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EventTech

VR-Angriff auf alle Sinne

Wie schmeckt die virtuelle Realität?

Sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen – nur im Rahmen der Live-Kommunikation lassen sich multisensorische Kundenerlebnisse generieren, die alle fünf menschlichen Sinne ansprechen. Doch muss man notwendigerweise an die Nordsee reisen, um salzige Seeluft zu schnuppern und sich auf weichem Sandboden eine steife Brise ums Gesicht wehen zu lassen? Wenn’s nach den neuesten Entwicklungen im Rahmen der Virtual Reality (VR) geht, sicherlich nicht mehr lange.

Wir berichteten an dieser Stelle schon einmal von einem sogenannten 5D-Projekt des Modelabels Diesel, das die eigentlich rein visuell-auditive Wahrnehmung der VR um weitere Sinnesempfindungen erweiterte. Was dort sozusagen fast „altmodisch“ mit Hilfe von Windmaschine, Zuckeraroma und Plüschbesatz vonstattenging, soll künftig natürlich auch technologisch realisierbar sein: mit Hilfe von Sensoren, Elektroden und Stimulatoren, die Sinnesempfindungen nachahmen.

Was möglich scheint, wird auch versucht

Weltweit arbeiten Forscherteams und Startups an neuen Lösungen, die auch das Tasten, Riechen und Schmecken beim VR-Erlebnis ermöglichen. Während spezielle Laufbänder und bewegliche Sitze die reale Bewegung in der virtuellen Welt ermöglichen, sorgen zum Beispiel in VR-Masken eingesetzte Duftpatronen für die olfaktorische Sinneserweiterung. Die Stimulation der Haut über Elektroden an Handcontrollern oder leitende Textilien wiederum sorgen für die Wahrnehmung von Druck- und Temperaturunterschieden, sodass auch von virtuellen Gegenständen eine haptische Wirkung ausgeht. Noch einen Schritt weiter gehen Forscher mit der Entwicklung von Gesichtselektroden, um das Schmecken und Kauen in virtueller Realität zu simulieren. Das Ziel all dieser Bemühungen ist klar: Durch die wie auch immer geartete Stimulation aller menschlichen Sinne soll der User noch tiefer in die virtuelle Welt eintauchen und sozusagen ganz mit ihr verschmelzen können.

Bitte einsteigen

Alle Sinne umfassend kommt die Box „VR Sense“ des japanischen Herstellers Koei Tecmo daher. In der hermetisch abgeriegelten Kabine werden Bewegungen und Berührungen, Schnee und Kälte, Hitze und Sonne und noch manches weitere simuliert. Man nimmt einfach auf einem beweglichen Sitz im Kabineninneren Platz, setzt sich eine VR-Brille auf, ergreift die mit Sensoren versehene Handsteuerung und schon kann das vorprogrammierte Abenteuer losgehen. Werkseitig ist die VR-Kabine darauf ausgelegt, verschiedene Videospiele zum besonders lebendigen Erlebnis werden zu lassen. Eines davon ist „GI Jockey“, bei dem der Nutzer auf dem Rücken eines Pferdes durch verschiedene Landschaften und Wetterverhältnisse galoppiert. Die „VR Sense“-Box soll sowohl in Spielhallen als auch bei ausgewählten Events (z.B. auf Messen) zum Einsatz kommen.

Anfassen erlaubt

Das System „HaptX“ des US-amerikanischen Startups AxonVR macht es mittels sensorischer Rückmeldung möglich, virtuelle Gegenstände zu berühren und zu spüren. Oder besser gesagt: dem Nutzer einen entsprechenden Eindruck zu vermitteln. Hierzu werden spezielle, mit Sensoren versehene Textilien (z.B. Handschuhe) verwendet, die Druck- und Temperaturunterschiede auf die Haut übertragen und so das Gefühl entstehen lassen, man hätte tatsächlich einen Eiswürfel in der Hand oder würde ein flauschiges Fabelwesen streicheln. Bei der Firma Ultrahaptics hat man es indes auf die Bedienung virtueller Schaltflächen abgesehen, wie sie in vielen Science-Fiction-Filmen schon „Alltag“ sind. Das Auswählen von Menüs und Bedienen von Regeln auf einer holografischen Benutzeroberfläche sollen durch modulierte Ultraschalleffekte ermöglicht werden.

Essen ohne Nährwert

Noch diffiziler wird VR, wenn es ums Schmecken und Kauen geht. Forschern der Universitäten Singapur und Tokio stehen auch hierfür große Budgets zur Verfügung. Denn tatsächlich lassen sich durch thermische und elektrische Stimulation bestimmte Geschmackseindrücke vermitteln – zumindest soweit, dass der Nutzer bzw. Proband den Eindruck gewinnt, er hätte beispielsweise etwas festes Süßes im Mund oder etwas weiches Salziges. Währenddessen haben Wissenschaftler in China und an der Oxford University herausgefunden, dass bestimmte Audiosignale mit einem süßen Geschmack assoziiert werden und diesen beim Genuss weniger süßer und damit gesünderer Speisen verstärken. Wenn Sie also morgen nur einen statt der gewohnten zwei Löffel Zucker in Ihren Kaffee geben, hören Sie dazu vielleicht am besten Bach, um die fehlende Süße zu kompensieren. Ein Scherz, versteht sich, aber der Ernst, mit dem Forscher in aller Welt die Möglichkeiten der Sinneserweiterung in der virtuellen Realität angehen, ist enorm.

Erlebnis ohne Mehrwert?

Erst kürzlich haben wir über die zunehmende Praktikabilität und Nutzenorientierung im Bereich VR berichtet. 5D-Anwendungen dürften davon noch ein ganzes Stück entfernt sein, nicht nur wegen der noch in der Erprobungsphase befindlichen Technologie. Der Nutzer muss schließlich – ähnlich wie beim EEG oder EKG – auf eine bestimmte Art verdrahtet oder verkabelt sein, damit seine Nervenzellen entsprechend stimuliert werden können. 5D-Anwendungen mögen daher auf Events künftig zwar für Aufsehen sorgen und den Erlebniswert virtueller Reisen steigern, offenbaren darüber hinaus aber kaum einen praktischen und auf lange Sicht geldwerten Nutzen.


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Bildquelle: Koei Tecmo

Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 16.03.2017


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