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Meinung, Destinationen

MICE-Entwicklungsland Zypern

Insel der Götter lässt (kreative) Potenziale ungenutzt liegen

Zypern, die drittgrößte und östlichste Insel im Mittelmeer, ist eigentlich das perfekte Reiseziel für die sonnenhungrigen deutschen Incentive- und Kongresskunden: Das Klima verspricht den Gästen nahezu ganzjährig milde Temperaturen und eine hohe Zahl an Sonnenstunden. Kulturell und landschaftlich hat die Insel einen Facettenreichtum zu bieten, der mit den anderen Mittelmeer-Anrainern ohne Weiteres mithalten kann.

EU-Mitglied und Euro-Währung

Hinzu kommt, dass der kleine Inselstaat seit 2004 Mitglied der EU und seit 2008 des Euro-Währungsraums ist. Nicht nur deswegen ist Zypern seit vielen Jahren ein äußerst beliebtes Pauschalreiseziel für Briten, Deutsche und weitere Nordeuropäer. Leider blieb auch Zypern von der grassierenden Finanzkrise nicht verschont und kämpft auch dieser Tage vehement gegen die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise an. Umso mehr würde es Zypern ökonomisch auf die Sprünge helfen, wenn die darbende Wirtschaft von einem verstärkten Geschäftsreise- und MICE-Tourismus profitieren könnte.

Die Vorzeichen dieser Tage stehen dafür gut: Die Türkei, ja auch Russland, die U.S.A. und die nordafrikanischen Länder werden angesichts der politischen Spannungen von deutschen Besuchern weitestgehend links liegengelassen. In der Folge sind die beliebtesten Reiseziele der Deutschen - Spanien, Italien, Frankreich, etc. - derzeit derart überlaufen, dass buchungswillige Kunden sich mit fehlenden Kapazitäten und gleichzeitig rapide steigenden Preisen auseinandersetzen müssen und händeringend nach neuen Reisezielen im sicheren Europa Ausschau halten.

Inforeise des Convention Bureaus zeigt eher Schwächen statt Stärken

So lud das örtliche Convention Bureau - die Cyprus Tourism Organisation (CTO) - Mitte März internationale MICE-Planer aus ganz Europa zu einer viertägigen Inforeise nach Zypern ein, um die bei vielen MICE-Planern noch eher unbekannte Destination prominent auf die Landkarte für zukünftige Projektplanungen zu setzen. Bei solchen Anlässen wird eine Destination für gewöhnlich von seiner besten Seite präsentiert. Doch nach der Reise musste man leider zu dem Schluss kommen, dass Zypern entweder keine zeitgemäße Infrastruktur für MICE zu bieten hat oder - noch viel schlimmer - dass den teilnehmenden Planern eine möglicherweise vorhandene Infrastruktur nicht gezeigt wurde.

Das Ganze fängt bereits mit der Anreise an: Eine Destination innerhalb Europas, die für fast alle Quellmärkte nur über zeitraubende Umsteigeverbindungen erreichbar ist, hat gerade beim effizienzgetriebenen deutschen Kunden nahezu keine Chance! Denn wenn man für eine drei- bis viertägige Reise je Strecke rund acht bis neun Stunden unterwegs ist, schießt sich eine Destination bereits ins Abseits und die üblich verdächtigen gut erreichbaren Destinationen laufen ihnen ein ums andere Mal den Rang ab. Klar: Dazu bedarf es auch einer politischen Willensbildung, Einfluss auf Fluggesellschaften - etwa über Subventionen - und die Reiseindustrie zu nehmen.

Infrastruktur nicht mehr zeitgemäß

Doch auch vor Ort muss alles stimmen: Jetzt ist es nichts ungewöhnliches, dass ein Convention Bureau sich bei Inforeisen in der schwierigen Zwickmühle befindet, den zahlungskräftigen Mitgliedern aus Hotellerie und Kongresshäusern eine entsprechend angemessene Sichtbarkeit zu geben. Wenn das aber dazu führt, dass man ausnahmslos altbackene, nicht zeitgemäße Hotels und Kongresslocations vorführt, wächst der Zweifel, ob es auf der Insel überhaupt passende MICE-Infrastruktur gibt.

Auch hier ist klar, dass sich eine gebaute Infrastruktur nicht von heute auf morgen modernisiert. Dann muss eine Destination eben bei den weichen Faktoren punkten wie der Servicementalität, dem Essen, den Aktivitäten, etc. Doch auch hier bleibt der Eindruck zurück, dass die örtlichen Anbieter es einfach nicht besser wissen oder gar können. Ein gemeinsamer Workshop mit den Anbietern förderte in den dort geführten Gesprächen zu Tage, dass das Know-how über das heutige Anspruchsdenken von MICE-Kunden einfach nicht vorhanden ist. Hier kommt für die Insel sicher erschwerend hinzu, dass man sich über Jahre hinweg im florierenden Pauschalreise- und Kreuzfahrttourismus ein komfortables Nest gebaut hat. Nun bleiben die Kreuzfahrer wegen der Türkeikrise aus und man denkt, man könne die freigewordenen Kapazitäten mit dem MICE-Segment wieder füllen.

Aufklärung und Beratung tut Not

Es braucht also Aufklärung, Unterstützung von außen und sicher auch ein Stück weit Kreativität: Die Tatsache, dass die Insel seit Mitte der 1970er-Jahre nach der Besetzung des Nordteils der Insel durch die Türken ein geteiltes Land ist, lässt Erinnerungen an die deutsche Geschichte wach werden. Die schmerzvolle Trennlinie mitten durch die Inselhauptstadt Nikosia mit Wachposten, Grenzzäunen und bis unter die Zähne bewaffneten Soldaten wird von den Zypriotern gerne totgeschwiegen - ein unrühmlicher Anblick, den man den neugierigen Teilnehmern der Inforeise lieber nicht zeigen möchte.

Kreative Potenziale in Szene setzen

Dabei braucht es nur ein wenig Fantasie, den teils morbiden Charme der in den Grenzbereichen heruntergekommenen Hauptstadt in Szene zu setzen und zu neuem Leben zu erwecken: Denn es fehlt einzig an der werthaltigen Story, die man dazu erzählt, um damit einen werteorientierten Kunden abzuholen. Denn wo kann man dieser Tage besser die Geschichte von Frieden und Völkerverständigung zum Leitmotiv einer unter CSR-Gesichtspunkten inszenierten Reise entwickeln, als in dem Land, wo sogar in der Nationalflagge zwei Olivenzweige als Symbol der Hoffnung auf Frieden verewigt sind?

Viele lokale Gewerbetreibende, Gastronomen und Geschäftsinhaber haben die brachliegenden Zwischenräume der Hauptstadt mit pulsierenden Bars, trendigen Shopkonzepten und kreativen Zwischennutzungen vitalisiert. Der Geist der Aufbruchstimmung ist an jeder Straßenecke spürbar. Diesen Schatz zu bergen und für kreative Eventkonzepte im MICE-Bereich zu nutzen, öffnet neue Chancen für eine in vielen Bereichen unterentwickelte Destination. Und gut moderiert schafft es für Besucher und Gäste ein Bewusstsein für die letzte unbefriedete Grenze im Herzen Europas und Zuversicht und Hoffnung für die Einheimischen.


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Bildquelle: MICE Club

Autor: Dominik Deubner

Veröffentlicht am: 23.03.2017


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