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Hotels & Locations, Best Practice - Tagung/Kongress

„Ich kann gerade keine Zahlen mehr sehen!“

Gastkommentar von Prof. Dr. Michael Schreiber zu den Highlights des Meeting- & EventBarometer 2015 (kommentiert von Dominik Deubner)

Zum achten Mal hat das EITW-Team das Meeting- & EventBarometer im Auftrag von GCB, DZT und EVVC erstellt. Fazit: Es ist immer wieder spannend. Zwar kann ich aktuell keine Zahlen mehr sehen (und werde Sie, liebe Leser, daher nur mit einigen, wenigen konfrontieren). Dennoch ist es die Mühe wert. Weil es jedes Jahr wieder Trends oder Entwicklungen gibt, die überraschen, und die Studie für uns (und Sie) so einzigartig machen. So auch in diesem Jahr.

Ausgerechnet bei der technischen und baulichen Infrastruktur fiel uns ein eklatanter Unterschied zwischen Anbieter- und Veranstaltersicht ins Auge: Während mittlerweile 98% der Veranstalter davon ausgehen, dass WLAN kostenlos zur Verfügung gestellt wird, sind nur 59% der Anbieter dazu bereit! Anbieter und Veranstalter liegen nicht immer auf einer Linie, das sieht man genauso bei der Angebots- und Nachfrageanalyse zu „Barrierefreiheit". Hier wiederum sieht die Anbieterseite größeren Bedarf als die Veranstalterseite. Es scheint, als müsse sowohl in der Produkt- als auch in der Kommunikationspolitik nachgebessert werden.

„Ja, gerade bei der Infrastruktur sollte eine Destination wie Deutschland punkten und den internationalen Wettbewerb im Blick haben. In welchem Bereich könnte sich Deutschland besser profilieren, als in den traditionell starken Ingenieursdisziplinen? Außerdem wichtig: Das Thema „Inklusion“ wird das nächste große Handlungsfeld und Trendthema im Bereich von Corporate Responsibility werden.

Alles in allem zeigt der Veranstaltungsmarkt Deutschlands eine positive Marktentwicklung auf hohem internationalem Niveau. Seit dem Einbruch 2009 durch die Wirtschafts- und Finanzkrise sind Besucher- und Veranstaltungszahlen kontinuierlich gestiegen. Trotz zunehmender Technisierung (oder gerade deshalb) pflegen bzw. brauchen die Menschen die Live-Kommunikation. Dabei spielt die Emotionalisierung und Eventisierung eine immer wichtigere Rolle, die auf die starke Entwicklung der Eventlocations Einfluss hat. Während der Markt der Tagungs- und Veranstaltungsstätten um 1,7% gewachsen ist, gibt es bei den Eventlocations einen fast doppelt so hohen Zuwachs (+3,0%). Mit einher geht eine immer stärkere Spezialisierung des Marktes: Bei den Hotels überwiegt klar das Business, in den Veranstaltungscentren und Eventlocations das „Event“.

„Wobei Event nicht gleich Event ist und mir eine weitere, ungewöhnliche Zahl ins Auge springt. Gegenüber 2013 hat sich die Zahl der sog. Social Events, Rahmenprogramme und Abendveranstaltungen fast halbiert! Ist dieser Rückgang von 6,8 auf 3,6% auf die Compliance-Hörigkeit der Unternehmen zurückzuführen? Oder fehlt hier nur die Trennschärfe bzw. ist gar eine Verlagerung hin zu den „lokalen Veranstaltungen“ auszumachen, die im gleichen Umfang zunahmen?“

Die deutschen Großstädte sind die tragenden Säulen des MICE-Markts: Vor allem die Städte mit mehr als 500.000 Einwohnern zeigen mit ihren Veranstaltungsstätten die mit Abstand besten Belegzahlen.

„Genau, zudem ist die Effizienz gerade der Veranstaltungs-Centren bei der Auslastung in den großen Ballungsräumen deutlich höher. Auffällig ist, dass die Dominanz der Veranstaltungs-Centren bei Großveranstaltungen immer weiter zunimmt.“

Mit zunehmender Ortsgröße steigt auch der Grad der Internationalisierung. In kleineren Orten bis 100.000 Einwohner erreicht der Anteil ausländischer Teilnehmer weniger als 4%, während er in Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern 13,4% ausmacht. Daraus lässt sich der Umkehrschluss ziehen, dass wir in Deutschland noch Potenzial im ländlichen Raum bzw. in den Flächendestinationen haben. Diese müssen wir dann allerdings attraktiver (und besser erreichbar) machen, denn gerade ausländische Veranstalter stufen touristisch interessante Destinationen deutlich wichtiger ein als ein modernes Kongresszentrum. Zudem spielen Firmenniederlassung und wissenschaftliche Einrichtungen im Umfeld eine Rolle. Und natürlich – weiterhin – die Erreichbarkeit.

Jedes Jahr kommen mehr ausländische Teilnehmer nach Deutschland. 2014 waren es 25,6 Millionen. Die steigende Internationalisierung des Veranstaltungsmarktes ist weiterhin deutlich.

„Diese Zahlen stützen auch meine Wahrnehmung: Deutschland ist sexy! Internationale Veranstalter haben Deutschland als attraktive Destination entdeckt – nicht zuletzt wegen des sensationellen Preis-Leistungs-Verhältnisses!“

Für Veranstalter aus dem Ausland sind die Informationen regionaler Convention Bureaus / DMOs besonders wichtig (Schulnote 1,48), das zeigte uns die differenzierte Betrachtung der Teilnehmerbefragung. Dass das Tagungsmarketing auf Destinationsebene – auch auf Landesebene – funktioniert, sehen wir noch an anderer Stelle des Barometers: Das Ranking der Bundesländer wird von Destinationen angeführt, die im MICE-Markt besonders aktiv sind: Bayern, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Hessen. Mein Fazit: Imagekampagnen, Markenbildung und die richtige Auswahl kommunikationspolitischer Maßnahmen sind richtig wichtig!

„Mir ist beim Städteranking eine Besonderheit aufgefallen. Köln hat Hamburg überholt und ist jetzt auf Platz 4. Das freut mich als Kölner, überrascht mich aber. Denn nach meiner Wahrnehmung boomt Hamburg gerade, während Köln – zumindest im Bereich der Infrastruktur (Hotels, Kongresszentrum und Verkehrssituation) eher so dahindümpelt.“

Zu den wichtigen kommunikationspolitischen Maßnahmen gehört – natürlich – das Internet. Bei der Frage, wo Veranstalter sich informieren, liegt es seit Jahren ganz oben und auch als wichtiges Kreativmedium für Veranstaltungen ist es nicht mehr wegzudenken. Fast 66% der Veranstalter nutzen mobile Anwendungen, um ihre Teilnehmer während der Veranstaltung zu informieren und/oder zu animieren, gefolgt von Diskussionsforen, Cloud-Services und Live-Streams. Immerhin 16% der Veranstaltungen werden mittlerweile als „hybrid“ bezeichnet – sind also reale Events mit einer (gleichwertigen) virtuellen Komponente.

Im Umfeld des Megatrends Technisierung haben wir im Meeting- & EventBarometer die Bedeutung der Buchungsportale sowie der spezialisierten Tagungsportale für die Branche untersucht: 10,6% des Veranstaltungsvolumens wird bei den Anbietern über Tagungsportale realisiert. Hier sind vor allem die Tagungshotels mit einem Anteil von 15% stark repräsentiert. Es sind also eher die kleineren standardisierten Veranstaltungen, die von den Online-Buchungsmöglichkeiten profitieren. Und: Insbesondere internationale Kunden (21,4%) fragen über Tagungsportale an. Mich interessiert, ob sich die komplexen MICE-Produkte über standardisierte Portale abbilden lassen. Es wird interessant sein zu verfolgen, wie sich der Marktanteil in den nächsten Jahren weiterentwickelt.

„Auch wenn der Anteil der Portale immer noch gering ist, darf deren Bedeutung nicht unterschätzt werden. Sie können technisch immer mehr und die Frage nach Standard oder nicht ist gar nicht so essenziell, wenn man bedenkt, dass das Gros der Veranstalter nur Standard benötigt. Bei der steigenden Zahl der „Digital Natives“ auf Entscheiderebene werden die Portale eine zunehmende Bedeutung im Markt spielen.“

Veranstalter achten immer mehr auf Nachhaltigkeit und nutzen die Vergleichsmöglichkeiten, die Zertifikate bieten. Waren es 2012 noch 33,3%, die angaben bei der Buchung auf Zertifikate zu achten, sind es in 2014 bereits über 50%. Ich finde es toll, dass die Nachhaltigkeitsanstrengungen der Anbieter von Veranstalterseite wahrgenommen werden und zu einer realen Qualitätsverbesserung führen. Auf die Frage, ob mit den Nachhaltigkeitsanstrengungen der Veranstaltungsstätten eine merkbare Verbesserung der Qualität einhergeht, antworteten 35,6% der Veranstalter mit „ja“. Bei der gleichen Frage im Jahr 2012 waren es nur 27%. Das stimmt positiv – genau wie die allgemeine Entwicklung des Veranstaltungsmarktes: Anbieter und Veranstalter sind im „Hinblick auf den Ausblick“ positiv gestimmt. Besonders auffällig ist dieser Positivtrend bei den Veranstaltern außerhalb Europas (77,4 %). Es ist deshalb für den MICE-Standort Deutschland wichtig und richtig, seine Bemühungen auf den Übersee-Märkten (z.B. USA und China) weiter zu forcieren.

„Genau – den deutschen Destinationen muss es noch besser gelingen, ihre Produkte emotionaler und persönlicher zu verkaufen. Denn – schauen Sie mal auf Seite 22 der Studie – der MICE-Markt ist und bleibt ein People-Business. Persönliche Empfehlungen sind eines der wichtigsten Entscheidungskriterien. Ich glaube, wer es als Anbieter schafft, ein (professionelles) Empfehlungsmarketing, auch über die sozialen Medien, aufzubauen, der kann wirklich punkten.“


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Bildquelle: EITW / M. Schreiber

Autor: Prof. Dr. Michael-Thaddäus Schreiber

Veröffentlicht am: 14.07.2015


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