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Meinung, Destinationen

„Zum Glück sind wir anders“

MICE-Kampagne für Schleswig-Holstein geht nach hinten los

Die MICE-Branche, ja, die MICE-Branche: Der goldene Dukatenesel - die gerne zitierte „Cherry on the cake“ der Touristik - lässt so manche Tourismusmarketinggesellschaft von paradiesischen Zuständen und purpurnen Flüssen schwelgen. So wird der MICE-Bereich als der Heilsbringer für die dahin dümpelnde Touristik in der Nebensaison allzu gerne als Argumentationssteilvorlage herangezogen, wenn es darum geht, mit viel Grips und Gehirnschmalz und nicht selten aberwitzigen Marketingbudgets die eigene Destination auf die Weltkarte des hochprofitablen „Geschäftsreisetourismus“ zu hieven.

„Metropole kann jeder – zum Glück sind wir anders“

So geschehen jüngst in Schleswig-Holstein, oder genauer gesagt bei der Marketingkooperation Städte in Schleswig-Holstein e.V. (MakS), die mit viel Bohai das „Glücksland“ Schleswig-Holstein als MICE-Destination etablieren möchte. Da werden als Herleitung viele Studien und Trendbarometer zitiert und ausgewertet, um neben harten Key Facts (zum Beispiel gibt ein Urlaubsgast durchschnittlich 110 Euro pro Tag aus und ein Geschäftsreisender hingegen durchschnittlich 300 Euro) vor allem weiche Faktoren wie Storytelling, Emotionalisierung und Menschlichkeit in den Ring zu werfen, um daraus die maßgeschneiderte MICE-Marketingkampagne „Metropole kann jeder – zum Glück sind wir anders“ abzuleiten. Wow, klingt auf den ersten Blick nach einem großen Wurf.

Zur Emotionalisierung und Veranschaulichung der Kampagne wurden keine Mühen gescheut und herausgekommen sind - Stand heute - neun verschiedene Film-Clips, die neun der zwölf MakS-Städte von ihrer außergewöhnlichen Seite in Bezug auf den Geschäftsreisetourismus in Szene setzen. In der bedeutungsschwangeren Pressemitteilung wird mit blumigen Vokabeln nicht gegeizt. Da heißt es etwa:

„Ist es nicht weitaus ansprechender, eine Veranstaltung mit Blick auf das Wasser und Treiben am Hafen zu besuchen als in einer Großstadt mit Blick aus dem Fenster auf Bankenhochhäuser?“

Und weiter:

„So wird ein Meeting kurzerhand an den Strand verlegt oder das Telefon klingelt inmitten eines Schlammbads. Die etwas andere Art des Geschäftsreisetourismus eben, oder: Metropole kann jeder.“

„Einfach Urlaubsfeeling“ – Schon mal was von Compliance gehört?

"Ach, was war das früher schön..." möchte man da träumerisch schwelgen, als man zum Kongress noch mit Kind und Kegel sowie Badesachen, Sonnenhut und Lichtschutzfaktor 2 angereist ist, gedankenverloren dem Meeresrauschen und dem romantischen Sonnenuntergang verfiel, Privates und Geschäftliches in friedlicher Koexistenz miteinander verband ... Klopf klopf!! Aufwachen! Wir sind im Jahr 2017! Für die verantwortliche PR-Agentur scheint die Zeit jedenfalls still zu stehen, strotzt die Kampagne nur so vor Naivität und Nostalgie früherer Zeiten.

Da kommt es einem schon arg fremdelnd vor, dass die bis ins letzte Detail auseinanderdividierte Compliance-Debatte und das krampfhafte Bemühen der MICE-Branche der vergangenen Jahre, dem Geschäftsreisetourismus jeglichen Spaßfaktor auszutreiben, am nördlichsten Bundesland offenkundig komplett vorbeigegangen ist. Daher heißt es jetzt zurücklehnen, Nostalgie pur! Tauchen wir gemeinsam ab in die gute alte Zeit, als Compliance noch ein Fremdwort war und der Urlaubs- und Erholungscharakter einer Geschäftsreise das angenehme mit dem nützlichen verband. Film ab!

Die Filmclips finden Sie hier.


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Bildquelle: Marketingkooperation Städte in Schleswig-Holstein e.V.

Autor: Dominik Deubner

Veröffentlicht am: 09.02.2017


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