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Mobilität

Die Zukunft macht mobil. Das Auto wird autonom.

Gegensteuern und Gas geben: Mobilitätskonzepte 4.0

Hier der Kongress in Berlin, dort die Site Inspection in London, heute die Messe in Mailand, morgen der Workshop in Gütersloh. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Event- und MICE-Branche nicht zuletzt vom Mobilitätsgedanken lebt. Das betrifft freilich nicht nur den Geschäftsreisenden, sondern auch Caterer, Techniker, Messebauer und Servicekräfte, Lieferanten, Taxifahrer, Kuriere und Spediteure. Experten sind sich einig, dass insbesondere die großstädtische Mobilität auf dem Prüfstand und vor einem tiefgreifenden Wandel steht.

Zwar neigt sich die automobile Ära noch lange nicht dem Ende zu, aber doch die Zeit, da das Auto noch Ausdruck persönlicher Freiheit, individuellen Wohlstands und weitgehender Selbstbestimmung gewesen ist. Denn die Digitalisierung ist auch hier längst auf der Überholspur, während Ressourcenknappheit und Klimawandel geradezu zum Umdenken zwingen. Das haben selbst die Autohersteller eingesehen und so ist ein wahrer Wettkampf darüber entbrannt, wem am Ende die besten IT-Partner, Ingenieure und Forschungsinstitute zur Seite stehen.

Einfach kein Vorankommen

Ein Blick auf die Wirklichkeit: Es gibt nicht wenige Berufspendler, die für die knapp 40 km Luftlinie zwischen Köln und Düsseldorf täglich fast drei Stunden Fahrzeit für den Hin- und Rückweg einkalkulieren müssen. Das ist natürlich kein Einzelfall. Vor allem im urbanen Raum wird heute weltweit mehr gestanden als gefahren. Allein was den Personenverkehr betrifft, wurden EU-weit bereits 2010 gigantische 6,5 Billionen gefahrene Kilometer verzeichnet – Tendenz steigend. Der weltweite Kraftfahrzeugbestand hat sich in den letzten 50 Jahren fast verzehnfacht auf über eine Milliarde Einheiten, von denen die meisten in der westlichen Hemisphäre unterwegs sind – oder besser gesagt: sein wollen. Denn jedem ist klar, dass es im Stau auch mit 200 PS kein Vorankommen mehr gibt.

Vor allem in den Großstädten, wo die meisten Tagungen, Events und Messen stattfinden, ist das Auto mehr und mehr Hindernis statt Fortbewegungsmittel, kostet wertvolle Zeit und damit auch Geld. Pünktlich ankommen und während der Fahrtzeit so viel wie möglich erledigen – dieses Credo wird die Businessmobilität von morgen bestimmen. Was auf manchen Bahnstrecken bereits mehr oder weniger gut funktioniert, soll nun auch auf der Straße realisiert werden. Dabei wird Höchsttempo nicht mehr auf dem Asphalt, sondern in erster Linie in der Datenkommunikation zwischen Fahrzeugen untereinander sowie mit Verkehrsleit- und Geoinformationssystemen gefragt sein.

Mitfahrgelegenheit gesucht

Nur wenn der Autofahrer das Steuer mehr und mehr aus der Hand gibt, lassen sich Staus vermeiden und Verkehrsströme beschleunigen. Dazu gehört auch die Bereitschaft eines jeden, öfter das Verkehrsmittel zu wechseln. Natürlich sollte dies möglichst ohne Zeitverlust und Mehrkosten vonstattengehen, weshalb die genaue Betrachtung der Schnittstellen von enormer Wichtigkeit ist. Hier sind ganzheitliche Lösungen gefragt, angefangen beim ganz normalen Kombiticket bis hin zu Umsteigemöglichkeiten ohne Wartezeiten, also gleichermaßen serviceorientierte wie technologische Lösungen.

Denn wenn man sich das „Statussymbol Auto“ einmal wegdenkt, ist es Ziel jedes Verkehrsteilnehmers, am schnellsten, am bequemsten und am günstigsten von A nach B zu kommen. In Zukunftsszenarien übernehmen heute schon selbstfahrende Elektromobile den Shuttle-Verkehr auf Messegeländen, an Flughäfen oder in Innenstädten, während der Reisende kurze Strecken auf überdachten Wegen wie selbstverständlich mit dem Segway, auf Laufbändern oder per E-Bike zurückzulegt.

In Zukunft wird das Auto zunehmend eine komplementäre Rolle spielen, da es in den Ballungszentren dieser Welt immer ineffizienter wird. Nichtsdestotrotz wird es weiterhin ein zentraler Bestandteil im Mobilitätsmix bleiben – dank smarter, multifunktionaler Mobilitätslösungen jedoch unter neuen Vorzeichen.

Autonome Autos statt selbstständige Fahrer

Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte Car-to-Car-Kommunikation (C2C). Dabei informieren sich Autos untereinander vollautomatisch über Verkehrsverhältnisse oder warnen einander vor Hindernissen, tauschen Informationen über Parkplatzkapazitäten oder sich anbahnende Staus aus. Das erhöht nicht nur die Sicherheit im Straßenverkehr, sondern optimiert den gesamten Verkehrsfluss. Die C2C-Kommunikation gilt darüber hinaus als wegweisend für die Entwicklung weitgehend selbstfahrender Autos.

Die Mercedes-Benz-Studie F015

Die Vorteile liegen auf der Hand: Menschliche Schwächen wie Müdigkeit, Unaufmerksamkeit oder Aggressivität werden abgefedert. Und da der „Fahrer“ sich nicht mehr auf den Verkehr konzentrieren muss, avanciert das Auto neben dem Arbeitsplatz und dem Zuhause zu einem „Third Place to be“. Nicht nur die Amerikaner von Tesla arbeiten mit Hochdruck an diesem Konzept, auch Daimler hat mit der Studie F015 bereits ein Fahrzeug entworfen, indem sich die Passagiere gegenübersitzen können und die Heckscheibe als Bildschirm fungiert. Handbewegungen und Stimmbefehle ersetzen dabei die herkömmliche Steuerung per Knopfdruck.

Währenddessen entwickelt das im Silicon Valley ansässige Start-up drive.ai Fahrzeugkomponenten, die eine Kommunikation autonomer Fahrzeuge mit Passanten und anderen Verkehrsteilnehmern ermöglichen sollen. Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Stanford University erforscht man Möglichkeiten, wie mit Schrift, Licht oder Klang einem Passanten zum Beispiel signalisiert werden kann, dass das selbstfahrende Auto sie sicher die Straße überqueren lässt. Für diese und andere Verkehrssituationen wird ein spezieller Algorithmus angewandt, damit ein Fahrzeug sicherheitsrelevante Situationen deuten und entsprechende Signale geben kann – zweifellos eine Form künstlicher Intelligenz.

Verkehrsszenario von Drive.ai

Ein neuer Antrieb für die Welt

Im Zuge von Ressourcenschonung und Klimaschutz spielen auch alternative Antriebe eine gewichtige Rolle bei der Neuausrichtung der Mobilität. Die Grünen mit ihrem Vorschlag, die Produktion von Verbrennungsmotoren ab 2030 zu verbieten, und die staatlichen Prämien beim Erwerb von Elektrofahrzeugen lassen grüßen. Derzeit macht noch der Hybridantrieb den größten Marktanteil aus, aber der Forscherdrang ist kaum zu stoppen und mutet fast schon wie Science Fiction an. So arbeitet man an der Universität von Exeter in England an einem Verfahren zur Erzeugung von Bio-Diesel mit Hilfe von Bakterien, die Fettsäuren in einen Kraftstoff umwandeln, der problemlos in herkömmlichen Motoren verwendet werden kann. Ein vielversprechender Ansatz, aber das Emissionsproblem wäre damit nicht gelöst.

Währenddessen arbeitet der amerikanische Tausendsassa Elon Musk – bekannt durch PayPal, Tesla und SpaceX – mit seinem Team am Hyperloop. Hierbei handelt es sich um ein Röhrensystem, in dem Passagierkapseln auf Luftpolstern transportiert werden – und das Dank eines Teilvakuums fast mit Schallgeschwindigkeit. Schon im kommenden Jahr soll eine Teststrecke fertiggestellt werden. Theoretisch könnte der Hyperloop sogar dem Flugverkehr Konkurrenz machen und man gerät ins Grübeln, ob die Einstellung des Transrapid-Projekts in Deutschland tatsächlich eine so gute Idee war.

Hyperloop-Modell

Auch von Elektromotoren betriebene Drohnen werden unsere Mobilität verändern. Was heute bereits in großen Messehallen vonstattengeht, kann insbesondere auch für Großstädte zur echten Option werden: der Transport leichterer Güter durch die Luft statt über die Straße. Das würde weniger Verkehrsaufkommen bedeuten, kürzere Transportwege und eine enorme Zeitersparnis gegenüber bisherigen Kuriersystemen. Drohnen dürften in Zukunft auch Saatgut in den Boden einbringen und bei Wartungsarbeiten in luftigen Höhen eingesetzt werden. Der Einsatz von kraftstoffbetriebenen Traktoren oder Hubschraubern würde damit in vielerlei Hinsicht überflüssig werden.

Ausbremsen verboten

Keine Frage: Mobilität ist und bleibt ein Megatrend, der sich unmittelbar auf die Event- und MICE-Branche auswirkt. Dem Flugzeug als Langstreckentransportmittel wird so schnell nichts Konkurrenz machen, aber auf der Kurzstrecke ist vieles in Bewegung. Digitalpioniere wie Google entdecken das Auto für sich und alle großen Autohersteller springen auf diesen Zug auf – ganz einfach, weil sie sich wirtschaftlich nicht abhängen lassen wollen und sich eingestehen müssen, dass die Branche im Zuge von Stillstand hier und Fortschritt dort an einem Wendepunkt angekommen ist. Welche neuen Mobilitätskonzepte wann und wie zur Serienreife gelangen und vom Vollblutautofahrer auch angenommen werden, mag noch in den Sternen stehen, aber eins ist klar: Es wird – ganz im Sinne von Carl Benz – kein Zurück mehr geben.


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Bildquellen: Daimler, Camilo Sanchez, Drive.ai

Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 24.11.2016


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