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Auf zu neuen Ufern: Vom schwierigen Spagat zwischen Ursprünglichkeit und Kommerz

Kuba – Der boomende Tourismus verändert das Land. Nun entdeckt Kuba auch die MICE-Branche

Der Platz der Revolution in Havanna wirkt wie leergefegt. Ausgerechnet zu Kubas Herz zieht es nur wenige Urlauber. Und wenn nicht ab und zu einige rosafarbene Oldtimer Touristen für ein Foto absetzen würden, dann wäre man hier sehr einsam – auf gigantischen 72.000 Quadratmetern. Und eingerahmt vom 109 Meter hohen José-Marti-Denkmal sowie hauswandgroßen Bildnissen Che Guevaras („Immer bis zum Sieg!“) und Camilo Cienfuegos („Fidel, Dein Weg ist richtig!“). Fidel Castro, Kubas verstorbener Staatspräsident, sprach hier regelmäßig zu seinen Landsleuten. „Flugverbot für Drohnen“ verkünden heute Schilder, und Soldaten bewachen die Ministerien. Die Gebäude rund um den Platz haben schon bessere Zeiten erlebt, der Beton ist dreckig und verwittert. Wüsste man’s nicht besser, man wähnte sich in der DDR oder in der Sowjetunion. Aber die gibt es ja gar nicht mehr.

Schlendern durchs Welterbe

Ein völlig anderes Bild bietet die Altstadt von Havanna, nur fünf Kilometer entfernt: La Habana Vieja ist Weltkulturerbe der Unesco. Zehntausende Touristen schieben sich täglich durch ihre Gassen, viele von ihnen sind Tagesgäste amerikanischer Kreuzfahrtschiffe. Anders als im benachbarten Havanna Centro oder gegenüber der Uferstraße Malecon sind die meisten der prächtigen Bauwerke in vergleichsweise gutem Zustand. Hemingways einstige Lieblingskneipe Bodeguita del Medio ist chronisch überfüllt, Parks laden zum Verweilen ein und in Galerien lassen sich die Werke junger kubanischer Künstler bestaunen. Wären da nicht die überall angebotenen Che-Guevara-T-Shirts, man wüsste nicht, dass man sich in einem sozialistischen Staat befindet.

Platz der Revolution auf der einen Seite, La Habana Vieja auf der anderen: Der Karibikstaat steckt gewaltig im Umbruch. Noch existieren das alte und das neue Kuba nebeneinander, doch ständig verändert sich etwas, nicht immer zum Positiven. Das Regime, aber auch viele Einwohner haben den Tourismus als Heilsbringer entdeckt, und an die Stelle ausgelassener Lebensfreude ist bei manch einem das Dollarzeichen gerückt. Doch wer kann es den Bewohnern verdenken? Täglich sehen sie, wie wohlhabende Touristen an ihren Häusern – in denen oft drei Generationen gemeinsam leben – vorbeischlendern.

Immer wieder betont Kubas neuer starker Mann Miguel Diaz-Canel, welch große Bedeutung der Tourismus für sein Land erlangt hat. Als „Lokomotive“ der kubanischen Wirtschaft hatte die Regierung ihn definiert, als Mittel, um nach dem Zusammenbruch der befreundeten Sowjetunion an Devisen zu gelangen. Das Öl kommt zwar im Tauschgeschäft gegen die Entsendung kubanischer Ärzte aus Venezuela, doch für andere Einkäufe auf dem Weltmarkt sind Devisen erforderlich.

Mit 5 Mio. Besuchern will Kuba in diesem Jahr einen neuen Rekord aufstellen. Die weitaus meisten kommen aus Kanada. Deutschland liegt nach den USA an dritter Stelle. Die Hoffnungen waren allerdings höher: Nach dem Machtwechsel in den USA von Obama zu Trump ging die Zahl der US-Urlauber im Vergleich zu 2016 um 40 Prozent zurück. Veranstalter und Hotelketten sehen das Land dennoch im Aufwind. 2017 wurde das erste Luxushotel eröffnet – das Gran Hotel Manzana in Havanna. Um sich eine einzige Nacht leisten zu können, müsste ein durchschnittlich verdienender Kubaner zehn Monate lang arbeiten. Gemanagt wird das Haus von Kempinski.

Besonders viele Häuser hat Meliá eröffnet, allein sieben in diesem Jahr. Auch andere spanische Ketten expandieren deutlich. Wobei sich Hotelimmobilien auch bei westlichen Betreibern weiterhin in staatlichem Besitz befinden. Eigentümer sind meist Kubas Streitkräfte (Gaviota), die 80 Prozent des Tourismussektors kontrollieren.

Recht neu im Fokus steht die MICE-Branche. So bestätigte erst jüngst Gioacchino Cinquegrani vom Fremdenverkehrsbüro in Berlin, dass über die Eröffnung eines Convention Bureaus nachgedacht werde. Derzeit stehen die Veranstaltungsplaner mit den Hotels selbst oder Eventagenturen in Kontakt.

Ganz Kuba statt nur Varadero

Tatsache ist, dass die Karibikinsel inzwischen zahlreiche Tagungsmöglichkeiten bietet, in erster Linie in den Hotels, aber auch im 1976 eröffneten Palacio de Convenciones de la Habana. Mit deutlichem Abstand am beliebtesten ist die Hauptstadt: Bummel durch das Unesco-Weltkulturerbe gehören zu jedem Rahmenprogramm. Insgesamt versucht die Insel jedoch, sich verstärkt gesamt zu vermarkten. Vor allem gilt das natürlich für den Privaturlaub, bei dem bislang die Landzunge Varadero mit ihren Dutzenden Hotels den Großteil der Gäste anzieht.

Da diese Region jedoch austauschbar ist mit anderen karibischen Staaten und sich im Preis-Leistungs-Verhältnis zuletzt deutlich verschlechtert hat, trommelt man nun für Städte wie Havanna, Trinidad, Cienfuegos oder den touristisch noch unterentwickelten Osten der Insel. Beim Unesco-Weltkulturerbe-Tal Vinales soll der größte Golfplatz Lateinamerikas entstehen.

Mit grundlegenden Infrastrukturproblemen hat Kuba nach wie vor zu kämpfen. So fällt die Wasserversorgung immer mal wieder aus, und viele Lebensmittel, die den Urlaubern aufgetischt werden, müssen teuer importiert werden. Theoretisch könnte Kubas Landwirtschaft selbst Orangen oder Grapefruits produzieren. Doch viel Land liegt brach, und wenn Krankheiten die Plantagen heimsuchen, hapert es noch mit der schnellen Bekämpfung. Und auch darauf, dass etwa Züge plötzlich nicht fahren, weil sie nicht funktionieren, müssen Reisende vorbereitet sein.

Deutlich ausgebaut wurde das W-LAN: Drängelten sich früher die Handy-Besitzer um die Läden der Telefongesellschaft Etecsa, gibt es nun Hunderte öffentliche Hotspots in den Städten und Hotels. Zu den folgenreichsten Veränderungen aber führte und führt die Privatisierungsstrategie der KP. Canel-Vorgänger Raúl Castro hatte sie – als „Aktualisierung des sozialistischen Modells“ – zu einer der wichtigsten Reformen erklärt. Die 600.000 Arbeiter auf eigene Rechnung, wie hier Selbstständige heißen, ersetzen eingesparte Staatsjobs.

So machen genossenschaftliche und private Lokale (Paladares) den Staatsbetrieben Konkurrenz. Essensqualität und Servicequalität sind manchmal hervorragend; dann bilden sich lange Schlangen wartender Urlauber vor diesen Häusern. Auch dürfen kubanische Familien an ausländische Touristen Zimmer vermieten, sogenannte Casas Particulares. Sie kosten pro Nacht mit Frühstück etwa 30 bis 40 Euro, kommen für MICE-Gruppen aber natürlich weniger infrage. Immerhin dürfen die Betreiber künftig direkt an Firmen vermieten und nicht mehr nur an Privatpersonen. Das zumindest sieht die neue Verfassung vor, die das Land in Richtung freien Markt, Privateigentum und zu einer Aufgabentrennung zwischen Präsident und Premier treibt.

Lohnunterschiede sind riesig

Fest steht, dass schon heute manche Casa-Betreiber trotz strikter staatlicher Regulierungen nicht schlecht verdienen und einer neuen Mittelschicht angehören. Damit allerdings vertieft sich auch der Einkommensunterschied zu den Staatsangestellten, die auf monatlich gerade mal 33 Euro (30 CUC) kommen.

Kubas Regierung hat einen doppelten Spagat zu bewältigen. Erstens muss sie den Übergang so gestalten, dass sich die sozialen Gräben zwischen Arm und Reich nicht weiter vertiefen – die einen, die weiter für niedrigste Einheitslöhne in Staatsbetrieben arbeiten und für Lebensmittel anstehen müssen, die anderen, die durch ihr Geschäft mit den Touristen Zugang zu Devisen haben und sich sogar Auslandsreisen leisten können. Zweitens muss sie aufpassen, dass der Trend zu Luxushotels und zu einem möglicherweise alles beherrschenden Tourismus nicht genau das zerstört, was die Urlauber sehen und erleben wollen: den Charme der Städte und die Lebensfreude der Menschen.

Kuba in Kürze

ALLGEMEIN: 11,2 Mio. Menschen bevölkern die 111.000 qkm große Insel (Deutschland: 82,5 Mio. Menschen auf 357.000 qkm). Der Abstand zum US-Festland beträgt 154 km (Florida) und nach Mexiko 210 km. Größte Stadt mit 2,2 Mio. Einwohnern ist Havanna. Politisch richtet sich der kommunistische Staat nach der marxistisch-leninistischen Ideologie und gilt als „DDR der Karibik“. Enge Partner sind Venezuela, Nordkorea, Iran, Vietnam und Angola.

EINREISE: Erforderlich ist eine Touristenkarte, die für 30 bis 50 Euro bei Reisebüros, Fluggesellschaften und diplomatischen Vertretungen Kubas erworben werden kann.

ANREISE: Nonstop von Deutschland nach Havanna fliegt nur Condor. Seit 30. Oktober 2018 verkehrt Eurowings ab München (jetzt Varadero). Umsteigeverbindungen gibt es etwa mit KLM über Amsterdam oder mit LH über Panama (von dort mit Copa).

TRANSFER IN DIE CITY: per gechartertem Bus oder per Taxi (20-25 Euro).

HOTELS: Gute Häuser in Havanna ab ca. 90 Euro/Nacht. Casas ab 30 Euro. Am besten sind Pauschalpakete über Veranstalter/Agenturen.

WÄHRUNG: Touristen zahlen in der Regel in CUC, wobei 1 CUC etwa 1 Dollar entspricht. Umtausch in Wechselstuben und Banken. In den Städten gibt es zudem Geldautomaten. Für Touristen ist das Preisniveau nicht viel niedriger als das in Deutschland.

KLIMA: tropisch-feuchtheiß, zwischen 21 Grad (Februar) und 37 Grad (Juli/August). Sehr hohe Luftfeuchtigkeit.

Kuba-Tipps: Besser reisen

IN KUBA UNTERWEGS: Für größere MICE-Gruppen empfiehlt sich natürlich, einen Bus zu chartern. Für Einzelpersonen sind die Viazul-Busse eine gute Alternative: Sie pendeln zwischen den größeren Städten Kubas, meist aber nur ein oder zwei Mal pro Tag. Die modernen Fahrzeuge sind bequem, gut klimatisiert, meist pünktlich und preisgünstig. Für alle, die nicht mitkommen, stehen an den Stationen meist Colectivos bereit: Sammeltaxis, manchmal Oldtimer, die meist nicht viel teurer sind als der Bus.

FIESE MASCHEN VERMEIDEN: In Havanna und anderen Städten sprechen Schlepper Touristen auf der Straße an, um sie etwa zum Zigarrenkauf zu bewegen oder in ein Restaurant zu schleusen. Dafür kassieren sie Provision, die am Ende in Form überhöhter Rechnungen der Urlauber zahlt. Ein klares „No, gracias“ vertreibt die „Amigos“. Auch wird gerade in staatlichen Geschäften an der Kasse oft ein höherer Preis verlangt, als es die Auszeichnungen an den Waren besagen. Am besten hält man von Anfang an nur den passenden Betrag bereit und macht die Kassiererin auf das „Missverständnis“ aufmerksam.

OHNE TRINKGELD GEHT ES NICHT: Ob Kofferträger, Zimmermädchen, Kellner, Busfahrer oder Guide – viele Beschäftigte der Tourismusbranche leben (fast) ausschließlich vom „Tip“. 0,50 bis 1,00 CUC (Kubanische Pesos) sind angemessen, der Durchschnittsmonatslohn liegt bei 30 CUC.

WENIGER WARTEN: Auch wenn die Kurse etwas schlechter sind, vermeidet man lange Wartezeiten, wenn man Geld in einer Wechselstube statt in einer Bank tauscht.

SPAREN BEI DER AUSREISE: Die bisherige Gebühr von 25 CUC pro Person bei der Ausreise hat Kuba gestrichen. Kosten fallen nur für die Einreise ein, für die im Voraus eine Touristenkarte gekauft werden muss.


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Bildquelle: Dominik Deubner

Autor: Gastautor: Oliver Graue // BizTravel

Veröffentlicht am: 17.01.2019


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