Jetzt MICE Club-Mitglied werden oder 30 Tage kostenfrei testen

Destinationen

Unsicheres Deutschland?

Fragwürdiges Abschneiden beim Travel & Tourism Competitiveness Report 2017

Das Frühjahr ist traditionell die Zeit der Rankings und Reports. Wir haben bereits über das aktuelle Meeting und Eventbarometer der deutschen Veranstaltungsindustrie berichtet. Kürzlich erschien auch der weltweite Travel & Tourism Competitiveness Report (T&T Report) des World Economic Forum. In dessen Rahmen werden ebenso seit nunmehr elf Jahren für die MICE- und Eventbranche relevante Daten erhoben – etwas allgemeinerer Natur und global ausgelegt, versteht sich. Immerhin werden 136 Länder dieser Welt betrachtet und begutachtet.

Da aber der touristische Faktor ein mitentscheidender ist bei der Auswahl von Destinationen und Locations innerhalb der MICE-Branche, sollte man diesen keineswegs vernachlässigen. Denn was dem Urlauber lieb und teuer ist, ist dem Businessgast recht und billig. So ungefähr jedenfalls. Grundsätzlich haben ja alle Touristen und Geschäftsreisenden dieselben Bedürfnisse nach Komfort, Sicherheit, zufriedenstellendem Service und funktionierender Mobilität vor Ort. Dass dahingehend etwa Ruanda oder Tadschikistan schlechter abschneiden als die Bundesrepublik Deutschland, dürfte sich von selbst verstehen. Oder doch nicht?

Gefühlte Bedenken vs. tatsächliche Gefahr

Das Abrutschen Deutschlands im Sicherheitsranking auf Platz 51 und damit hinter die eben genannten Länder, erstaunt doch sehr. Gleich um 31 Plätze hat man sich damit in Bezug auf den Vorjahresreport verschlechtert. Dementsprechend groß war der Aufschrei in der einschlägigen Presselandschaft. „Vor allem die Angst vor dem Terror und die gefühlte Abnahme der Verlässlichkeit der deutschen Polizei haben zu diesem Ergebnis geführt. Viele Unternehmer fürchten natürlich, dass durch den Terrorismus ihr Geschäft leiden könnte“, sagt Roberto Crotti, Co-Autor der Studie.

Fakt ist, dass das Attentat vom Berliner Weihnachtsmarkt Ende 2016 noch gar nicht in den aktuellen Report miteingeflossen ist. Dieser zieht zwar auch objektive Zahlen heran, ist aber in großem Maße abhängig von der subjektiven Meinung der befragten Unternehmer aus aller Welt. So ist etwa die Silvesternacht von Köln 2015/16 zum globalen Medienereignis hochstilisiert worden, von dem sogar in Japan ausführlich berichtet wurde. Das zeigt, wie sehr sich ein Ereignis dieser Art in den Köpfen der Menschen festsetzen kann, die in derselben Zeit eben nichts von sicherheitsrelevanten Vorfällen in Ruanda oder Tadschikistan gehört haben. Ist ja auch lange nicht so interessant wie Reportagen aus der größten Exportnation der Welt, die im Gesamtranking der Wettbewerbsfähigkeit der wichtigsten Tourismusdestinationen der Welt hinter Spanien und Frankreich Rang drei belegt.

Wertungen wie diese sind also mit Vorsicht zu genießen, aber in ihrer Wirkung trotzdem nicht zu unterschätzen. Denn Image ist alles und mit angekratztem Image geht es ganz schnell den Bach bzw. das Ranking runter, wie der T&T Report 2017 beweist. Speziell zum Thema Sicherheit lässt sich sagen, dass es so etwas wie eine gefühlte und eine objektive Sicherheit gibt. Ein, zwei medial wirksame Vorfälle genügen, um ein Land seiner touristischen Kreditwürdigkeit zu berauben. Entsprechend hat sich Deutschland auch in der Rubrik internationale Offenheit um sechs Positionen auf Rang 18 verschlechtert.

Deutschland als Motor, Europa on top

Lassen wir den Sicherheitsaspekt einmal außen vor, steht wohl außer Frage, dass Deutschland in Sachen landschaftlicher und städtebaulicher Attraktivität nicht ganz mithalten kann mit vielen anderen Ländern der Welt. Denn vielerorts hat der Zweite Weltkrieg weniger Zerstörung hinterlassen, ist das Klima wärmer, das Meer türkisener, die Natur ursprünglicher. Der Absturz bei den natürlichen Ressourcen um gleich 17 Positionen im Vergleich zum Vorjahresreport ist dennoch nur schwer erklärlich.

So oder so punktet Deutschland vor allem mit seiner wirtschaftlichen Bedeutung und einer hervorragenden Infrastruktur. Den internationalen Spitzenplatz belegt man in der Rubrik Gesundheit und Hygiene, Platz fünf heißt es bei der Verkehrsinfrastruktur, Platz sechs im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit und die kulturellen Ressourcen, Platz sieben beim Arbeitsmarkt. Klar, dass Deutschland mit seinen vielen internationalen Leitmessen vor allem bei Geschäftsreisenden und damit auch innerhalb der MICE- und Eventbranche besonders gefragt ist. Nachholbedarf scheint jedoch im Bereich moderner Informations- und Kommunikationstechnik zu bestehen (Platz 21). Die hierzulande vergleichsweise nur schwer in Gang kommende Digitalisierung wurde auch in anderen Umfragen als Kritikpunkt angemerkt.

Mit gleich sechs Ländern unter den Top Ten im Gesamtranking sieht sich Europa generell bestens aufgestellt im Wettbewerbsvergleich der wichtigsten Tourismusdestinationen. Eine kontinuierliche Verbesserung im Langzeitvergleich verzeichnen vor allem ostasiatische Nationen. Japan kletterte binnen Jahresfrist sogar um fünf Plätze und landet knapp hinter Deutschland auf dem vierten Platz. Natürlich liegen auch andere Industrienationen wie die USA, Kanada und Australien im Ranking weit vorne. Erst auf Platz 22 folgt mit Mexiko das erste sogenannte Schwellenland. Insgesamt wurden im zurückliegenden Jahr 1,2 Milliarden international reisende Gäste verzeichnet. Der komplette, 387 Seiten starke Travel & Tourism Competitiveness Report lässt sich rechts in unserer Download-Box herunterladen.


Das könnte Sie auch interessieren:

Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 24.05.2017


Verfasse einen Kommentar

×

×