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Hotels & Locations

Kein Grund zur Sorge, aber Anlass zum Nachdenken

Der deutsche Veranstaltungsmarkt 2018/19

Das „Meeting- & Eventbarometer 2018/19“ ist da. Der Report vom German Convention Bureau (GCB), der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) und dem Europäischen Verband der Veranstaltungs-Centren (EVVC) zeigt detailliert auf, wohin die deutsche Veranstaltungsbranche derzeit steuert. Vorgestellt im Rahmen einer Online-Pressekonferenz am 15. Mai 2019 überrascht die aktuelle Ausgabe im Großen und Ganzen wenig. Eine Eintrübung des Wachstums jedenfalls steht im Gegensatz zu dem, was die Wirtschaft allgemein befürchtet, eher nicht zu erwarten.

Bei der Betrachtung der Kennziffern ist vor allem der Langzeittrend aufschlussreich, da es von Jahr zu Jahr natürlich keine riesigen Sprünge zu beobachten gibt. Grundsätzlich lässt sich bei kontinuierlich steigenden Teilnehmerzahlen in Deutschland eine zunehmende Diversifizierung des Marktes beobachten, die nicht zuletzt den Megatrends Digitalisierung und Globalisierung geschuldet ist. Gegenstand der Untersuchung waren 7.472 Veranstaltungszentren, Tagungshotels und Eventlocations mit jeweils mindestens 100 Sitzplätzen im größten Saal.

Steigende Teilnehmerzahlen, weniger Events

Laut „Meeting- & Eventbarometer 2018/19“ ist die Gesamtzahl an Teilnehmern von Tagungen, Kongressen und Events in Deutschland weiterhin steigend. Im Vergleich zum Vorjahr wurde ein Plus von 1,6 Prozent auf insgesamt 412 Millionen verzeichnet. Jedoch verteilen sich die Teilnehmer in den letzten Jahren auf immer weniger Veranstaltungen, was bedeutet, dass diese immer größer werden. Dieser Trend ist spätestens seit 2015 zu beobachten. Dafür sorgt unter anderem der Einsatz neuer Technologien, durch die Individualität gefördert wird (z.B. via personalisierter App), auch wenn man sich inmitten hunderter bis tausender anderer Menschen befindet.

Was die Veranstaltungsformate angeht, so entfallen fast 61 Prozent auf Kongresse, Tagungen und Seminare. Hier ist sogar ein signifikantes Wachstum von 3,1 Prozent im Jahresvergleich zu verzeichnen. Zu den anderen Formaten, die meistens an der „Fünf-Prozent-Hürde“ kratzen, zählen unter anderem Feste und Feiern, Ausstellungen, Sportveranstaltungen, Social Events und Konzerte. Diese finden mit einem Anteil von fast 70 Prozent vorrangig in Eventlocations statt, die eher dem Verlangen nach Kreativität, Erlebnis und Genuss entsprechen als etwa die Tagung in einem Veranstaltungszentrum.

Zwar hat der Anteil von Events in ebenjenen Veranstaltungszentren erstmalig seit einigen Jahren wieder leicht abgenommen, beträgt aber immer noch fast 40 Prozent und hat sich damit seit 2011 fast verdoppelt. Dies geht in erster Linie zu Lasten der Tagungshotels, deren Anteil im selben Zeitraum von fast 70 auf 50 Prozent gesunken ist. Die Gründe hierfür sind vielschichtig, aber nicht zuletzt in der für besonders große Events ausgelegten Infrastruktur der Veranstaltungszentren zu sehen.

Internationalisierung vs. Globalisierung

Weiterhin steigend ist der Anteil internationaler Teilnehmer an Veranstaltungen in Deutschland, der mittlerweile bei rund neun Prozent liegt. Damit hat sich deren Zahl seit 2006 fast verdreifacht – von 14,3 auf 37,2 Millionen. Matthias Schultze, Managing Director des GCB, beschreibt diese Entwicklung: „Die konstante Zunahme ausländischer Gäste um mehr als 150 Prozent in den letzten zwölf Jahren belegt, welchen Einfluss die Internationalisierung auf den deutschen Veranstaltungsmarkt hat.“ Darüber hinaus unterstreichen Branche und Verbände, wie gut man die Bedürfnisse und Erwartungen internationaler Besucher bedienen und erfüllen kann.

Ob sich dieser Trend jedoch ungebremst fortsetzen wird, steht auf einem anderen Blatt. Denn zunehmender Protektionismus und neue Handelsbeschränkungen – als Stichworte mögen Brexit und Trump herhalten − sorgen derzeit dafür, dass sich die Globalisierung vielerorts wieder zurückentwickelt. Vielleicht ist dies das spannendste Feld der künftigen Entwicklung einer doch recht gesättigt scheinenden Branche. Spannend wird auch sein zu sehen, inwieweit die Politik das Geschehen zukünftig mitbestimmen wird.

Hier ist sicherlich der Blick auf die Quellmärkte interessant. Großbritannien und die USA haben die Rangliste 2012 noch angeführt, sind aber nun auf die Plätze vier und fünf verdrängt worden von unseren Nachbarländern Niederlande, Österreich und Schweiz. Auch haben China und Russland während dieser Zeit den Sprung in die Top Ten geschafft. Allein daran lässt sich ablesen, welchen Einfluss das politische Weltgeschehen auf den Veranstaltungsmarkt in Deutschland hat.

Der Hybrid ist groß in Mode

Auch wenn die Globalisierung als Folge der Digitalisierung angesehen werden kann, wird sich Letztere zweifellos nicht aufhalten lassen. So hat der Anteil hybrider Veranstaltungen, bei denen mobile Anwendungen, Livestreams und Videokonferenzen zum Einsatz kommen, weiter zugenommen. Der Faktor Augmented Reality (AR) wird in der Branche an Bedeutung zunehmen, aber auch reine Online-Konferenzen − wie eben auch die Vorstellung des „Meeting- & Eventbarometers 2018/19“ − erzielen immer höhere Zuwächse.

Damit ist auch der schleichende Rückgang kleinerer Events mit bis zu 50 Teilnehmern zu erklären. Denn geringere Budgets und kleinere Besucherzahlen haben zur Folge, dass man den Aufwand langer Reisen und Raummieten nicht mehr unbedingt auf sich zu nehmen hat – zumindest dann nicht, wenn es allein ums Geschäftliche und nicht um Unterhaltung geht.

Der Präsident des EVVC, Joachim König, beurteilt diese Entwicklung: „Im Segment der kleineren Veranstaltungen werden zunehmend virtuelle Formen des Austausches genutzt. Gleichzeitig bereichern die technologischen Möglichkeiten auch physische Tagungen und Kongresse, so dass die Zahl hybrider Veranstaltungen zunimmt. In der Summe bietet die Digitalisierung für die Akteure der Veranstaltungsbranche viele Chancen und daraus resultierende neue Geschäftsmodelle in einem insgesamt wachsenden Markt.“

Ähnliches gilt für das Marketing, bei dem klassische Instrumente wie Printmaßnahmen immer weiter zurückgehen. Zwar hat das Internet längst deren Ablösung als wichtigstes Werbemedium vollzogen, aber so ganz möchte man auf die Klassik dennoch nicht verzichten. Flyer, Broschüren und Anzeigen stehen – relativ betrachtet – weiterhin hoch im Kurs. Kaum ein Veranstalter will das gedruckte Wort nicht wenigstens als notwendiges Beiwerk noch einsetzen.

Weltweit die Nummer 2

Nunmehr zum 15. Mal hintereinander nimmt Deutschland den ersten Platz in Europa und weltweit den zweiten hinter den USA ein, was Kongresse internationaler Organisationen und Verbände angeht. Dabei leben in den Vereinigten Staaten viermal so viele Einwohner wie in Deutschland. Über 2,2 Millionen Geschäftsreisen aus Übersee pro Jahr zementieren die wirtschaftliche und wissenschaftliche Kompetenz des Standortes Deutschland sowie die hervorragende Erreichbarkeit und gut ausgebaute Infrastruktur. Fast nirgendwo sonst auf der Welt ist die Dichte an geeigneten Veranstaltungsstätten so groß. Und jedes Jahr stoßen neue dazu, insbesondere Eventlocations, die eben nicht neu errichtet werden müssen (wofür kaum Platz zur Verfügung stünde), sondern aus dem Umbau von alten Industriegebäuden resultieren.

Schlussendlich stellt das „Meeting- und Eventbarometer 2018/19“ fest, dass der deutsche Veranstaltungsmarkt im internationalen Vergleich hervorragend aufgestellt ist und sich zudem im digitalen Umfeld zu behaupten weiß. Die MICE- und Eventbranche ist somit sogar auf dem Weg, sich zu einem nicht unbedeutenden Innovationstreiber in Deutschland zu entwickeln. Und auch der Nachhaltigkeitsaspekt kommt nicht zu kurz: Denn innerhalb von acht Jahren hat sich der Anteil von MICE-Betrieben mit einem Sustainable-Management-System von 27 auf über 40 Prozent erhöht. Das lässt doch insgesamt auf weiterhin gute Zeiten hoffen.


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Bildquelle: www.gcb.de

Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 28.05.2019


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