„Niemand ist eine Insel“
Sustainable Island - oder wie England als MICE-Destination trotz Brexit der EU näher rückt
„EVENTS ARE GREAT Britain“ - ist der Name der aktuellen Kampagne von Visit Britain für den MICE-Sektor und es tut sich überraschend viel auf dem Markt. Die Hauptdestinationen im Königreich waren stets London und die schottischen Highlands. London selbst rief jedoch oft Preise auf, die selbst das großzügigste Budget erzittern ließen.
Der Rest von Großbritannien ist eher unbekanntes Terrain. Vor dem geistigen Auge erscheinen Bilder schöner Landschaften aus kitschigen Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen. Ein touristisches Terrain für Busgruppen und ältere Reisende mit einem Hang zu Blümchenmuster und Landschaftsgärten und einer unerschrockenen Akzeptanz für miefige Hotels mit durchgesessenen Ledersofas, die ihre besten Tage lange hinter sich haben.
Der Südwesten mit der Kombination der Städte Bristol und Bath ist ein hervorragendes Beispiel für eine äußerst positive Entwicklung, die mit dem angestaubten Image Schluss machen und offen sind für zukunftsgerichtete B2B-Formate.
Bath – Weltkulturerbe und gar nicht verschlafen
Zuletzt war ich vor 20 Jahren in Bath und es scheint suspekt, das Stadtbild ist nahezu unverändert. Das liegt vor allem am Bath Stone, mit dem alle Fassaden verkleidet sein müssen, was ein harmonisches Gesamtbild ergibt. Berühmt ist es für die einzigen heißen Quellen Großbritanniens, die schon die Römer schätzten. Die Atmosphäre in der Innenstadt ist regelrecht mediterran, viele Einzelhandelsgeschäfte locken mit ihren Angeboten, Straßenkünstler runden das Bild ab.
Nachhaltigkeit First - für das Budget und die Umwelt scheint Bath gebaut. Busse oder Taxen kann man sich sparen, von City Sightseeing bis zur Erreichbarkeit der Venues, alles ist fußläufig zu managen, CO2- und budgetneutral. Wirklich alle interessanten Locations sind in hervorragendem Zustand und das Management sehr offen für jegliche Ideen zur exklusiven Nutzung. Das antike Römerbad lädt abends mit Ölfackeln beleuchtet zum stilvollen Cocktail. Der Pump Room mit Bühne verfügt über ein hervorragendes Gastronomieangebot, nicht nur zum High Tea. Die Assembly Rooms und das darin beherbergte Fashion Museum offerieren ein königliches Ambiente unter tonnenschweren Kristalllüstern, aber nahezu skandinavisch reduzierter Farbgebung. Der ehemalige Bahnhof Green Park Station bieten eine riesige, glasüberspannte Freifläche, die mitten in der Stadt eine gigantische Open Air-Fläche abgibt. Klassisches Galadinner ist ebenso möglich wie Festival-Appeal mit Gastronomie durch Foodtrucks, Festivalbühne und Flohmarktbuden, die Großgruppen ein einzigartiges Flair bieten. In der Guildhall finden sich Räumlichkeiten, wie sie englischer nicht sein könnten: Vertäfelung aus dunklem Holz, Samtpolster, schwere Teppiche und Vorhänge sowie teils festes Mobiliar. Aber eben das gibt selbst größeren Boardkonferenzen einen so gewichtigen Rahmen, dass es für ebenso gewichtigen Content ideal ist. Das „Thermae Bath Spa“ selbst wurde 2006 mit einem imposanten Kubus als Outdoorpool gekrönt, die klassizistische Fassade mit zurückhaltendem Glas ergänzt. Atemberaubend sind leider auch die Preise, aber für zwei Stunden Afterwork-Entspannung durchaus empfehlenswert.
Die Gastronomie ist durchweg hochwertig, das Bath Brew House bietet nicht nur Selbstgebrautes, sondern auch die klassische Pubatmosphäre. Diverse Restaurants setzen erfolgreich auf gehobene Küche bei moderaten Preisen, schönes Ambiente und einen sehr zuvorkommenden Service. Überhaupt ist Service ein spürbares Plus, wenn der Tischwein dem Gast nicht lieblich genug ist, gibt es eben ein großes Glas Dessertwein zum Hauptgang. Der Gast ist König und kann ebenso königlich übernachten. Das Flaggschiff der Hotellerie ist das APEX City of Bath Hotel, 4 Sterne, aber glatte 5 Sterne wert. Insgesamt 177 Zimmer von imponierender Größe um die 24 qm, erstklassige Function Rooms und ein äußerst engagiertes Personal. Das Hotel wurde vor einem Jahr eröffnet und bietet in Sachen Technik, Sound, Light und Video den State of the Art. Highspeed Internet garantiert jedem Tagungsteilnehmer optimalen Zugang, auch wenn 200 Laptops gleichzeitig glühen. Wer neben dem Plenum stets eine größere Anzahl an Breakout Rooms braucht, ist hier bestens aufgehoben. Ein kleiner Spa-Bereich mit Fitnessraum und Indoorpool bietet Entspannung nach getaner Arbeit.
Das Hilton Bath City, ebenfalls 4 Sterne, ist dem APEX leider nicht ebenbürtig. Im Bereich 5 Sterne ist das McDonald Bath Spa Hotel noch dem Anspruch der MICE-Branche entsprechend, doch dann wird es eng im City Center.
Bristol – Facettenreiches Angebot in Walking Distance
Bristol, die Hafenstadt mit einem hochmodernen internationalen Flughafen gilt als Tor zum Südwesten Englands. Ob Flughafen oder Bahnhof Temple Mead - kurze Wege, gerne auch auf dem Wasser, sind garantiert. Der Fluss Avon verbindet Bristol mit dem Meer, eine Tatsache, die traditionell für die Weltoffenheit einer Stadt spricht und auch für Bristol gilt. Wie in Bath, ist auch hier alles zu Fuß oder per Boot erreichbar, mit einer Ausnahme: Im Stadtteil Filton befindet sich das British Aerospace Luftfahrtmuseum, das die letzte 2003 stillgelegte BA Concorde beherbergt, die mit beeindruckenden Projektionen in ihrer Hall of Fame in Szene gesetzt wird. Ein Galadinner zu Füßen des einzigen zivil genutzten Überschallflugzeugs bleibt sicher unvergessen. Es war ein Meilenstein im Flugverkehr, doch abgesehen von der Katastrophe am 25.7.2000 ist gut, dass sie auch aufgrund ihres Schadstoffausstoßes nicht mehr aktiv ist.
Kultur pur, aber bitte zwanglos: Das Bristol Old Vic ist eines der ältesten Theater Europas und noch heute so unkonventionell wie seine Geschichte. Ohne Lizenz wurden die Tickets unter dem Ladentisch eines Schlachters verkauft, durch dessen Kellerräume man das Theater betrat. So unprätentiös agiert man noch heute und nicht nur kulturell hochwertvolle Formate finden Anklang und Unterstützung. Weitere Highlights Bristols sind für alle Zielgruppen reichlich vorhanden. Das Technikmuseum „We the Curious“ ist ein interaktives Museum und offeriert eine komplette Etage funktionaler Räume. Das variable Raumkonzept mit umlaufender Außenfläche und einem Wahnsinnsblick auf die Stadt ist attraktiv für kreative Raumkonzepte, abends auch unter Einbeziehung des Museums und Planetariums. Sportlich sieht man sich auch in der Pole Position: Das Multifunktions-Fußballstadium des Fußballvereins Bristol City wurde 1904 erbaut und bekam 2014-2016 ein gründliches Makeover mit beeindruckendem Ergebnis: Es verfügt heute über eine Vielzahl von spannenden Räumlichkeiten, vom Board Meeting für 12 Personen bis zur Konferenz für 1.000 Personen. Ein riesiger Exhibition Space mit über vier Metern Deckenhöhe und natürlich ein echtes Stadion runden das Angebot ab. Man kann hier natürlich auch einfach Fußball spielen.
Die Kreativen sind ebenfalls in Bristol daheim: Hier befinden sich die einzigartigen Aardman-Studions, die mit Wallace & Gromit, ChickenRun und Shaun the Sheep Animationsfilmgeschichte geschrieben haben. Lassen Sie doch mal Ihre Teilnehmer ein Schaf kneten! Das Bristol Old Vic ist ein 1766 gegründetes Theater, das exklusiv zu nutzen ist. Der StreetArt Künstler Banksy stammt aus Bristol und hat sich hie und da verewigt. Let’s Spray It - wäre doch ein Motto für ein hippes Event.
Einzig das Museumsschiff SS Great Britain, dessen Ingenieur Sir Marc Isambard Brunel in Bristol ein Lokalheld ist, konnte nicht als Eventlocation überzeugen. Die engen Räume unter Deck und die Oberdeckatmosphäre wollen sich auf dem Museumsprojekt nicht wirklich einstellen.
Die meisten Hotels in Bristol sind vorhandener Bestand und in aufwändige Refurbishing-Maßnahmen involviert. Das Mercure Bristol Grand hat den Prozess erfolgreich abgeschlossen und ist gelungen. Hotelneubauten sind geplant oder werden gerade realisiert, um das Spektrum zu erweitern. Das Meet Bristol Convention Bureau hat einen guten Überblick über das aktuelle und kommende Angebot. Ich habe das sehr gute Gefühl, dass „we can help you out“ keine reine Floskel ist, sondern ein ernst gemeintes Angebot an MICE-Projektleiter.
Erreichbarkeit und Transportlogistik
Die Strecke Berlin und Wien wird von EasyJet bedient, British Midland bedient die Strecken Frankfurt, München, Hamburg, Düsseldorf, Nürnberg und Saarbrücken. Mit 90 Minuten Flugzeit ab/an Frankfurt ist die Anreisedauer angenehm kurz. Teils werden die BMI-Flüge im Codeshare mit Lufthansa bedient, was Anschlüsse vereinfacht. Wermutstropfen ist die Flottengröße der Airline British Midland, die nur über 20 Fluggeräte der Typen Embraer ERJ mit 49 bzw. 37 Plätzen verfügt. Auch fehlt noch die ausreichende Taktung der Flugtage, um hier das Linienangebot vollends auszuschöpfen zu können. Bei großen Gruppenstärken, für die vor Ort hervorragende Räumlichkeiten geboten werden, wird man um eine Vollcharterlösung nicht umhinkommen, zumindest dann, wenn man überhaupt den direkten Luftweg wählen möchte. London mit vier Airports als Hub zu nutzen und mit der Bahn weiter ab Paddington ist ebenso eine Option.
Die Transportmöglichkeiten vor Ort sind dafür umso interessanter. Sowohl in Bristol wie auch in Bath sind die meisten Wege zu Fuß und somit klimaneutral zu bewältigen. Selbst die wenigen Buswege sind kurz, wobei man im Timing die Rushhour (8:30 bis 9:30 Uhr) an Werktagen unbedingt vermeiden sollte. Zwischen den Bahnhöfen Bath Spa und Bristol Temple Mead besteht eine Zugverbindung von nur 12 Minuten Fahrtzeit.
Und wo wir gerade beim Thema Bahn sind: Die Verbindung Köln - Bristol mit der Bahn durch den Eurotunnel dauert auch nur rund 8 Stunden. Bei frühzeitiger Abreise nach London wäre auch eine Citytour in London möglich, um dem Bahnhofswechsel von London St. Pancras International zur Paddington Station einen ansprechenden Rahmen zu geben.
Mein Fazit: Alles ist heute Statement. Kleidung, Auto, Wohnstil, was auf dem Teller liegt und eben auch eine Eventdestination. Ich bin der Überzeugung, dass speziell unsere Branche den jungen und engagierten Menschen in England zeigen kann, dass sie weiterhin zu uns gehören, weil sie Standards bieten, die wir in Europa suchen und brauchen, um unsere Kunden und Teilnehmer zu begeistern und zu binden.
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Bildquelle: Gabi Schares