Der Letzte macht das Licht aus
Lichtinstallation in Vancouver begeistert die Massen
Tangible Interaction ist ein Unternehmen mit Sitz in Vancouver − wobei man genauso von einem Künstlerkollektiv sprechen könnte. Schließlich hat sich die kanadische Kreativschmiede der Entwicklung audiovisueller Installationen verschrieben, die durch eine ausgeklügelte Sensorik von jedermann bedient werden können. Besonders faszinierend ist das neueste Projekt des Unternehmens: die interaktive Lichtinstallation „OH!“.
„OH!“ lief den ganzen August 2017 in den Abendstunden des Wochenendes. Jeder Passant durfte dabei einmal Lichtmagier spielen und über einen Teil der nächtlichen Skyline Vancouvers herrschen. Bezugspunkt war die Science World, ein kuppelförmiges Museum, das in einigen hundert Metern Entfernung maßstabsgetreu im Miniaturformat nachgebaut wurde. Über das mit 24 Sensoren und 240 LEDs ausgestattete Modell ließ sich per Handbewegung die auf der Fassade des echten Gebäudes angebrachte Lichtinstallation steuern. So konnten zahlreiche Muster, Farbeffekte und Leuchtbänder in Echtzeit aktiviert werden, die von weither zu sehen waren. Anlässlich der Vancouver-Pride-Parade leuchtete die Science World dabei ausschließlich in den Regenbogenfarben.
Viel greifbarer (im wahrsten Sinne des Wortes) wird dieses Projekt natürlich im Video:
Es werde Licht – aber nur am Wochenende
Solch ein Event für die Massen ist natürlich auch in kleinerem Rahmen denkbar – und dort womöglich sogar besser aufgehoben. Denn „OH!“ war selbstredend streng reglementiert: auf jeweils wenige Stunden an den Wochenendabenden im August 2017. Solch eine Installation mag natürlich nicht unbedingt Schaden anrichten, aber trotz aller Begeisterung dennoch die öffentliche Ordnung stören. Im engeren Eventumfeld bestünde diese Problematik weniger, da nicht jeder Passant die „Lichter der Großstadt“ an- und ausknipsen kann, sondern nur ausgewählte Gäste etwa die Außenbeleuchtung einer Off-Location steuern würden.
Es lag freilich in den Händen der Techniker von Tangible Interaction, dass − wenn alle mal ran dürfen − am Ende kein unschönes Chaos entstanden ist. Bedienen aber konnte das wetterfeste Interface jeder – und das ganz ohne das Know-how eines Lichttechnikers, der stets hunderte von Knöpfen und Reglern im Blick haben muss, um derartige Effekte zu erzielen.
TUI, TUI, TUI
Keine Sorge, hier geht es nicht um offensichtliche Schleichwerbung! Denn TUI ist international als „Tangible User Interface“ bekannt, wobei „tangible“ übersetzt nichts anderes als greifbar oder fühlbar bedeutet. Das Entscheidende daran: Physische Objekte werden mittels Sensoren mit digitalem Content hinterlegt, der sich vollkommen intuitiv und spielend leicht steuern lässt. Das kann wie beim Beispiel Vancouver eine weit entfernte Lichtinstallation sein, ist für DJs aber auch die Soundsteuerung und Musikauswahl mittels Handbewegungen und Mustererkennung.
TUI ist beileibe keine technische Revolution. So mögen etwa die Grenzen zur Bedienung einer Spielekonsole tatsächlich fließend sein. Und Lichtinstallationen, die auf Bewegungen oder Geräusche reagieren, gibt es schon lange. Die Idee zur interaktiven Illumination der Science World kam Alex Beim, dem Gründer von Tangible Interaction, auch schon vor fast einem Jahrzehnt. Erst 2017 aber konnten die Betreiber des Wissenschaftsmuseums und die städtische Tourismusbehörde als Partner gewonnen werden.
Wenngleich also nicht neu, bleibt sie originell: die Idee, mithilfe eines Miniaturmodells das „große Ganze“ intuitiv in Echtzeit kontrollieren zu können. Und sie ist dank der digitalen Weiterentwicklung greifbarer denn je.
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Bildquellen: Tangible Interaction, Frank Brehm