigen.
Hinzu kommt der Aspekt der Nachhaltigkeit und damit in Zeiten des Klimawandels eine zukunftsfähige Eventplanung. So gut wie allen Beteiligten ist inzwischen klargeworden: (Fast) jeder sorgt sich um die Zukunft des Planeten und möchte am Ende nicht als Verlierer in der Klimadiskussion dastehen. Also überlegt man in verstärktem Maße, ob die CO2-intensive physische Zusammenkunft bei einer Konferenz überhaupt notwendig ist. Oder – falls ein Online-Meeting nicht in Frage kommt −, ob man nicht mehrere kleinere Tagungen zu einer größeren zusammenfassen und damit Reisekosten und Emissionen sparen kann.
So oder so erwartet die Branche eine verstärkte Hinwendung zu nachhaltigen Formaten, was die Wahl der Partner in immer stärkerem Maße beeinflussen wird – z.B. im Hinblick auf die Form der Anreise, die Art der Unterbringung, die Energieversorgung vor Ort oder die Gestaltung des Caterings. Allein das zertifizierte Plastikvermeidungs- oder Wassersparkonzept eines Hotels kann laut Expertenmeinung zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden.
Wenn dann noch der Preis stimmen sollte bzw. im Budget liegt, scheint alles perfekt. Am einfachsten haben es diejenigen, die vorrangig Kongresse auf Führungs- oder Managementebene organisieren, da das Geld hier naturgemäß „etwas lockerer“ sitzt, als wenn es darum geht, den Vertreter des Jahres zu küren oder den Mitarbeitern für ein erfolgreiches Jahr zu danken.
Was es anzupacken gilt
Aus den Ergebnissen der Studie haben deren Macher einige Handlungsempfehlungen für Eventplaner abgeleitet, die wir im Folgenden kurz vorstellen:
1.) Die Kommunikation verbessern
Den Veranstaltern geht es im ersten Schritt nicht um ein schnelles WLAN vor Ort, sondern vor allem um die Bereitschaft der Hotels und Locations, schnell, umfassend und transparent auf ihre Anfragen zu antworten. Hier wurden im Rahmen der Befragung erhebliche Defizite deutlich. Die Tatsache, dass die Eventbranche in der Regel sehr „zeitgetrieben“ ist, kommt bei vielen Venues offenkundig noch immer nicht an. Eine aussagekräftige, detaillierte und stets aktuelle Onlinepräsenz – evtl. sogar inklusiver virtueller Rundgänge – kann den Planern helfen, ohne dass jede Anfrage persönlich beantwortet werden muss oder massenhaft E-Mails hin- und hergeschickt werden.
2.) Die Diversifizierung ausbauen
Laut Analyse und Interviews konzentriert sich die europäische Veranstaltungswirtschaft zu sehr auf ihre Hotspots. Auch andere Städte und Regionen haben Spannendes zu bieten und liegen – der große europäische Vorteil – dennoch praktisch in Reichweite der großen Drehkreuze. Probleme, die der Tourismus schon von alleine mit sich bringt, sind bereits bekannt, z.B. aus Amsterdam oder Barcelona. Hier sind die lokalen Partner gefordert gegenzusteuern und entsprechende Alternativen zu erschließen und zu vermarkten.
3.) Die besten Voraussetzungen schaffen
Ob schnelles Breitband-Internet oder audiovisuelle Multimedia-Performance: Wer vorlegt, gewinnt! In Verbindung mit dem vorherigen Punkt vielleicht in besonderem Maße. Gerade Tagungshotels und Locations sollten nicht den Anschluss an die Zeit verpassen, auch wenn sie im eher ländlichen Raum beheimatet sind. Es mag sogar zum entscheidenden Standortvorteil werden, wenn man abseits der gängigen und oft überlaufenen Eventlocations technische Qualität und organisatorische Flexibilität gepaart mit besonderem Charme anbietet.
4.) Die Expertise betonen
Vor allem sogenannte B-Destinationen, die oft unter dem Radar Eventwirtschaft laufen, sind gut damit beraten gezieltes Marketing zu betreiben, um ihre Kernkompetenzen in den Fokus zu stellen. Dies kann die gute Verkehrsanbindung oder flexible Verfügbarkeit genauso sein wie die wissenschaftliche Expertise durch die Nähe zu einem Forschungszentrum oder einem ortsansässigen Industriezweig. Der Preis hingegen zieht laut Expertenmeinung im Veranstaltungsmarkt nicht als Verkaufsargument. Gezieltes Destinationsmarketing ist damit ein wirksames Tool, um den Bekanntheitsgrad zu steigern und lokale Stärken herauszuarbeiten. Vor allem Standortvorteile im Bereich neuer Technologie und Energie versprechen analog zum globalen Trend auch kleineren Destinationen deutlich mehr Zugewinne.
Fazit
Im Gegensatz zu vielen anderen Teilen der Welt verfügt Europa über hochprofessionelle Convention Bureaus. Diese können einzelne Destinationen und Anbieter mit wertvollen Informationen versorgen und ihnen bei der Planung und Organisation von Events beratend zur Seite stehen. Das hilft insbesondere kleineren und unerfahreneren Anbietern, Zeit zu sparen und sich aufs Wesentliche zu konzentrieren.
Zwar scheinen die Grenzen des Wachstums in manchen europäischen Top-Destinationen erreicht, doch Entwicklungspotenzial für die MICE-Branche sehen die internationalen Experten dennoch reichlich. Das gilt insbesondere für spezialisierte Formate sowie Städte und Regionen, die dazu beitragen könnten, die großen Eventmetropolen zu entlasten. Und da die Studie Europa als Ganzes betrachtet, findet die Konkurrenz zwischen einzelnen Ländern darin eben auch keine Beachtung.
Das könnte Sie auch interessieren:
- Was Tampons und der Thermomix mit MICE zu tun haben - Sponsored Post
- Traut euch mal was!
- KI und Machine Learning verändern das Reisen der Zukunft