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Hotels & Locations

Ist der Ruf erst ruiniert …

Der Anstoß einer längst überfälligen Wertedebatte

Ein gutes Image ist eine wichtige Grundvoraussetzung für gute Geschäfte. Das gilt für alle Branchen und über alle Marken hinweg. Doch was macht ein gutes Image neben hochwertigen Produkten und überzeugendem Service aus? Und was kann ein bislang untadeliges Unternehmensimage plötzlich mächtig ankratzen? Neben hausgemachten Problemen wie bei der Abgasskandalnudel Volkswagen sind es immer wieder im gesellschaftlichen Sinn unpopuläre Entscheidungen, die die Pressesprecher dieser Welt in Erklärungsnot bringen.

So geschieht es dieser Tage mit den Hotelmarken Maritim in Deutschland und Trump auf internationalem Parkett. Im ersten Fall hat man vor, mit der AfD den „falschen“ Gast zu bewirten, im zweiten hat man in Donald Trump schlichtweg den „falschen“ Besitzer. Beide Fälle lassen sich nur schwer miteinander vergleichen und werden im Folgenden daher auch separat abgehandelt. Eine Gemeinsamkeit gibt es aber doch, nämlich den gesellschaftspolitischen Bezug, den ein Hotel so gesehen ja überhaupt nicht hat. Ist der Stein des Anstoßes aber erstmal ins Rollen geraten, nimmt er dank der sozialen Medien heute mehr Fahrt auf denn je.

Der Schneeballeffekt als Supergau

Sowohl Donald Trump als auch die AfD spalten die Gesellschaft und vereinen extrem viel mediale Aufmerksamkeit auf sich. Die Frage ist, ob man als weltoffenes, weil Gäste betreuendes Unternehmen mit A oder B in Verbindung gebracht werden will. Denn was für den Alleinreisenden kaum eine Rolle spielen mag, ist in der Event- und MICE-Branche sehr wohl von Belang. Oder würden Sie ungeachtet Ihrer politischen Meinung einen Kongress in einem Haus abhalten, das die Schlagzeilen beherrscht?

Wohl allein schon deshalb nicht, damit Ihre Tagung oder Ihr Kongress nicht im Vorfeld schon Fragen aufwirft. Denn damit müssten Sie bei ersten unangenehmen Statements Ihrer Mitarbeiter oder kritischen Kommentaren Ihrer Gäste unweigerlich rechnen. So sehr sich die Geister an Organisationen wie der AfD oder Personen wie Donald Trump scheiden mögen, so wenig wollen Sie dieser Diskussion als Eventplaner doch Raum geben und die Veranstaltungsplanung damit unnötig verkomplizieren.

Für die betroffenen Hotels hat das Buchungsrückgänge zur Folge, zumindest bis die medialen Wogen wieder geglättet sind. Natürlich aber lassen sich die betroffenen Häuser nicht in die Karten schauen, was ihre Auslastung angeht.

Weder am Meer gelegen noch rechter Gesinnung

Als es raus war, dass die AfD ihren Parteitag 2017 Ende April im Kölner Maritim-Hotel abhalten wird, wurden bereits erste Proteste gegen die bevorstehende Veranstaltung laut. Umso verstörender wirkt dabei das politische Kalkül der Partei, ausgerechnet am Ort der Silvesterereignisse zum Jahreswechsel 2015/16 ihren Parteitag abhalten zu wollen. Ein wahrer Sturm der Entrüstung wurde daraus nach einer unverhohlen rechtsextremistischen Rede des thüringischen AfD-Landeschefs Björn Höcke am 17. Januar 2017 in Dresden. Allen voran verschafften sich die jedes Jahr an Karneval auch im großen Saal des Maritim-Hotels auftretenden Künstler Gehör mit einem offenen Brief. „Der Moment ist gekommen, an dem alle der Stadt Köln verbundenen Menschen fest geschlossen und Arm in Arm dagegen protestieren.“ Bands wie Brings, Bläck Fööss, Höhner und Kasalla fordern vom Hotel, den Vertrag mit der AfD Partei aufzulösen, begleitet von einem wahren Shitstorm auf Facebook.

Eine finanziell wohl lukrative, wenngleich womöglich unbedacht gefällte Entscheidung des Maritim-Hotels in Köln mutet nun wie ein klassisches Eigentor an. Dabei kann man die Erklärung seitens der Pressestelle als neutraler Beobachter sogar nachvollziehen. Darin heißt es, man habe immer die Auffassung vertreten, allen Parteien und Organisationen, die sich im demokratisch legitimierten Spektrum bewegen, als Veranstaltungsort zur Verfügung zu stehen. Ebendiese Grenzen habe man bei der AfD nicht als überschritten angesehen. „Es ist nicht unsere Aufgabe, die AfD zu bewerten. Das liegt in der Verantwortung der Wähler am 24. September", sagte Gerd Prochaska, Geschäftsführer der Maritim-Hotelgesellschaft, mit Blick auf die Bundestagswahl. Man lasse sich nicht vorschreiben, wen man als Kunden auswählt und käme aus dem bereits im Sommer 2016 geschlossenen Vertrag sowieso nicht mehr raus.

Persona non grata

Was für die Partei gilt, gilt nicht für deren größten Lautsprecher Björn Höcke. Nachdem gegen den Politiker von den eigenen Leuten ein Parteiausschlussverfahren in Gang gesetzt wurde, reagierten auch die Maritim-Verantwortlichen prompt und erteilten dem Politiker am 13. Februar Hausverbot. Natürlich steckt ein gewisses Kalkül hinter dieser Entscheidung, auch wenn es offiziell heißt: „Die Äußerungen Björn Höckes sind absolut nicht vereinbar mit der deutschen Geschichte und unserer Auffassung eines internationalen, offenen Miteinanders.“ Doch die aktuellen Ereignisse überschlagen sich: Nun hat Maritim angekündigt, in Zukunft auch der AfD die Türen ihrer Häuser zu verschließen – eine peinliche PR-Salamitaktik sondergleichen!

AfD nein, Höcke nein – dennoch wird – Stand heute – der AfD-Parteitag im Kölner Maritim über die Bühne gehen. Doch spätestens am 22. und 23. April wird vor dem Hotel definitiv mit publikumswirksamen Protesten und einem großen Polizeiaufgebot zu rechnen sein. Erste Mahnwachen werden bereits abgehalten, das Polizeiaufgebot vor dem Maritim verstärkt. Zwei Großdemonstrationen mit erwarteten 30.000 Teilnehmern sind für den Parteitag angemeldet. Im anstehenden Karneval werden einige Stars der Szene das Hotel wohl als Bühne meiden, vermutlich auch Teile des Publikums aus Solidarität mit ihren Idolen. Bereits abgesagt haben Studenten der Technischen Hochschule in Köln aus Protest gegen den AfD-Parteitag ihren im Maritim geplanten Absolventenball.

Das Kapitel „AfD-Parteitag und die Folgen“ ist für das Maritim-Hotel Köln also keineswegs abgeschlossen. Es ist natürlich nichts Falsches daran, wenn sich die Geschäftsführung eines Hotels aus politischen Diskussionen raushält. Jedoch hätten die Maritim-Verantwortlichen wissen müssen, dass der Parteitag in der Domstadt auf breiten Widerstand treffen würde. Laut Polizei hat es sogar bereits Todesdrohungen gegen Mitarbeiter gegeben. Beschäftigte des Hotels forderten nach Angaben des Gesamtbetriebsrats ein sofortiges Ende der „Hetzkampagne auf dem Rücken der Arbeitnehmer des Maritim“.

Verängstigte Mitarbeiter, unerwünschte Schlagzeilen, verstärkte Sicherheitsmaßnahmen, offene Briefe, geplante Demonstrationen, spürbare Imageverluste, erste Veranstaltungsabsagen – einen Gefallen hat sich das Maritim Köln mit der Ausrichtung des AfD-Parteitags sicherlich nicht getan, auch wenn mit der populistischen Partei ganz gut verdient werden sollte.

Wer will noch mit Donald ins Bett?

Donald Trump und kein Ende in Sicht. Im Gegenteil: Gerade hat es ja erst so richtig begonnen für ihn als 45. Präsident der Vereinigten Staaten. Kein Tag vergeht ohne verstörende oder zumindest polarisierende Nachrichten aus dem (weißen) Hause Trump. Nun prangt der Name des nun mächtigsten Mannes der Welt aber auch auf insgesamt 15 Luxushotels rund um den Globus.

Schon während Donald Trumps Kandidatur sowie der damit verbundenen Skandale und verbalen Ausfälle gingen die Buchungszahlen in den Trump Hotels zurück. Zumindest hat das US-Reiseportal Smarter Travel Daten gesammelt, die darauf hindeuten, dass der Politiker Trump dem Hotelmagnaten Trump eher schadet als nützt. Da die Trump Hotel Collection als Betreibergesellschaft keine Zahlen zur Zimmerauslastung herausgibt, beruft sich Smart Travel auf andere Quellen wie die Standort-App Swarm, die fast 20 Prozent weniger Fußgänger im Eingangsbereich der Trump-Hotels registrierte als im Jahr zuvor. Das in den USA beliebte Buchungsportal Hipmunk wiederum verzeichnete im zweiten Halbjahr 2016 fast 60 Prozent weniger Buchungen von Trump-Hotels als im selben Zeitraum des Vorjahres.

Sollte der Politiker Donald Trump seine Gäste tatsächlich vergraulen, dürfte man das im Konzern vermutlich als Erstes bemerkt haben. Bei der Vorstellung der neuen „Lifestyle“-Hotellinie im letzten Jahr jedenfalls trat Donald Trump weder persönlich in Erscheinung noch ließ er sich zu einem Zitat hinreißen. Offen bleibt natürlich die Frage, ob die Marke damit tatsächlich auf Abstand zum Chef ging oder ob der Wahlkampf ihn zu sehr vereinnahmt hatte. Als Präsident jedenfalls hat sich Donald Trump nun offiziell aus all seinen Unternehmen zurückgezogen, um sich voll auf seine Amtsgeschäfte konzentrieren zu können. Dank seiner Kinder, die als neue Bosse eingesetzt wurden, bleibt natürlich dennoch alles in Familienhand und auch der Name Trump wird schon allein aus Gründen der Eitelkeit sicherlich nicht aus der Hotellandschaft verschwinden.

Kurios in diesem Zusammenhang ist sicherlich das von Trump geplante Einreiseverbot aus sieben muslimischen Ländern in die USA. Zwar wurde dieses auf richterliche Anordnung hin wieder gekippt, aber sollte der gute Donald ein ähnliches Dekret nicht konsequenterweise auch für seine Hotels auf den Weg bringen? Es ist natürlich eine bloße Vermutung, aber könnten Trump-Häuser aktuell nicht ganz oben auf der Liste möglicher Anschlagsziele für IS-Terroristen stehen? Sollte dieser Gedanke in vielen Köpfen reifen, könnte nicht nur die Abneigung gegen Trump, sondern auch die Angst vor möglichen Attentaten zu einem drastischen Buchungsrückgang führen.

Wer zu sehr polarisiert, verliert

Gesamtheitlich betrachtet dürfte Donald Trump sicherlich mehr Gegner haben als Anhänger hinter sich wissen. Kaum vorstellbar, dass ein Gast ein Trump-Hotel betritt und nicht direkt dessen Antlitz vor Augen hat. Und wer sich derartig für einen neuen wirtschaftlichen Protektionismus einsetzt, dürfte es schwer haben ausländische Firmen und liberale Verbände zu einer Tagung in einem seiner Hotels zu bewegen.

In die Kritik geraten ist Donald Trump als Hoteleigner übrigens auch bei einer großen Anzahl seiner Angestellten. Denn nach Angaben der US-Gewerkschaft Culinary Workers Union verdienen Trump-Mitarbeiter zumindest in Las Vegas im Durchschnitt fast drei US-Dollar weniger als gewerkschaftlich organisierte Belegschaften anderer Hotels in der Wüstenstadt. Währenddessen weigert sich der Big Boss nach wie vor standhaft, die Forderungen von Gewerkschaften anzuerkennen. Nun mag einem amtierenden US-Präsidenten sein Hotelbusiness nicht mehr so wichtig sein. Aber wenn es wegen Trumps Politik zu mangelnder Auslastung kommt und diese in Personalabbau resultieren würde, wäre das natürlich ein gefundenes Fressen für die Medien und ein Desaster für den Mann, der Amerika wieder groß machen will, indem er bekanntlich Millionen neuer Jobs schaffen will.

Wer den Schaden hat …

Was hier am aktuellen Beispiel zweier Hotelketten deutlich wird, lässt sich natürlich auch auf andere Bereiche übertragen. So sind auch einige Locations zumindest phasenweise in Verruf geraten, weil sie rechten Rockbands wie Frei.Wild eine Bühne boten, genauso wie Veranstalter, die populistische Agitatoren wie Thilo Sarrazin ans Rednerpult holten.

Wer wie fast alle Player der MICE- und Eventbranche für Weltoffenheit, Gastfreundschaft, Vielfalt und Harmonie steht, tut sicherlich gut daran, auf Akteure mit einem anders gearteten Weltbild zu verzichten. Es sei denn natürlich, man möchte sich bewusst einer kontroversen Diskussion stellen, die dann aber sehr schnell nach hinten losgehen kann. Einem Rüstungskonzern etwa mag die öffentliche Meinung egal sein, aber Veranstalter und Hoteliers, Locations und Destinationen leben nun einmal vor allem auch von ihrem guten Ruf. Man stelle sich nur einmal vor, Donald Trump besäße Tagungshotels in ganz Deutschland …

Anstoß einer längst überfälligen Wertedebatte

So drängt sich für die MICE-Branche eine längst überfällige Wertedebatte auf: Denn wer auf Anbieterseite – gleich ob Hotels, Eventlocations bis hin zu Eventagenturen – hat sich schon einmal damit auseinandergesetzt, welchen Kunden man aus moralisch-ethischen Gründen besser die Rote Karte zeigt und auf vermeintlich attraktive Aufträge – nicht zuletzt aus Imagegründen – besser verzichtet? Ebenso muss sich die Kundenseite die Frage gefallen lassen, ob man bei der Wahl des Veranstaltungsortes oder eines Eventdienstleisters darüber im Bilde ist, ob der Vertragspartner die gleichen Werte wie man selber verfolgt.

Bei dieser Diskussion lässt sich schnell ein Fass aufmachen; denn schnell kommen weitere moralische Aspekte auf den Prüfstand: etwa die Beteiligung an kostenfreien Pitches mit überwiegend sehr fragwürdigen und intransparenten Entscheidungskriterien.

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Bildquelle: Maritim Hotels

Autor: Frank Brehm & Dominik Deubner

Veröffentlicht am: 16.02.2017


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