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Destinationen

Wegen Überfüllung geschlossen!

B-Destinationen: die Abkehr von der Massenabfertigung

Viele von Europas Metropolen sind nicht nur Kultur- und Wirtschaftszentren, sondern auch Touristenhochburgen. Ob Amsterdam, Barcelona, Berlin, London oder Paris: Wo sich Massen von Städtereisenden und Urlaubern tummeln, sind Tagungsgäste und Eventbesucher nicht weit. Wenn dann auch noch ein Hafen mit Kreuzfahrtterminal zu Füßen der Altstadt liegt, sind die betroffenen Städte in der Hauptsaison nahezu nicht mehr betretbar. In Zeiten der Globalisierung drückt der Massentourismus Europas Top-Destinationen mehr denn je seinen Stempel auf. Die Folge sind verstopfte Straßen und verschmutzte Luft, überhöhte Preise und auf „Fließbandabfertigung“ abzielende Services, vor allem im Gastronomie-, Sightseeing- und Hotelgewerbe.

Doch damit nicht genug: Auch die Städte selbst verändern sich, verlieren an Authentizität und Charme, weil die einheimische Bevölkerung von der Immobilienwirtschaft und Tourismusindustrie aus den Alt- und Innenstädten rausgedrängt wird. Starbucks übernimmt das charmante Café an der Ecke, der Flagship-Store von Tommy Hilfiger die alteingesessene Boutique und die kommerzielle Nutzung von Wohnungen zur Vermietung über Airbnb treibt die Wohnungsmieten in die Höhe.

Dabei liegen attraktive Ausweichmöglichkeiten häufig nur wenige Kilometer von der stets überfüllten und zur Dauerpartyzone deklarierten Touristenhochburg entfernt. Wir haben hier schon einmal darüber berichtet, dass es zum Beispiel nicht immer Amsterdam sein muss, wenn Eventplaner und Veranstalter mit den Niederlanden liebäugeln.

Erst das Rahmenprogramm schafft echte Erlebnisse

Natürlich mag der massentouristische Rummel während einer Incentivereise, eines Kongresses oder einer Tagung weitgehend außen vor bleiben, doch die Herausforderung von Eventplanern liegt ja gerade darin, spannende Rahmenprogramme aufzusetzen, angesagte Restaurants aufzuspüren oder für Normalsterbliche verschlossene Türen exklusiv zu öffnen. Denn es sind ja gerade das außergeschäftliche Flair und die städtische Kulisse einer angesagten Destination, die den Erlebniswert eines Events bestimmen und dafür sorgen, dass man ein auf einmalige Erlebnisse und Wow-Effekte hin konzipiertes Event als „besonders wertvoll“ für sich verbucht. Immer mehr solcher Rahmenprogramme aber führen heute in überfüllte Innenstädte, zu denen man sich durch zahlreiche Reisebusgruppen oder Junggesellenabschiede „hindurchzukämpfen“ hat.

Die Auswirkungen der stetig wachsenden Tourismusbranche fordern im Eventbereich ganz klar ihren Tribut. Für die Aufnahme eines Gruppenfotos vor dem Brandenburger Tor hat visitBerlin während eines Incentives im letzten Jahr die frühen Morgenstunden gewählt, als die Stadt noch nicht wieder zum Leben erwacht zu sein schien. Es konnte immerhin ein Bild ohne „Nebendarsteller“ aufgenommen werden, was aber vor allem der kantigen Statur und dem freundlich-rustikalen Eingreifen des Fotografen geschuldet war. Den gleichen Herausforderungen stellen sich tagein tagaus DMCs und Agenturen, die für das „Once in a lifetime“-Erlebnis Incentivegruppen in den frühen Morgenstunden zu Sehenswürdigkeiten chauffieren, bevor das nächste große Kreuzfahrtschiff seinen ersten Landgang beginnt. Das nur als Beispiele.

Palma geht auf Konfrontationskurs

Dass Touristen durchaus zu einer Last für den Urlaubswert und Incentivecharakter werden können, zeigt sich vielleicht am besten am Beispiel Palma da Mallorca. Die touristische Entwicklung in der Balearen-Metropole ist derart außer Kontrolle geraten, dass die Stadtverwaltung die Notbremse zieht. Man befürchtet nicht nur den Unmut und das Fernbleiben der Touristen, sondern auch eine Veränderung der Gesamtstruktur, da sich die Innenstadtbevölkerung durch gestiegene Immobilienpreise und bis tief in die Nacht anhaltenden Lärm gezwungen sieht, wegzuziehen.

Was bleibt dann noch vom ursprünglichen Charme Palmas? Wenig, meint die Stadtverwaltung, und hat den Hotelneubau in weiten Bereichen der Innenstadt zunächst für ein Jahr untersagt. Nachhaltige Pläne und nicht per Dekret oder Moratorium durchgesetzte Beschlüsse lassen derweil auf sich warten, sagen die Kritiker. Das Ziel jedoch ist jedem klar: Die insbesondere durch den Kreuzfahrttourismus auf Mallorca einfallende Touristenmeute muss auf touristisch weniger überlaufene Inselgebiete verteilt werden. Hierfür müssen aber zunächst neue attraktive „Produkte“ geschaffen werden, die das Interesse von Touristen sowie Event- und Tagungsgästen wecken. Ob hier freilich die nötige Eventinfrastruktur inklusive einer schnellen Verkehrsanbindung gegeben ist, sei mal dahingestellt.

Alternativen liegen vor der Haustür

Attraktive sowie infrastrukturell und verkehrstechnisch gut erschlossene „B-Destinationen“ für die MICE- und Eventbranche gibt es indes viele: Gent statt Brügge, Glasgow statt Edinburgh, Toledo statt Madrid, Bratislava statt Prag, Bordeaux statt Paris oder eben Den Haag statt Amsterdam.

Es ist so gesehen eine Krux für die Entwicklung europäischer Städte, dass die massentouristischen Ziele fast immer dieselben sind wie diejenigen der MICE- und Eventbranche. Die Zahl der Gäste in den jeweiligen Hot Spots wird so noch weiter in die Höhe getrieben und auch das Sicherheitsrisiko steigt – nicht nur durch Kleinkriminalität, sondern auch durch terroristische Anschläge. Ob Barcelona, Berlin, Brüssel, Istanbul, London, Nizza oder Paris – die Auswahl der Attentatsorte kommt ja nicht von ungefähr, sondern ist vor allem der touristischen und medialen Anziehungskraft der Metropolen zuzuschreiben.

Die „Sekundärstadt“ als neues Trendziel

Es gibt viele Gründe für Eventverantwortliche in Agenturen und Unternehmen, einmal über alternative Destinationen nachzudenken. Genügend kleinere Städte haben in den letzten Jahren infrastrukturell mächtig aufgerüstet und stehen für ein noch weitgehend authentisches Erleben vor Ort. Der Flug bzw. die Anreise mag eventuell etwas teurer sein, aber diese Mehrkosten lassen sich in der Regel durch günstigere Preise für Hotels, Tagungsräume und Locations auffangen.

Klar ist auch: Gerade in Anbetracht der zumeist kurzen Verweildauer von Kongress- und Tagungsgästen lassen sich Destinationen abseits ausgetretener Pfade viel einfacher entdecken und intensiver erleben als die massentouristischen Hochburgen. Das gilt natürlich nicht nur für Europa, sondern auch für andere Teile der Welt, wenn man etwa an die Hot Spots New York, Singapur, Shanghai oder Kapstadt denkt.

Man spricht daher gerne von sogenannten „Sekundärstädten“, die touristisch hinter den Landes- und Tourismusmetropolen zurückstehen. Eventplanern bieten sich hier aber nicht nur originelle Möglichkeiten, sondern auch fantastische Chancen. Dazu muss aber mal eine Art Weckruf durch die ganze Branche gehen. Oder denken Sie, ein Vertriebler würde sich darüber beschweren, wenn die nächste Incentivereise nach Valencia statt zum x-ten Male nach Barcelona geht? Wohl kaum! Es ist auch die teils schwer nachzuvollziehende Trägheit der Branche, die lieber auf Bewährtes setzt als neue Wege zu gehen. Klar bedeutet Letzteres mehr Engagement, den Aufbau neuer Kontakte und gewiss auch ein bisschen Überzeugungsarbeit, vielleicht gar Risiko. Aber ist es das nicht wert im Hinblick auf künftige Alleinstellungsmerkmale, günstigere Reisebudgets und gesteigerte Erlebniswerte? Gerade in Zeiten, wo entgegen der „Höher-schneller-weiter“-Mentalität Themen wie Entschleunigung und Work-Life-Balance den Trend bestimmen?

Und davon mal ganz abgesehen: Ziehen Sie einfach mal ins Kalkül, wieviel Prozent Ihrer Klientel bereits dort gewesen ist, wo Sie sie hinzuschicken gedenken, sei es beruflich oder privat. Ist das erste Mal Cordoba oder Glasgow nicht wesentlich spannender als das dritte Mal Barcelona oder London? Nachdenkenswert, oder? Natürlich scheint eine große Auswahl an Hotels und Locations vorteilhaft, aber am Ende wird eben nur eine Option gebucht − ob in Berlin oder auf Rügen!

Wir werden dieses spannende Thema weiter im Auge behalten und informieren Sie demnächst über „Eventkonzepte abseits ausgetretener Pfade“ und „Geheimtipps für attraktive und gut erreichbare B-Destinationen".


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Autor: Frank Brehm & Dominik Deubner

Veröffentlicht am: 12.10.2017


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