EVENT RESTART – zurück ins Rennen mit angezogener Handbremse!
Dornröschen hat gerade wenig Zeit die Augen ans Licht zu gewöhnen und die steifen Glieder zu recken. Mit fallender Inzidenz und steigender COVID19-Impfrate geht es wieder los. Scheinbar ungebremst, nun von Null auf Hundert binnen weniger Tage. Das E-Mail-Postfach füllt sich mit ersten Anfragen, Bitten um Gesprächstermine, Einladungen zu Live-Messen, ersten Netzwerktreffen und auch den ersten Einladungen zu Fam-Trips.
Die Kunden, die aufgrund ihres Metiers gut durch die Krise kamen, sind vorsichtig optimistisch und planen, bewährte Live-Formate wieder aufzunehmen oder überlegen ihren nun wieder reisenden Partnern aus Übersee nun doch ein spektakuläres Event auf deutschem Boden zu bieten.
Doch auch hier schauen wir, eine Verlegungsklausel vertraglich festzuschreiben. Anders können wir im Hinblick auf eine Wirtschaftlichkeit im Sinne unserer Kunden nicht handeln. Höhere Gewalt war gestern! Aber, wir müssen auch im Sinne unserer Dienstleister verantwortlich handeln und mit großzügigen Anzahlungen den Fortbestand im Auge haben.
Fairness im Business ist kein Nice-to-have, sondern gerade jetzt überlebenswichtig!
Aber da sind auch die Kunden, von denen man noch nichts hört. Die Pandemieverlierer waren eben nicht nur Events, Kultur, Hotels und Gastronomie. Manchen Branchen brach die internationale Nachfrage weg oder die globale Zulieferung zu ihren Produkten fiel aus. Ich gestehe, dass ich sehr große Hemmungen habe anzurufen und nachzufragen, wie es denn mit der Eventplanung aussieht.
Gemessen an dem, was immer galt, befinden wir uns in einem enormen Rückstau im Bereich der Live-Kommunikation, in den ich jetzt auch einfach mal die Kultur einrechne. Künstlern, die ihre Auftritte von 2020 zunächst auf 2021, dann im Frühjahrslockdown nochmals in 2022 verschoben haben, drohen hektische Zeiten und die Spielstätten, die sowohl Kultur, als auch Event und Kongress bieten, sind teils bis weit in 2023 nahezu ausgebucht.
So sehr es Spaß macht wieder live gehen zu können, so sehr haben wir doch auch durch Corona gewisse Selbstverständlichkeiten verloren. Vor allem unsere Sicherheit und unser Vertrauen in die Kräfte des Marktes und die Politik.
Viele meiner hervorragenden langjährigen Partner sind nach wie vor verunsichert. Schon raus aus der Kurzarbeit für die Angestellten? Die Anfragen kommen, aber werden daraus auch umsatzgenerierende Aufträge? Wie entwickelt sich das Preisniveau? Für viele Dienstleister ist es schwierig zu bewerten, ob sie dem Kunden eine Preiserhöhung zumuten können. Gleichzeitig steigen Preise sowohl im gewerblichen als auch im privaten Bereich. Kann man vertreten Löhne vorerst nicht zu erhöhen, trotz steigender Lebenshaltungskosten und zunehmender Inflation?
Und dann sind da all die Branchen, deren qualifizierte Mitarbeiter schlichtweg nicht mehr da sind. Hervorragende Messebauer sind zurück ins Handwerk und suchen dort wieder den goldenen Boden. Gute, menschenfreundliche Busfahrer haben in die Logistik gewechselt und wagen den Rückweg noch nicht, obwohl ihnen der Umgang mit dem Zeitdruck und der stummen Ware weit weniger Spaß macht, als der Umgang mit Kongressbesuchern und gut gelaunten Incentive-Gästen.
Ich bin seit fast 30 Jahren im Business, mein größtes Kapital in den letzten Jahren war meine Erfahrung. Nun stellt sich die Frage, ob diese Erfahrungswerte nach wie vor Gültigkeit haben.
Was hat Corona mit uns selbst und unseren Teilnehmern gemacht? Rennen sie uns wirklich die sprichwörtliche Bude ein, oder bleibt man verhalten? In den USA war die Impfbereitschaft im April noch überbordend, nun liegt der Impfstoff herum, wie der Ladenhüter der letzten Saison und es geht kaum voran beim großen Ziel Herdenimmunität.
Ein Bekannter spielte vor ein paar Tagen ein Kabarett-Open-Air und die Nachfrage ließ sehr zu wünschen übrig. Lag es am sehr verregneten Sommer 2021 oder sind die Entzugserscheinungen für Live-Kultur doch nicht so ausgeprägt? Ist das gar ein Zeichen langfristiger kultureller Einschnitte für unsere Kulturschaffenden? Ist die Nachfrage nach so viel Zeit auf dem heimischen Sofa und in den heimischen Gärten der Republik schlichtweg geschrumpft?
Wir waren vor Corona ja kaum noch zuhause, dann plötzlich nur noch zuhause. Und was kommt jetzt?
Nach anfänglicher Begeisterung für Digitalformate ist bei mir der Enthusiasmus inzwischen sehr verhalten. Einerseits ist es eine kosten-, zeit- und nicht zuletzt CO2-sparende Variante für wissensvermittelnde Formate, andererseits merke ich, dass die digital vermittelten Inhalte bei mir nicht nachhaltig hängen bleiben.
Für das Netzwerken taugt digital meiner Meinung nach gar nicht. Menschen, denen man nur digital begegnet ist, müssen schon eine große Bereitschaft zeigen, die Kontakte zu halten und auszubauen. Persönliche Kontakte bleiben alleine durch das gemeinsam Erlebte ganz anders lebendig, selbst bei langer Funkstille.
Für die Vermittlung von Destinations- und Produktkenntnissen bleibt das Live-Erlebnis absolut unverzichtbar. Ich muss fühlen, riechen, schmecken, hören, wenn ich beurteilen soll, ob ein Hotel, eine Location, eine Aktivität oder ein Rahmenprogramm zu meinem Kunden passt.
Bei aller Enttäuschung über reine Digital-Events für meine Belange halte ich hybride Formate für einen wirklichen Mehrwert und eine Bereicherung der Eventlandschaft. Immer dann, wenn eine Live-Teilnahme nicht möglich ist, bietet hybrid die Möglichkeit nicht ganz verzichten zu müssen. Bei großen internationalen Kongressen, die auch live große Kosten generieren, wird uns der digitale Zwilling in adäquater Qualität zukünftig begleiten.
Wie die Pandemie - so sie denn wirklich vorbei ist - unsere Branche verändert hat, kann ich noch gar nicht beurteilen. Es gibt ja durchaus ein paar äußerst nötige Veränderungen, aber um da Input zu bekommen, brauche ich auch die ersten Livebegegnungen wie beim MICE Club LIVE Anfang September in Stuttgart.
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