„Veränderung kann man nicht kognitiv vermitteln, Veränderung muss man spüren"
Ein Gespräch mit Lydia Schültken
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Warum scheitern so viele Change-Prozesse in Unternehmen? Trotz klarer Analyse, durchdachtem Konzept und solider Planung? Vielleicht genau deshalb: Change ist zu durchdacht, zu geplant, zu rational, zu analytisch. Und zu fremdbestimmt. Veränderung aber muss man wollen, und man muss sie spüren. Sagt eine Organisationsentwicklerin. Und präsentiert das passende Werkzeug, um den Wandel spürbar zu gestalten: Work Hacks. Als minimalinvasive Methode, um die Zusammenarbeit und die Arbeitsergebnisse zu verbessern.
Lydia Schültken ist selbstständige Beraterin in Berlin. Sie ist Hauptautorin und Initiatorin des Buches workhacks, das beim Haufe Verlag erschienen ist.
Frau Schültken, ganz kurz gesagt, was ist ein Work Hack?
Lydia Schültken: Ein workhack ist eine erprobte, minimalinvasive Methode, um die Zusammenarbeit und die Arbeitsergebnisse zu verbessern. Ein workhack hilft, ungünstige Verhaltensmuster zu verändern, und zeigt Teams spannende und auch kreative Alternativen zu eingefahrenen Routinen und Arbeitsabläufen.
Und was meint Hack?
Lydia Schültken: Da fange ich mal mit dem Gegenteil an. Die meisten Beratungen arbeiten stark mit Konzepten und mit im Kopf gedachten Modellen. Ein Hack ist eher etwas Getüfteltes, etwas Verspieltes. Bei Wikipedia steht: „Tüfteln im Kontext einer verspielten, selbstbezüglichen Hingabe im Umgang mit Technik wird Hacken genannt." Bei workhacks geht es um ein soziales Hacken im Sinne von: Wir wollen mit einer verspielten und tüfteligen Art und Weise soziales Verhalten positiv verändern. Da ist Experimentierfreudigkeit drin. Im Buch schreiben wir „workhack" übrigens klein und zusammen.
Sie sprechen von Angriffen oder auch von Eingriffen. Was trifft besser: Angriff oder Eingriff?
Lydia Schültken: Im Buch steht „Angriff" - das trifft dann zu, wenn man den Angriff auf die eingefahrene Routine bezieht. Wir greifen also Strukturen, eingefahrene Muster oder Dynamiken an - aber niemals Menschen als einzelne Personen. Eingriff passt aber auch ganz gut - ist ein bisschen Wortklauberei ...
Wie ist Ihr Ansatz der workhacks entstanden? Und aus welchen Einflüssen speist er sich?
Lydia Schültken: Da gab es verschiedene Einflüsse. Bei der Arbeit in Unternehmen ist mir bewusst geworden, dass ich bestimmte Methoden immer wieder einsetze. Eigentlich hatte ich gedacht, jedes soziale System sei so unterschiedlich und komplex, dass man keine Lösung zweimal verwenden kann - dennoch bin ich immer wieder auf ähnliche Problematiken gestoßen. Zum Beispiel: Es wird hinterm Rücken geredet und Kritik nicht offen ausgetauscht. Das gibt es nicht nur in einem, sondern in fast allen Unternehmen. Und genauso sind Lösungen in unterschiedlichen Kontexten, in unterschiedlichen Abteilungen und unterschiedlichen Unternehmen anwendbar. Das ist das eine.
Dann bin ich über ein Buch gestolpert, das sich mit dem Thema Gewohnheiten auseinandersetzt, The Power of Habit von Charles Duhigg. Als Organisationsentwicklerin habe ich viele Change-Ansätze gesehen, die nicht funktionieren, weil sie nicht zu wirklicher Verhaltensänderung führen. Es gelingt mir ja auch nicht, abzunehmen, wenn ich meine Essroutinen nicht verändere. Deshalb hat wirkliche Veränderung wahnsinnig viel damit zu tun, eine neue Gewohnheit einzuführen, die besser ist als die alte. Das berücksichtigen die meisten Change-Ansätze nicht wirklich.
Das Dritte, was mich beeinflusst hat, waren die Life Hacks, die zeigen, dass sich mit kleinen Ideen große Wirkungen erzielen lassen. Da habe ich gedacht: Eigentlich müsste es Life Hacks auch für die Arbeit geben. Und eines Nachts bin ich aufgewacht und „workhacks" im Kopf. Dann habe ich die deutsche URL gesichert, die Website aufgebaut und alles, was ich weiß, in diese Idee reingegeben.
Mich erinnern Ihre workhacks an die kleinen Anstupser in Richtung sozial erwünschtes Verhalten: an die Nudges von Sunstein und Thaler. Hat Sie dieses Konzept auch beeinflusst?
Lydia Schültken: Ja, Nudging ist auch eine Quelle - sogar eine tolle! Nudging finde ich auch superspannend.
Was spricht Sie dabei an?
Lydia Schültken: Dass das Denkmodell ein anderes ist. Ähnlich wie bei Design Thinking und User Experience stellt man den Kunden in den Mittelpunkt und nicht die Lösung, die man selber hat. Bei Change und Transformation hingegen steht meist das Konzept im Mittelpunkt. Irgendjemand denkt sich aus, wie andere sich anders verhalten sollten. Beim Nudging geht es vielmehr darum: Kann ich mir vorstellen, dass das funktioniert? Wie würde ich mich selber dabei fühlen? Das ist für mich ein anderes Denkmodell, ein viel menschlicheres, ein viel wärmeres Denkmodell.
Change ist zu rational, zu abstrakt, zu technisch?
Lydia Schültken: Dieser Prozess „Analyse, Konzeption, Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung" ist ein recht technischer, naturwissenschaftlich anmutender Ansatz. Aber so funktioniert der Mensch nicht. Ich zumindest lasse mich inspirieren, wenn ich etwas beobachte. Dabei findet die Analyse intuitiv statt, und dann mache ich irgendwas. Ich glaube, dass wir noch viel darüber zu lernen haben, wie man in Unternehmen Veränderung schafft: Da muss es viel mehr um Begeisterung und Inspiration gehen und nicht so sehr um faktische Überzeugung.
Auf das Thema Change wollte ich noch ausführlicher zu sprechen kommen. Zunächst noch mal zu Nudges: Eine Parallele sehe ich unter dem formalen Aspekt, dass es eben kleine Interventionen sind, im Mikrobereich. Nicht große Konzepte der Beeinflussung oder Veränderung.
Lydia Schültken: Ja, das stimmt. Genau das ist der Clou daran. Nur beim Wort „klein" bin ich ein bisschen ambivalent. „Klein" trifft es aus meiner Sicht nicht. Diese Interventionen sind zwar minimalinvasiv, aber deshalb sind sie nicht klein. Sie haben alle große Auswirkungen darauf, wie die Arbeit organisiert wird und wie das Team miteinander arbeitet. Die Retrospektive ist ein gutes Beispiel, das ist auch ein workhack: Ich habe mal eine Retrospektive in einem Team eingeführt, und in dem ersten Meeting hat jemand gesagt, dass er sich seit zwei Jahren gemobbt fühlt. Das hat gesessen. Das Team hatte damit dann erst mal ganz schön zu tun. Ich finde es gut, dass endlich rauskam, was der arme Mensch seit zwei Jahren gefühlt hat. Das ist ja keine kleine Veränderung. Workhacks sind wahnsinnig effektiv.
Mit „klein" meinte ich nicht „gering", sondern „mikro" oder wie Sie sagen „minimalinvasiv". In der Chirurgie ist minimalinvasiv die Operationsmethode mit kleinstmöglichem Eingriff in Haut und Gewebe. Um das Herz zu operieren, wird nicht mehr der Brustkorb geöffnet, sondern man schafft einen minimalen Zugang. Aber der Eingriff ist der gleiche.
Lydia Schültken: Das Bild trifft es gut. Man würde ja nie sagen: Das ist eine kleine OP, sondern man würde sagen: Das ist eine wichtige OP, aber wir machen sie so minimalinvasiv wie möglich, um den Schaden klein zu halten.
Warum verwenden Sie nicht den Begriff „Methode"? Wo liegt der Unterschied zu einer Methode?
Lydia Schültken: „Methode" assoziiere ich mit „sehr verkopft". Das ist das, was wir Organisationsentwickler, Berater, Personaler bislang gemacht haben. Ein Hack ist schon eine Methode, aber „Hack" drückt genauer aus, worum es geht.
Inwiefern?
Lydia Schültken: Weil es, wie eingangs gesagt, eben auch um dieses Spielerische geht, um das ein bisschen Subversive. Ich sage meinen Kunden: Wartet nicht darauf, dass der Vorstand oder der HR-Bereich eine Kampagne aufsetzt, und leidet bis dahin schön weiter. Sondern: „Macht doch einfach!" Dieses subversive Moment gefällt mir.
Sie haben eben „Retro" erwähnt. Erzählen Sie bitte was drüber?
Lydia Schültken: Ja, das ist ein workhack - ein sehr mächtiger sogar. Die Retrospektive kommt aus dem Scrum - ich bediene mich verschiedener Ideen. Ich habe natürlich nicht alles neu erfunden und sage auch nie, dass das alles neue Ideen seien. Ich suche mir einfach die besten zusammen oder erfinde sie.
Beim Scrum arbeitet man in kurzen Zyklen und reflektiert immer wieder die Arbeit und die Zusammenarbeit. Die Retrospektive ist ein Format, in dem man alle zwei Wochen darüber spricht, was gut läuft und was weniger gut läuft in der Zusammenarbeit. Also: Womit sollten wir aufhören und was sollten wir ausprobieren? Das ist eines der wenigen funktionierenden Formate, die ich kenne, das ausschließlich die Zusammenarbeit thematisiert. Und zwar nicht in einem jährlichen „Wir gehen in den Kletterpark", sondern in einem zweiwöchigen Rhythmus, indem Tacheles geredet wird. Diesen Zwei-Wochen-Rhythmus finde ich super, weil sich dann nicht alles aufstaut, bis man irgendwann Gelegenheit findet, darüber zu sprechen - oder sogar einen Mediator braucht, weil der Konflikt eskaliert ist. Sondern man spricht regelmäßig, am Anfang vielleicht über die groben Themen und dann immer kleinere Themen. Denn ich glaube, dass ein Team unglaublich stimmig und ehrlich sein muss, damit die Zusammenarbeit funktioniert. Dafür braucht es regelmäßige Reflexionssitzungen.
Zum Thema Change. Seit wohl 15, 20 Jahren haben wir eine wachsende Zahl von Veröffentlichungen zu Change und Change Management. Wo liegt der Unterschied zwischen Change und workhacks?
Lydia Schültken: Der Punkt ist, dass die Change-Prozesse, die ich kenne, von oben konzipiert, vorbereitet und durchgeführt werden. Betroffene Mitarbeiter werden fallweise in diese Prozesse einbezogen, aber nicht massenweise. Das führt zu Widerständen bei denen, die nicht einbezogen werden.
Mit workhacks stelle ich den Kunden in den Mittelpunkt. Wer ist der Kunde? Für mich ist der Kunde der, der dann vom Change betroffen ist. Das sind die Mitarbeiter und nicht der Personalvorstand. Deshalb frage ich die Mitarbeiter und mache erst gar keine Analyse. Für viele ist das fremd. Ich gehe ins Team und sage: „Guckt mal, ich habe hier zehn workhacks, die woanders ganz gut funktionieren. Glaubt ihr, irgendwas davon ist hilfreich?" Dann voten die Mitarbeiter, ob sie workhacks überhaupt einführen wollen. Damit mache ich sensationell gute Erfahrungen. Die meisten Teams voten mit überwältigender Mehrheit für die Einführung von workhacks.
Steckt dahinter auch ein anderes Verständnis von Veränderung in Organisationen?
Lydia Schültken: Das glaube ich schon.
Inwiefern?
Lydia Schültken: Sie fragen mich Sachen! Dahinter steht ein anderes Verständnis von Führung. Viele Unternehmen glauben, sie könnten ihre Organisation verändern, indem sie ihre Führungskräfte verändern. Das versuchen sie seit 20 Jahren, aber es gelingt nicht. Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass Führungskräfteentwicklungsseminare es nicht richten können. Weil Führungskräfte nur begrenzt Einfluss auf das Verhalten der Leute haben. Einfluss auf das Verhalten haben die offiziellen Spielregeln und Regeln, die inoffiziellen Spielregeln und Regeln und die Dynamik im Team. Wenn man an denen nichts verändert, verändert man eben nichts. Da kann man Führungskräfte hin und her entwickeln.
Mir fällt eine Parallele auf. Zunächst war da das klassische Projektmanagement mit dem Wasserfallmodell. Scrum hat gewissermaßen die Becken gekippt und diesen starren Ablauf aufgebrochen. Kann man sagen, dass dasselbe jetzt bei Change Management passiert? Da gibt es ja auch diese klar definierten Phasen: Unfreezing, Moving, Refreezing.
Lydia Schültken: Das haben Sie sehr schlau analysiert. Ja, genau das passiert jetzt gerade. Im Bereich Organisationsentwicklung haben wir tatsächlich im Wasserfallmodell gearbeitet. Aber ich glaube, wir brauchen ein agiles Vorgehen.
Das Ganze hängt ja auch wertemäßig nicht in der Luft, sondern hängt zusammen mit einem ganz anderen Verständnis dessen, was Menschen motiviert und warum Menschen etwas tun.
Lydia Schültken: Ganz genau …
… damit sind wir bei Daniel Pink und seinem Verständnis, dass Motivation auf Purpose, Mastery und Autonomy beruht?
Lydia Schültken: Ganz genau, da sind wir bei Pink. Und beim Y-Menschenbild.
… bei McGregor …
Lydia Schültken: Genau. Das Interessante ist: Workhacks transportieren dieses andere Verständnis - und zwar, ohne dass man in Workshops ewig über Menschenbilder diskutieren muss. Es ist zwar gut, über Menschenbilder zu sprechen, aber das Wissen darum ändert nicht das Verhalten. An die Sachlage zu appellieren, also den Leuten zu sagen, was nicht gut ist, ändert in keiner Weise, wie sie sich verhalten. Gerade wir Deutsche sind so analytisch, als wäre alles kognitiv vermittelbar. Veränderung kann man aber nicht kognitiv vermitteln. Veränderung muss man spüren.
Wenn man einen Workshop macht zum Menschenbild und über X und Y diskutiert, finden alle Y toll. Zurück in der Firma, agieren viele dann im X-Modus weiter.
Lydia Schültken: Genau.
Das wollen Sie aushebeln? Indem Sie was anders machen?
Lydia Schültken: Mit workhacks wird ein Team immer mehr in Richtung Selbstwirksamkeit geführt. Entscheidungen werden mehr und mehr unabhängig getroffen. Die Leute trauen sich, ihre Situation zu beschreiben. Die Reflexion wird angefeuert.
Was hat das Menschenbild mit den workhacks zu tun oder wie kommt das da rein?
Lydia Schültken: Wenn es Xige workhacks gäbe, würden wir die Stechuhr verbessern, die Leute besser kontrollieren oder klarere Ansagen machen. Doch bei workhacks geht es im Gegenteil darum, dass Mitglieder einer Abteilung oder eines Teams üben, selbst Prioritäten zu setzen, sie zu halten, sie zu monitoren. Workhacks haben dieses Selbstwirksamkeitsprinzip in sich. Wir glauben, dass die meisten Menschen gern Verantwortung übernehmen und gern leisten. Die workhacks helfen dabei, diesen Geist sehr praktisch in die Unternehmen zu bringen.
Um das noch mal mit dem Change Management zu spiegeln: Darin steckt auch eine Absage an die Idee, dass Veränderungen in Organisationen planbar und gewissermaßen ausrollbar sind?
Lydia Schültken: Genau. Das heißt nicht, es dem Chaos zu überlassen. Man sollte schon schauen, dass nicht jedes Team einfach macht, wozu es Lust hat oder was sich jemand gerade ausdenkt. Wir glauben, dass es einen guten Blumenstrauß an Angeboten geben sollte, aus dem sich ein Team das richtige zusammenstellt. Jedes Team hat seine eigenen Themen, und da ist es einfach fatal, mit einer Riesenwalze drüberzugehen und die Unterschiede nicht anzuerkennen.
Es geht Ihnen um Routinen, also um eine bestimmte Art und Weise, Dinge zu tun?
Lydia Schültken: Ja. Die meisten workhacks sind Veränderungen von Routinen und finden sehr regelmäßig statt. Manche sogar täglich. Es gibt allerdings auch workhacks, die nur selten zum Einsatz kommen.
Zum Beispiel?
Lydia Schültken: Zum Beispiel der „Sinntag", ein sensationell einfaches Format. Dabei geht es darum, gemeinsam miteinander zu reflektieren, warum man bei dieser Firma arbeitet und nicht woanders. Also das Thema Purpose, Daniel Pink wieder: Purpose ist total wichtig für unsere Motivation, aber wir thematisieren das nie in den Unternehmen! Beim „Sinntag" trommelt man eine Abteilung, einen Bereich oder das ganze Unternehmen zusammen und diskutiert nur die Frage „Warum bist du hier?". So einfach. Auch nicht mit einem Clown vorne oder gemeinsam trommeln oder so. Ohne großes Beiprogramm, nicht vorformuliert, ohne Fragebogen. Das muss frei sein. Ich glaube, Unternehmen haben viel zu viel Angst, dass etwas passiert, was sie nicht kontrollieren oder planen können. Man muss mehr Freiräume lassen.
Sie beschreiben sechs workhacks in Ihrem Buch. Es gibt noch mehr?
Lydia Schültken: Ja, es gibt mehr. Und es gibt mit Sicherheit workhacks, die ich noch gar nicht kenne. Es gibt Hunderte oder Tausende da draußen. Wichtig ist das Prinzip. Veränderung findet nicht statt, weil man sich das vornimmt. Motto: „Es ist der 1. Januar, ich nehme dieses Jahr 15 Kilo ab." Und dann passiert gar nichts. Workhacks erinnern daran, dass man ins Tun kommen und genau definieren muss, was morgen anders sein soll als heute. Wie im agilen Kontext legt man sehr genau fest, was in einem bestimmten Zeitraum passieren soll: Das probieren wir jetzt für die Zeit X aus. Und nach dieser Zeit X reflektieren wir: Wollen wir das weitermachen oder nicht? Das hat eine andere Rhythmik.
Was genau verstehen Sie unter agil?
Lydia Schültken: Unter agil verstehe ich: kurze Zeiträume, wenig geplant, wenig Hierarchie, stärkere Rollenaufteilung, starke Auseinandersetzung mit dem Was, aber auch mit dem Wie. Also dass eine Reflexion über die Zusammenarbeit stattfindet. Starke Mitbestimmung ist für mich auch agil. Und agil heißt immer Rhythmus: Bei Scrum sind es zwei Wochen - und dieser Turnus ist wie gesagt einfach super. Ich glaube nicht, dass Menschen Jahresziele machen können. Das Jahr ist viel zu abstrakt. Deshalb sind auch Mitarbeitergespräche einmal im Jahr völliger Quatsch.
Zwei Beispiele für workhacks hatten wir schon. Haben Sie vielleicht noch ein, zwei? Vielleicht welche, die nicht im Buch stehen?
Lydia Schültken: Gern. Dann nehm ich erst mal das Prio-Board. Das ist ein Board im Büro, auf dem nicht mehr als drei Prioritäten stehen dürfen. Häufig sind Leute mit zu vielen Prioritäten überfrachtet. Sie wissen gar nicht, was sie zuerst machen sollen, alles ist wichtig und dringend. Die Grundidee des Prio-Board ist: Arbeitet man an mehr als drei Prioritäten, zieht sich alles unendlich in die Länge, weil man seine Zeit auf diese Prioritäten aufteilen muss. Dann kriegt man nichts fertig. Das macht unzufrieden. Also gibt es nur drei Prioritäten zu einer Zeit. Alles andere kommt ins Sammelbecken und wird dann ins Prio-Board aufgenommen, wenn dort ein Platz frei geworden ist. Immer wenn eine neue Priorität hinzukommt, muss also eine von den anderen Prioritäten runter. So weiß jeder, was angesagt ist. Es geht um Fokus und um Zufriedenheit.
Ein weiterer workhack ist der „Beschwerdefreie Montag". Die Grundidee stammt von Will Bowen, der daraus eine ganze Bewegung gemacht hat mit seinem Buch Complaint Free World. Hier geht es darum, sich eben einen Tag in der Woche nicht zu beschweren. Das führt zu einem starken Bewusstsein, wie oft man sich den Tag über beschwert, und reduziert die Beschwerden. Das wiederum führt zu mehr Lösungsorientierung und zu einer „Machen-hilft-Mentalität".
Was ist bei der Einführung von workhacks zu beachten? Kann man das Konzept jetzt einfach so umsetzen?
Lydia Schültken: Grundsätzlich geht das schon. Die Frage ist, wie hoch die Willenskraft ist, das als Team wirklich durchzuziehen. Das geht mit externer Begleitung leichter. Viele Teams versuchen, eine Veränderung selbst umzusetzen. Eine Weile klappt das auch, und dann kommt die alte Routine oder ein wichtiges Projekt oder, oder. Es ist leichter für ein Team, das mit einer strukturierten Begleitung zu tun.
Aber es gibt auch Fälle, wo es funktioniert. Zum Beispiel bekomme ich von einem Kunden, bei dem ich die workhacks vorgestellt habe, immer wieder mal eine Mail, in der er von den selbst eingeführten workhacks erzählt. Offensichtlich klappt das in seinem Team. Aber ich habe es noch nicht häufig erlebt.
Haben Sie noch einen Tipp zum Schluss?
Lydia Schültken: Was man bei der Einführung von workhacks beachten muss: Viele Vorgesetzte meinen zu wissen, was für das Team gut ist. Aber das ist ein Fehler. Denn diese Vorgesetzten berauben sich damit der Chance, das Team selbst zu fragen. Bei der Einführung von workhacks ist es eminent wichtig, die Leute zu fragen, die es dann betrifft. Einfach fragen, ob sie es machen wollen. Fragen hilft.
Dieses Interview veröffentlichen wir in enger Kooperation mit der Online-Plattform changeX. Finden Sie hier den Beitrag auf changeX.
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Bildquelle: https://www.youtube.com/watch?v=YOQ82MKDMMA
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Sehr guter Artikel!