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Themensammlung - Employer Branding - Sponsored Post

Unvereinbar oder unverzichtbar?

Wie verschiedene Temperamente unsere Zusammenarbeit beeinflussen

Die Welt wird globaler – Diversity ist ein schickes Thema für alle, die Zusammenarbeit organisieren (wollen). Wie machen Sie das, wenn Sie z.B. eine geniale, aufstrebende Kollegin aus, sagen wir mal, Japan ein halbes Jahr in Ihrem Unternehmen beherbergen dürfen? Oder wenn bei einem Ihrer Events Mitarbeiter aus allen Ecken der Welt zusammenkommen? Immer mehr Unternehmen holen sich dann nicht nur Sprach-Dolmetscher, sondern auch Kultur-Dolmetscher dazu. Damit es reibungslos läuft, alle sich verstehen und wohlfühlen, gute Ideen nicht an fehlender oder falsch verstandener Kommunikation scheitern.

Eine super Idee, oder?

Was, wenn ich Ihnen jetzt sage, dass jeden einzelnen Tag in Ihrem Unternehmen oder auf Ihren Events gute Ideen an fehlender oder falsch verstandener Kommunikation scheitern? Weil uns eine dritte Art von Dolmetschern überall fehlt – die Temperamente-Dolmetscher.

Darf ich heute Ihre Temperamente-Dolmetscherin sein?

Extrovertiert oder introvertiert? Es gibt zwei Brillen für diese Welt

Die Art und Weise, wie Menschen die Welt sehen, die Brille, mit der sie Beziehungen und damit Zusammenarbeit beurteilen und die Art und Weise, wie sie kommunizieren, ist stark von ihrem Temperament geprägt – sie sind extrovertiert oder introvertiert.

In ihrem Beitrag „Das ‚Wir´braucht Probierräume“ hat Tina Gadow darauf hingewiesen, dass in unserer Welt (zu) oft die schnellen, lauten Extrovertierten Gehör finden. Das ist keiner „Schuld“, es ist einfach so, dass unsere Welt extrovertiert ausgerichtet ist, weil uns dieses Temperament vertrauter ist. Schon 1994 hat Howard Giles herausgefunden, dass wir die Menschen als sympathisch, interessant und kompetent beurteilen, die schnell und laut sind. Der frühe (schnellere) Vogel fängt den Wurm, sagen wir, und wenn der Wurm eine Führungsposition ist, dann wissen wir jetzt, dass und warum unsere Berufswelt von Extrovertierten bestimmt wird, die sich auch gerne mit Ihresgleichen umgeben. Das ist ganz normal, alle Menschen neigen dazu, die sympathisch zu finden, die ihnen ähnlich sind und sich mit diesen auch eher zu umgeben. Deshalb wird ein Extrovertierter dazu neigen, sein Recruiting- und Förderverhalten nach diesem Prinzip auszurichten. Die Folge: eine schnelle, laute Arbeitswelt, in der Entscheidungen im Vorbeigehen auf dem Flur getroffen werden. („Hey, sag mal, machen wir das so, wie ich dir gerade in der E-Mail geschrieben habe?“ „Ja, ich hab` kurz drauf geschaut, können wir so machen, klar.“ … und man geht seiner Wege.)

Ist das schlecht? So ist das Thema schnell vom Tisch und man kann anfangen, sich um die anderen 100 unerledigten Dinge zu kümmern. Hätte man nochmal drüber gesprochen, wäre vielleicht eine bessere Idee dabei rausgekommen. Aber warum? Diese hier reicht doch – Pareto-Prinzip, sonst klappt doch irgendwann gar nichts mehr. Und mal ganz ehrlich, was sollen wir mit den langsamen, detailverliebten, schreckhaften und dünnhäutigen Introvertierten in unserer modernen Welt? Mit denen, die alles immer so kompliziert machen?

Wir brauchen sie! Dringend! Gerade in dieser modernen Welt, denn nur mit den Fähigkeiten der Introvertierten im Team können Unternehmen es schaffen, auf die vielzitierten Gefahren und Chancen der Digitalisierung und Disruption zu reagieren.

Denn: Introvertierte Menschen agieren sicher in schwierigem, unbekanntem Terrain. Weil sie das neue Terrain sorgfältig sondieren, Chancen und Gefahren genau betrachten und dann nach einer Abwägung und einem Abgleich mit allen ihnen bekannten Informationen eine Empfehlung aussprechen. Sie experimentieren gerne und sind sehr flexibel. Außerdem sind Introvertierte wichtig für das Unternehmensklima: In der Tierwelt („Tiere sind die besseren Menschen“) ist zu sehen, dass das Aggressionsniveau in Gruppen steigt, wenn keine sensiblen Individuen dabei sind.

Extrovertierte treffen Entscheidungen effizient und auf Basis von Erfahrungswissen, denn es soll ja vor allem schnell gehen. Und sie führen sie stark und sicher aus.

Warum das so ist – dazu mehr weiter unten. Wichtig: Alles, was ich hier schreibe, sind Verallgemeinerungen, weil ich von Temperamenten, nicht von einzelnen Menschen, spreche. Ich kann nicht acht Milliarden Menschen in zwei Gruppen einteilen, da jeder Mensch einzigartig ist. Es geht um Tendenzen, die uns helfen können und werden, unser Gegenüber besser zu verstehen. Okay?

Darf ich auch mal denken, bitte?

„Gut, so machen wir das, da sind wir uns ja alle einig“, dröhnt Dr. Müller und blickt in die Runde. Alle nicken, raffen ihre hektisch blinkenden Smartphones zusammen und eilen aus dem Raum. Britta F. ist resigniert – wieder mal. Alle? Einig? Sie war, nachdem sie die Fragestellung für sich bewertet hatte, noch nicht einmal dazu gekommen, eine Meinung zu entwickeln oder eine Entscheidung zu treffen, da war das Meeting schon vorbei. So geht es ihr oft. „Ich habe den Eindruck, dass die wichtigste Eigenschaft im Business die ist, erst zu reden und dann zu denken“, sagt sie unglücklich. Dabei ist sie eine hervorragende und engagierte Mitarbeiterin mit einem überdurchschnittlichen IQ. Wenn sie ihre Ideen im stillen Kämmerlein ausarbeiten darf, werden ihr Kreativität, ganz neue Sichtweisen und – ja – sogar Genialität beschieden. Aber mitreden und mitentscheiden kann sie fast nie – das machen die lauten Vornewegstürmer.

Britta ist introvertiert und wer bei der Story gerade wissend genickt hat, dem geht es vielleicht auch oft so. Introvertierte gelten als kreativ, gewissenhaft. Sie sind gute Zuhörer und Beobachter und loten Ideen aus, bevor sie sie präsentieren. Angeblich sind 75% der Menschen mit einem IQ über 160 introvertiert – habe ich irgendwo gelesen. Einstein wird da gerne als Beispiel zitiert, wie so oft …

In der schnellen reizüberfluteten Welt haben es Menschen, die lieber zuhören als reden, sehr schwer. Und wenn sie reden, dann mit viel Zeit und lieber im kleinen Kreis. Das macht es auch nicht einfacher, denn Meetings sollen reduziert werden – Zeit ist Geld! Dabei wäre es gut, wenn man ihnen den Raum lassen würde. Denn wenn wir die Stärken der Lauten und der Leisen zusammenbringen, entsteht eine ko-kreative Situation, bei der die Potenziale aller zur bestmöglichen Lösung beitragen.

Womit kann ich rechnen, wenn ich Extrovertierten eine Aufgabe übergebe?

Effizienz. Risikofreudigkeit. Durchsetzungskraft. Extrovertierte Menschen werden als schlagfertig, kommunikationsstark und gesellig beschrieben. Sie sind charismatisch und bringen ein Team schnell voran. Sie bauen auf Erfahrungswissen und treffen Entscheidungen gerne allein. Widerstände beflügeln sie, Konkurrenz belebt das Geschäft – Wettbewerb ist eine super Sache, um Extrovertierte zu mehr Leistung zu bewegen.

Und bei den Introvertierten?

Schlagen Sie einem Introvertierten einen Wettbewerb vor, und er läuft weg (wenn er kann). Ja, so krass ist es. Zum einen, weil introvertierte Menschen unter Druck eher zusammenbrechen aber keinesfalls funktionieren, geschweige denn kreativ sein können. Zum anderen, weil der Introvertierte nicht versteht, was der Wettbewerb da jetzt soll – es geht doch darum, die beste Lösung zu finden, oder? Solle man denn da nicht lieber zusammen dran arbeiten? Nein? Okay, war ja nur ein Vorschlag …

Introvertierte wirken oft unbeholfen oder merkwürdig, weil sie sehr zurückhaltend sind, sich in größeren Gruppen nicht wohl fühlen. Dieser Wohlfühlaspekt ist für sie sehr wichtig, um agieren zu können. Sie möchten den Sinn und Zweck einer Aufgabe oder Frage verstehen. Sie gehen den Dingen auf den Grund und verfügen zumeist über einen riesengroßen Schatz an „unnützem“ Wissen. Wobei es meist gar nicht unnütz ist, das denken nur sie selbst. Auf Basis dieser vollen Festplatte können sie Problemstellungen in viel größere Zusammenhänge setzen und ganz neue Impulse, Lösungen bringen. „Mensch, da gab es doch mal 2005 diese Kollegin, die hatte doch genau das gleiche Problem. Die ist jetzt in der Niederlassung in Bremen, sollen wir die nicht mal anrufen?“

Und wie ist das mit der Hochsensibilität?

Das Stichwort – HSP – hört man jetzt oft. Ich bin hochsensibel, seufzt die zarte Blondine und erwartet sofortige Wattewolkenumhüllung. (Diesen Eindruck habe ich zumindest oft, und ich bin selbst HSP.) Die Temperamente „Hochsensibel“ und „Introvertiert“ sind nur schwer zu unterscheiden und alle mir bekannten Studien und Autoren sprechen sich dafür aus, dass die Gemeinsamkeiten der Gruppen groß sind. Zumal die neurologischen Grundmuster gleich wirken: Bei hochsensiblen und introvertierten Menschen ist die elektrische Frequenz der Hirnaktivität deutlich erhöht, und das auch im Ruhezustand, sagen Forscher. Zudem ist die Fähigkeit, Reize (Geräusche, Gerüche, Licht, Temperatur, Informationen allgemein) zu filtern, deutlich begrenzter. Introvertierte hören das Gespräch am Nachbartisch im Restaurant mit, ob sie wollen oder nicht. Alles ist immer zu viel, zu laut, zu hell, zu schnell – und am schlimmsten kommt das alles in klassischen Großraumbüros zusammen.

Im Klartext: Hochsensible und Introvertierte leisten Schwerstarbeit, den ganzen Tag (und viele Nächte), weil sie ein Mehrfaches an Reizen, Informationen und Gedanken zu verarbeiten haben. Das erklärt, warum Rückzug und Ruhe so oft erforderlich sind. Um sich wohlzufühlen, um neue Kraft zu schöpfen, brauchen Introvertierte Ruhe. Bei Extrovertierten ist es genau umgekehrt: Um einen optimalen neuronalen Erregungszustand zu erreichen, brauchen sie Anregungen von außen, Musik, Gespräche, Bewegung.

Dieser Unterschied ist übrigens ein einfacher Test, um für sich selbst rauszufinden, ob man extrovertiert ist oder introvertiert. Wenn Sie entspannen möchten und entscheiden können – gehen Sie dann unter Leute oder ziehen Sie sich eher mit einem Buch zurück oder in die Natur? (Es gibt detailliertere Tests im Netz)

Aber wozu ein Test – das weiß man doch? Leider nein. Eine Vielzahl von Introvertierten lebt ein sehr extrovertiertes Leben, weil es ihnen seit Kindesbeinen antrainiert wurde. Sie kennen das vielleicht: Mach mal schneller, sei doch nicht so schreckhaft, immer dieses Gezicke, wird‘s bald …

Wer sehr sensibel ist, empfindet sich schnell als falsch und steuert gegen – wird laut und schnell. Und weil Introvertierte dazu neigen, die Dinge perfekt machen zu wollen, spielen sie diese Rolle sehr überzeugend – so lange, bis irgendwann nichts mehr geht. Das Burn-out-Risiko introvertierter oder hochsensibler Menschen ist überdurchschnittlich hoch.

Eine Anmerkung – mehr würde den Rahmen hier sprengen: Circa 30 % der Hochsensiblen sind extrovertiert. Warum, wie und woher – wer mehr wissen will, meldet sich gerne bei mir. Auch wer Links zu Forschern oder Forschungsergebnissen haben will, auf die ich oft nur allgemein verwiesen habe, weil das kein wissenschaftlicher Beitrag ist – melden Sie sich: andrea@andrea-goffart.de

Warum ist das eigentlich so?

Warum gibt es diese zwei Ausprägungen, wäre es nicht viel einfacher, wenn wir alle gleich ticken würden? Das hat unsere Evolution so bestimmt, und die weiß normalerweise, was sie tut. Viele unserer Verhaltensweisen haben sich seit der Steinzeit nicht verändert und der Vergleich mit dem Tierreich zeigt oft, woher es kommt und warum es funktioniert (hat).

Schaut man sich im Tierreich um, so beschreibt es die HSP-Forscherin Elaine N. Aron, dann findet man auch dort eine Unterteilung von extrovertierten Kämpfern und introvertierten Forschern. Letztere sind die Tiere, die neue Weideplätze suchen, die ständig wachsam sind und beobachten, während die anderen in Ruhe äsen. In Gefahrensituationen oder Kämpfen übernehmen dann selbstverständlich die Extrovertierten – ran an den Feind. Spannend: Die Introvertierten werden von der ganzen Herde geschützt, sie stehen weit hinten, bis die Gefahr vorbei ist. Dann übernehmen sie wieder die Führung.

Die Tiere machen es uns vor: Wenn wir die Potenziale der Kämpfer und der Beobachter zusammenbringen, kann Zusammenarbeit funktionieren. Es ist unverzichtbar, dass beide Temperamente voneinander wissen, sich verstehen, die Daseinsberechtigung des anderen würdigen und auf dieser Basis perfekt zusammenarbeiten.

Der Introvertierte macht das Konzept, der Extrovertierte verkauft es. So hat es schon bei Apple funktioniert. Steve Wosniak als bekennend introvertierter Mensch trat mit einer guten Idee an den Extrovertierten Steve Jobs heran – der Rest ist Geschichte.

Fazit: Die Performance Ihrer Teams, Ihrer Agentur, Ihres Unternehmens – IHR Erfolg hängt davon ab, wie gut Sie es schaffen, die Qualitäten der unterschiedlichen Temperamente zu nutzen und zu verbinden. Dazu ist wesentlich, dass

  • alle MitarbeiterInnen von diesen verschiedenen Temperamenten wissen.
  • jeder sein eigenes Temperament und damit seine Fähigkeiten einschätzen kann
  • alle verstehen lernen, wie die Zusammenarbeit mit „den Anderen“ funktioniert.

Habe ich gut gedolmetscht? Vielleicht durch eine neue Brille Ihre Weltsicht ein bisschen verändert? Wir alle haben uns aus unserem „Ich“ eine Brille gemacht, mit der wir auf die Welt sehen. Deswegen glauben wir, dass alle anderen auch so denken müssen wie wir. Das ist falsch. Wenn wir beginnen zu verstehen, dass unser Gegenüber eine andere Brille hat und deswegen andere Dinge denkt, kann, weiß, glaubt und tut – dann fangen wir an, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Dann fängt Gemeinsamkeit an und das Gegeneinander hört auf. Schön, oder?

Eine Bitte: Vielleicht ist dieser Artikel ein erster Schritt, um dieses Verständnis und die neue Zusammenarbeit der Temperamente zu fördern. Stellen Sie ihn doch bitte ins Intranet, hängen Sie ihn ans schwarze Brett (huch, wie analog) – leiten Sie ihn weiter. Liken und sharen Sie ihn wie wild. Danke.

Möchten Sie mich als Temperamente-Dolmetscherin für Ihr Business engagieren? Das fände ich super – andrea@andrea-goffart.de


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Bildquelle: Andrea Goffart

Autor: Andrea Goffart

Veröffentlicht am: 15.08.2019


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