Jetzt MICE Club-Mitglied werden oder 30 Tage kostenfrei testen

Hotels & Locations

An der Lebenswirklichkeit vorbei?

Was macht die Branche mit Mindestlohn und Arbeitsschutz?

Seit einem Monat gilt – Ausnahmen bestätigen die Regel – der flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro und auch in Sachen Arbeitsschutz wird Gas gegeben: Ein neuer Bußgeldkatalog sieht Strafen bis zu 15.000 Euro, im Zweifelsfall auch Knast vor, wenn Arbeitgeber gesetzliche Arbeitszeiten immer wieder überschreiten. Nicht zuletzt der Fall der Sarah Wiener GmbH hat gezeigt, dass Auftraggeber zunehmend sensibilisiert sind, wenn es ums Mitarbeiterwohl (oder ums eigene Image?) geht.

Daimler serviert Wiener ab

Der Autobauer Daimler hatte Ende November zwei Werkverträge mit Unternehmen der Sarah-Wiener-Gruppe gekündigt. Grund des Bruchs waren Ergebnisse interner Kontrollen im Oktober. Mitarbeiter der Restaurants im Stuttgarter Mercedes-Museum und im Daimler-Kundencenter in Bremen sollen mehr als zehn Stunden täglich gearbeitet haben, womit die betreibenden Unternehmen SW Museumsgastronomie und die Sarah Wiener GmbH gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen hätten.

Wie reagiert die Branche? Gar nicht. „Wir sitzen zu nah am Glashaus, um mit Steinen werfen zu können – egal in welche Richtung.“ Der Kommentar eines Brancheninsiders, der nicht genannt werden will, zeigt, dass die langen Arbeitszeiten bei Daimler wahrhaft kein Einzelfall sind. Auch beim DEHOGA erklärt man, dass das Arbeitszeitgesetz an die Lebenswirklichkeit angepasst werden muss und fordert die Anhebung der Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden. „Wenn die Hochzeitsfeier länger dauert als geplant“, heißt es auf den Seiten des Verbands, „können nachts nicht neue Mitarbeiter ihren Dienst aufnehmen.“ Es gehe nicht um eine Verlängerung der Gesamtarbeitszeit, betont man, sondern um eine notwendige Flexibilität unserer Betriebe, die von den Gästen – nicht zuletzt unter Servicegesichtspunkten - erwartet wird.

Das scheint dem Gesetzgeber herzlich egal zu sein. Der neue Bußgeldkatalog ist in Sachen Arbeitszeiten flexibel wie die vielzitierte Bahnschiene und sieht happige Strafzahlungen vor, wie auch der auf Hotels spezialisierte Sicherheits-Experte Ulrich Jander erläutert. Schwerpunkt in den gesetzlichen Bestimmungen sind die Einhaltungen der Arbeitszeiten sowie der Schutz der jugendlichen Lehrlinge. Werden die Azubis über die tägliche Arbeitszeit beschäftigt, kostet dies je angefangene Stunde 75 Euro. Werden die vorgeschriebenen Ruhepausen nicht rechtzeitig und nicht in voller Länge gewährt, wird ebenfalls diese Summe fällig - freilich für jede halbe Stunde. Werden minderjährigen Azubis gar keine Ruhepausen gewährt, sind 400 Euro zu entrichten.

Prima – also weniger Arbeit für mehr Geld. Geht doch! Oder?

Auch der neue Mindestlohn greift bei den jüngeren Arbeitnehmern – Stichwort Generation Praktikum – gravierender. Das wäre ja ein Vorteil, wenn es machbar wäre. Darüber streiten die Geister und zumindest die Agenturseite ist sich laut „WuV“ einig, dass ein Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde für Praktikanten für die Werbeschmieden "nicht leistbar" ist. Anlass genug für den FAMAB, eine Blitzumfrage unter seinen Mitgliedern zu starten, deren Ergebnisse Anfang Februar in der WuV veröffentlicht werden sollen.

Umfragen bringen Licht ins Dunkel

Auch der DEHOGA nimmt das Thema Mindestlohn zum Anlass und hat gemeinsam mit der Hochschule Heilbronn eine Studie lanciert, die noch bis Ende Januar läuft. Auf unsere Anfrage sagt man dort, dass viele Betriebe durch den Mindestlohn von Personalkostensteigerungen betroffen sind. Ein Hauptkritikpunkt, der alle Betriebe trifft – auch die, die längst mehr als den Mindestlohn zahlen - ist die neue bürokratische und risikobehaftete Pflicht zur Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit. Der DEHOGA fordert daher, dass das Thema Arbeitszeitaufzeichnungspflicht kurzfristig auf den Prüfstand kommt. So, wie die Aufzeichnungspflicht derzeit ausgestaltet ist, sei sie bürokratischer Irrsinn. Insgesamt sieht man den Mindestlohn als gigantisches arbeitsmarktpolitisches Experiment. Gerade das Gastgewerbe ist eine besonders arbeitsintensive Branche. Der Personalkostenanteil liegt mit 25 bis 40 Prozent besonders hoch. Gerechnet auf den gleichen Umsatz werden in der Gastronomie sechs Mal so viele Arbeitnehmer beschäftigt wie zum Beispiel im Lebensmitteleinzelhandel. Durch den Mindestlohn seien vor allem kleine und mittelständische Betriebe in strukturschwachen Regionen, vor allem in Ostdeutschland, gefährdet.

Andere in der Branche werden noch deutlicher: „Der Mindestlohn ist nun endlich da. Einige Betriebe werden arg umdenken müssen. Hier mitunter auch mit Zuschlägen auf die jetzigen alten Preise. Diese Mehrkosten werden viele Betriebe nun auf ihre Speisen umlegen und es dürfte also für den ein oder anderen auch etwas teurer werden. Andere Betriebe hingegen, die jetzt schon ihr Personal ausbeuten und somit am Limit leben, werden wohl in naher Zukunft schließen müssen. Es wird ein komplettes Umdenken geben müssen um noch konkurrenzfähig zu bleiben“, schreibt Carsten Hoppe von Event-Catering Münster auf seiner sehr ausführlichen Informationsseite zum Thema Mindestlohn. Löblich!

Wer profitiert am Ende wirklich? Höhere Preise, mehr Bürokratie, wenig Realität und gar keine Flexibilität? Und das in einer Zeit, die den Wunsch nach „Arbeiten wann und wo ich will“ zum neuen Anspruch erhebt. Bei den vielen Umfragen, die die Unternehmen betreffen, würden wir gerne die Arbeitnehmerseite hören: Hallo Ihr PraktikantInnen, Hofas und Refas, Aushilfen und ZeitarbeiterInnen – was erlebt Ihr gerade? Schreibt es uns.


Das könnte Sie auch interessieren:

Autor: Andrea Goffart

Veröffentlicht am: 08.02.2015


Verfasse einen Kommentar

×

×