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Meinung

Wenn Reden nicht mal Silber ist

„Exposure“ ist alles: das Referentendilemma

Wo getagt wird, da fallen Worte, unweigerlich! Zum Teil vorgetragen von Redenschwingern, Laberbacken und Plappermäulern, oder kurz: Speakern! Das klingt schön international, wobei sich auch der Begriff „Referent“ gut macht in der Agenda. Gemeint ist immer dasselbe: Jemand spricht, andere hören – mehr oder weniger – zu. Und am Ende gibt es vielleicht noch eine befruchtende Podiumsdiskussion.

Das liest sich nicht besonders gut, oder? Aber so ist es, das Tagungsbusiness: Jemand muss dem „Fußvolk“ erklären, wie man aus wenig viel macht, wie die Zukunft der Arbeit aussieht, wie man hochmotiviert jeden neuen Tag angeht oder wie aus Gedanken Konstrukte werden. Der- oder diejenige ist natürlich niemand aus der Vorstandsetage oder Marketingabteilung. Die beten ja bloß Zahlen runter. Redner sind in der Regel freiberuflich tätige Einzelunternehmer und haben es in der Eventpraxis noch schwerer als die absichtlich abfälligen Zeilen zu Beginn vermuten lassen.

Denn Redner spalten die Eventgesellschaft. Da gibt es natürlich die Stars der Branche wie Reiner Calmund, Dirk Müller, Peer Steinbrück, Richard David Precht oder sogar Henry Maske mit seinem Dauervortrag „Austeilen, einstecken, durchboxen“. Für die zahlen Sie locker 10.000 Euro pro geschwungener und bereits in Fleisch und Blut übergegangener Rede. Zurecht? Das soll jeder für sich selbst beantworten. Nur muss sich kein „Star“ mit Ausnahme von ein paar Begrüßungsfloskeln in die eigentliche Materie einarbeiten.

Wir möchten an dieser Stelle weder bewerten noch urteilen, aber dennoch eine Lanze brechen für diejenigen, die sich noch nicht in die Crème de la Crème der deutschen Konferenzunterhaltung vorgearbeitet haben. Für diejenigen, die bei null anfangen und – vor allem – mit null wieder rausgehen.

Rednerpult gleich Katapult?

Bis zur Abendveranstaltung ist noch lange hin, aber in erster Linie soll die Tagung selbst ja was taugen: informieren, motivieren, aufklären und unterhalten. Daher werden sie gesucht und gebraucht, die Speaker, die eben genau das vermögen. Durch sie gewinnt der Kongress an Farbe, wird die Tagung „aushaltbar“ … bis es endlich ans Buffet geht. Da twittert der eine Teilnehmer, während der andere gebannt zuhört. Kein Redner kann sich sicher sein, auf einem Unternehmensevent seinen eigenen Fans zu begegnen. Es gehört daher schon eine gehörige Portion Mut dazu, sich einem völlig fremden Publikum mit den eigenen Worten zu nähern und dieses mit selbigen bestenfalls zu begeistern. Und man darf sich sicher sein, dass niemand das macht, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu erhaschen. Mit Aufmerksamkeit, also „Exposure“, wird aber allzugerne bezahlt in der MICE-Branche.

Doch wer glaubt allen Ernstes, dass auch ein noch so gelungener Vortrag vor 200 Mittelständlern in Gütersloh eine Reihe lukrativer Folgeaufträge nach sich zieht? Und wenn die Rede selbst entlohnt wird, werden es Anreise und Unterkunft, Vorbereitung und Recherche oftmals nicht. Das lässt sich sogar im angloamerikanischen Kulturkreis beobachten, wo das Speaker-Business eine viel seriösere und etabliertere Angelegenheit ist als hierzulande.

Macht es doch selbst!

Für jeden Redner oder Vortragenden gilt: Häufig kommt eine ganze Menge unbezahlter Arbeitszeit zusammen. Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Künstlerthema, über das wir bereits berichtet haben. Wobei Reden ja auch eine Kunst ist, die es irgendwie zu beherrschen gilt: inhaltlich und rhetorisch.

Wer für sein berufliches Engagement allein mit der Aussicht auf positive Imageeffekte oder einer möglichen Steigerung des Bekanntheitsgrads belohnt wird, ergibt sich am Ende dem Prinzip Hoffnung. Nun darf sich natürlich jeder „Berufene“ Speaker, Musiker, Coach, Fotograf, Moderator oder Trainer nennen. All diese für die Eventbranche relevanten Berufsbezeichnungen sind nun einmal nicht geschützt. Da ist es für fachfremde Eventplaner und Veranstalter zugegeben nicht leicht, die Spreu vom Weizen zu trennen. Andererseits kann man auch Pech mit seiner Autowerkstatt oder seinem Zahnarzt haben, die aber garantiert nicht umsonst arbeiten.

Folgerichtig ist auch das Versprechen einer großen und interessierten Zuhörerschaft kein Ersatz für eine angemessene und marktgerechte Entlohnung. Schade nur, dass es im Fall von fast drei Millionen Einzelunternehmern in Deutschland keine Marktgerechtigkeit gibt, also weder einen Mindestlohn noch eine soziale Absicherung im Notfall. Zum Glück (möchte man meinen) gibt es aber ja inzwischen einige Vermittlungsagenturen, die – ähnlich wie Künstleragenturen – den am besten geeigneten Redner für die nächste Veranstaltung klarmachen.

Wohnt ganz in der Nähe des Veranstaltungsortes? Check! Liegt preislich weit unterhalb des Budgets? Check! Hat zumindest schon mal was mit der Branche zu tun gehabt? Perfekt! Hier wird oft zusammengebracht, was eigentlich nicht zusammengehört. Bezahlt macht sich die ganze Sache dann einzig und allein für die Vermittlungsagentur, deren Vertragswerk natürlich etwaige Regressansprüche seitens des Referenten oder Veranstalters ausschließt.

Wo ist der Eingang zum Erfolg?

Es ist eine Crux mit dieser Branche, an der sich am Ende vielleicht zu viele sattessen wollen. Die Ärmsten (im wahrsten Sinne des Wortes) sind dabei diejenigen, die für ihre Arbeit nicht mal angemessen entlohnt werden. Auch zahlreiche Redner abseits der Branchenstars und großen Bühnen spielen in dieser (Unter)Liga, genauso wie kleine Agenturen, die für lau pitchen und pitchen und pitchen …

Ohne Compliance und Ethik-Code geht es nun mal nicht. Und da stinkt der Fisch vom Kopf her. Der Eventbeauftragte sagt „Der Konzern will es so“, der Veranstalter „Da können wir nichts machen“, die Agentur „Das liegt nicht an uns“ und der Speaker? Der Speaker sollte vielleicht beim nächsten „Call for papers“ einfach mal die Füße stillhalten und konsequent „Nein“ sagen, wenn mal wieder ein unentgeltlicher Auftritt angefragt wird.


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Bildquelle: Designed by Freepik

Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 02.03.2017


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