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Porträt

„Die Inszenierung fängt bei jedem einzelnen Gericht an, jeder Teller ist ein in sich geschlossenes Kunstwerk"

Berufsbilder in der Eventbranche: Heute im Gespräch Koch und Küchendirektor Kay Schoeneberg

Kay Schoeneberg ist seit 2006 bei Kofler & Kompanie als Executive Head Chef, Küchendirektor, tätig. Im Jahr 2006 fand die Fußball-WM in Deutschland statt und Kay wollte bei einem Event dieser Kategorie die Hospitality mitgestalten. Diesen Wunsch hat er sich bei Kofler & Kompanie verwirklichen können und entwickelt seitdem, inzwischen als Executive Head Chef, unvergessliche und fantasievolle Cateringkonzepte.

MICE Club: Arbeiten, wenn andere frei haben, Schichtdienst und harte Lehrjahre. Der Kochberuf hat seit Jahren einen Spitzenplatz auf den Ranglisten der unbeliebtesten Ausbildungsberufe – warum bist Du Koch geworden?

Weil ich mich für Lebensmittel begeistere und es extrem spannend finde, was man mit guten Zutaten alles machen kann. Ich komme aus der ehemaligen DDR, bin ein Wendekind und mit dem Mauerfall waren da plötzlich so viele unbekannte Produkte und neue Möglichkeiten. Deswegen habe ich nach meiner abgeschlossenen Ausbildung als Werkzeugmacher noch eine Kochlehre begonnen.

Sicherlich hat meine Begeisterung für Lebensmittel auch damit zu tun, dass wir in der DDR nichts hatten – oder sagen wir mal, wenig. Positiv ausgedrückt haben wir den Trend zur Saisonalität und Regionalität damals schon vorweggenommen (lacht). Ernsthaft, wir waren schon sehr limitiert, abseits der Konserve existierten wenig Möglichkeiten für kreatives Kochen. Auch in der Gastronomie nicht, abgesehen von den paar Interhotels, aber die waren damals für mich unerreichbar. Ab und zu hattest Du vielleicht mal ein Kochbuch aus dem Westen in der Hand und dann überlegst Du Dir, wie wohl ein Thunfisch-Tartar schmecken könnte oder wie richtige Südfrüchte riechen, schmecken und aussehen. Die kannten wir ja nur aus Aromazusätzen. Und dann war ich 1989 im ersten West-Supermarkt und verblitzte mir die Augen. Spätestens da war klar: Jetzt muss ich Koch lernen.

Wobei, viele mag das erstaunen, meine Ausbildung als Werkzeugmacher leistet mir bei meinem jetzigen Beruf auch gute Dienste. Catering ist ganz viel Bastelei, Tetris oder Puzzle. Mein Auge für's Detail, Abstraktionsvermögen und die Fähigkeit Pläne zu lesen, kommen mir sehr zugute.

MICE Club: Arbeitest Du deswegen im Eventcatering, weil Du hier Deine Fähigkeiten am besten einsetzen kannst?

Meine Fähigkeiten und auch meine Ideen, genau. Es ist vor allem die Abwechslung, die mich fasziniert. Ich muss mich ständig auf die Veränderung der örtlichen Gegebenheiten und auf neue Situationen einstellen. Und ich mag die Pausen zwischen den aufwändigen Einsätzen, finde es gut, dass wir klar definierte Projekte haben. Unsere Events haben einen Anfang und ein Ende, anders als das Projekt „Speisekarte“, das mit wenigen Änderungen monatelang durchgezogen wird. Klar, manchmal nervt es auch, immer wieder neu kann auch anstrengend werden. Wir können nicht auf Standards zurückgreifen. Weil jedes Projekt neu und einzigartig ist, kommt es fast nie vor, dass Räumlichkeiten und/oder Gästerahmen eine so hohe Deckungsgleichheit haben, dass wir etwas „nochmal“ machen können. Habe ich eine Küche, zwei Küchen, mit welchem Personal arbeite ich, wo kriege ich den Strom her …? Wir fangen im Catering bei Basics an, über die sich kein Restaurantkoch jemals Gedanken machen muss, müssen Wege planen, Equipment, Kühlungen …

Das macht den Job anstrengend, aber auch zu etwas ganz Besonderem. Und die Begeisterung überwiegt, sonst würde ich ihn ja nicht seit Ewigkeiten machen.

MICE Club: „Die Kreation von Genussmomenten im In- und Ausland ist immer wieder die Entdeckung einer neuen Welt“, lese ich auf Eurer Homepage. Wie trägst Du als Koch zu dieser Kreation von Genussmomenten bei – Speisenauswahl, Farbgebung, Nachhaltigkeit, Regionalität, Motto? Wieviel Einfluss hast Du / möchtest Du haben?

Ich habe viel Einfluss und möchte das auch so, schließlich gebe ich die Speisen vor. In der Regel brainstorme ich mit dem Verkaufsteam und / oder der Projektleitung über Kundenwünsche. Gibt es Corporate Colours, gibt es ein Motto, was ist der Anlass, die Aufgabe, die Zielgruppe des „Genussmoments“? Danach kann ich die Speisenvorschläge konzipieren und die tragen sehr stark die Handschrift des Kochs.

MICE Club: Was ist denn Deine Handschrift?

Authentische und hochwertige Produkte zu verarbeiten, an denen ich selbst Spaß habe und in der Verarbeitung den Erzeugern Respekt zu zollen. Catering ist anders als À-la-Carte – durch die Vielseitigkeit ist eine individuelle Handschrift des Kochs schwerer erkennbar, weil es nicht „den Stil“ gibt, wie ihn zum Beispiel eine Nationalitätenküche aufweist. Wir setzen ganz verschiedene Schwerpunkte, mal asiatisch, mal mediterran. Sehr breit gefächert und für ein ebenso breites Publikum, so dass für Jeden etwas dabei ist, sein individueller „Genussmoment“.

MICE Club: Catering ist nicht nur „leckeres Beiwerk“ von Events, die Präsentation von Speisen erhält zunehmend Eventcharakter. Wie bist Du als Koch in die Inszenierung der Speisen eingebunden?

Stark, denn die Inszenierung fängt bei jedem einzelnen Gericht an, jeder Teller ist ein in sich geschlossenes Kunstwerk. Zum Beispiel die Wahl des Tellers – der „Bühne“ sozusagen – flach, hoch, welche Größe, welches Porzellan? Extrem spannend finde ich die Möglichkeiten der Inszenierung am Tisch selbst. Wir können ein Gericht mit einer Rauchglocke in Szene setzen, können auf verschiedene Arten anreichen, angießen. Wir können den Gästen die Möglichkeit geben ihr ganz eigenes Gericht am Tisch zu konfektionieren, mit individueller Schärfe oder Säure. Dann wird das Customizing zum Act, zur Inszenierung.

Auch im Buffet ist ganz viel Inszenierung, bei Kofler meistens im Rahmen eines großen Live-Blocks. Damit beziehen wir die Gäste in die Zubereitung der Speisen ein, sorgen für Frische, für Kreativität. Aktuell arbeite ich gerne mit Poké – eine Art Hawaiianischem Sushi. Hier können die Gäste ihre Komponenten selbst und frisch auswählen und wir bereiten dann live zu.

MICE Club: … und stehen im hawaiianischen Baströckchen am Buffet?

Äh, eher nein. Natürlich nur aus Gründen der Arbeitssicherheit bleiben wir lieber bei der klassischen Kochkleidung, die gibt es ja mittlerweile in fast allen Farben. Beim Serviceteam sind wir da deutlich freier und kreativer in der Ausstattung, wobei wir das Baströckchen noch nicht ausprobiert haben. Kommt vielleicht noch.

MICE Club: Jedem Topf seinen Deckel. Das gilt natürlich in der Küche. Wie ist es mit „Jedem Kunden sein „Foodkonzept“? Fingerfood, Gabel-Food, Streetfood, Live-Cooking, Molekular, from the garden to the kitchen, Pop Up … all diese Foodkonzepte sind toll und sinnvoll – im richtigen Rahmen. Kannst Du uns erklären, welche Konzepte Du wann und wie einsetzen würdest?

Du hast natürlich Recht, sie sind alle toll und sinnvoll, jeweils in Abhängigkeit von den Möglichkeiten der Location, vom Sinn und Inhalt des Events und von der Gästestruktur. Habe ich ein junges, dynamisches Start-up, dann sehr gerne Streetfood, gut präsentiert und am besten mit einem Bezug zur Herkunft und Region des Unternehmens. Flying Buffets oder Live-Cooking sind sehr kommunikative Konzepte. Wenn Planer möchten, dass die „Crowd“ sich mischt, die Gäste in Bewegung sind, dann sind sie mit diesen Konzepten richtig. Auch der Zeitpunkt kann das Foodkonzept beeinflussen. Haben die Gäste zum Beispiel einen langen Messetag hinter sich? Dann plane ich keinen Stehempfang, nach so einem Tag will jeder sitzen. Auch konservativere Branchen bevorzugen das Seated Dinner. Aber „gesetzt“ muss ja nicht starr oder steif sein, auch hier kann ich am Tisch selbst mit Live Acts ganz viel machen, das habe ich ja eben schon erklärt. Ich kann mit meinen Köchen ein Liveprogramm zum Menü gestalten, allerdings nur, wenn das im Rahmenprogramm eingeplant und berücksichtigt wird. Daher ist es für mich wichtig, im Dialog mit den Agenturen zu sein, die sind ja bei Corporate Events meistens mit im Spiel und geben uns oft einen Rahmen vor.

MICE Club: Wie ist Dein Eindruck, wandelt sich der Kundenwunsch auch aus Gründen der Nachhaltigkeit (weil besser planbar) zum Menü?

Hm, das wäre schön, ist aber nicht so. Das Büffet steht für die oben schon erwähnte Möglichkeit, für jeden Gast seinen „Genussmoment“ zu bieten. Das Büffet ist die nicht enden wollende Vielfalt – geht nie aus. Eigentlich müsste es aber mal ausgehen, wenn ich hochwertige Produkte einsetze und richtig kalkuliere. Wenn also nix ausgehen darf, dann geht das oft zu Lasten der Qualität. Ich mache das anders, ich setze auch beim Büffet auf Qualität und sage dann lieber „Wenn weg dann weg“ – und dann sind halt nur 30 Personen in den Genuss der Dorade gekommen.

MICE Club: Nachhaltigkeit, Regionalität, „Bio“ – der Gast wird immer anspruchsvoller und will genau wissen, woher die Speisen, Fleisch und Gemüse kommen. Wie gehst Du damit um?

Das sind wichtige Fragen, die uns auch immer öfter gestellt werden und die wir unseren Lieferanten auch immer öfter stellen. Letztlich könnten wir genau sagen, wo unsere Speisen herkommen. Betonung auf könnten, weil es natürlich oft zu aufwändig ist – in den Mengen, mit denen wir arbeiten, beziehen wir das Gros unserer Produkte natürlich von Großhändlern unseres Vertrauens, die wiederum deutschlandweit einkaufen. Regionale Produkte sind besonders spannend, schränken aber natürlich auch ein. Nehmen wir als Beispiel mal den Fisch in der Region Berlin/Brandenburg. Wenn ich Karpfen mag, OK. Aber schon der Zander ist mittlerweile so selten, dass er Delikatessenqualität hat, das muss dem Kunden klar sein, das muss er wollen. Regionale Garnelen verarbeiten wir zurzeit oft, die sind von sensationeller Qualität und hier in der Umgebung ist auch viel Forellenzucht. Aber dann wird es auch schon schwierig. Genauso ist es mit der Saisonalität, was mache ich jetzt im Winter – Wurzelgemüse, Sellerie, Kohl? Wo bekomme ich die Vielfalt her, die der Kunde (meistens) erwartet, das Überraschende, die Inszenierung? Ein Kohl bleibt halt ein Kohl, da bin ich immer in einem Produktkreis, den ich schwer durchbrechen kann. Trotzdem ist es natürlich möglich und auch spannend, auf Kundenwunsch mit dem Fokus auf Regionalität und Saisonalität zu arbeiten – es ist aber ein anderer Fokus, das muss klar sein.

MICE Club: Unsere Leser lieben „Geschichten aus dem Nähkästchen“ – kannst Du von einem lustigen Anlass oder einem großen Fauxpas erzählen?

Na ja, solche Stories werden meist erst mit Abstand lustig. Ich erinnere mich an meine Anfänge im Catering und an eine große Produktpräsentation im Großraum Hamburg. Wir haben in Hamburg vorbereitet und wir Köche sind dann abends noch die 230 km gefahren, die Logistik mit den Speisen sollte morgens nachkommen. Die kam aber nicht! Und wir standen mit 150 Leuten da, denn der Kunde hatte seine gesamte Belegschaft zur Verkostung eingeladen. Da fängt man schon extrem an zu schwitzen, zumal wir lange nicht wussten, was los ist. Was war passiert? Der LKW war liegengeblieben, der Fahrer suchte lange (damals noch) eine Telefonzelle, die Kollegen mussten auf der Autobahn umladen und wir haben vor Ort das Ganze mit Getränken überbrückt, die hatten wir glücklicherweise dabei. Als die Speisen dann sieben Stunden später eintrudelten, war die Gruppe der Verkoster deutlich dezimiert, dafür aber gut gelaunt. Schlussendlich hatte die Verkostung mehr Partycharakter als nüchterne Speisenbewertung. Den Auftrag haben wir jedenfalls bekommen. Trotzdem bin ich sehr froh, dass wir mittlerweile Mobiltelefone haben, die machen uns vieles einfacher und entspannen manche Situation.

MICE Club: Apropos entspannen - wenn alles zeitgleich fertig sein muss, wird es schnell hektisch. Ich frage mich oft, wie Ihr das in den Großküchen hinbekommt, ein Menü für mehrere Hundert Gäste stressfrei zu servieren. Aber mal unter uns – so richtig hektische Momente gibt es doch trotzdem, oder?

Es gibt hektische Momente, definitiv. Meistens dann, wenn Budgetzwänge verhindern, dass wir genug Equipment und / oder Zeit haben. Oder die schiere Menge dafür sorgt, dass eine dringend benötigte Zutat verschwunden bleibt. Unser Klassiker: Jeder hat's gesehen, jeder weiß, dass es da ist, aber keiner weiß wo. Das kann auch schnell passieren, wenn bei 2.000 Lebensmitteln ausgerechnet eine 100 g-Dose mit „Irgendwas“ gesucht wird. Aber ich versuche so zu planen, dass wir nicht unnötig in Rage geraten, der Beruf ist anstrengend genug. Sonst gehen die Mitarbeiter eher früher als später doch lieber ins À-la-Carte-Geschäft. Da weißt Du jeden Tag, was Du tun musst, wo Du das tust und mit welchem Equipment.

MICE Club: Sind eure Berufsanfänger auf diese Hektik eingestellt? Anders gefragt: Was rätst Du BerufsanfängerInnen, die Koch/Köchin werden möchten, worauf sollen sie achten?

Sie sollen sich vor allem nicht von den vielen Kochshows im Fernsehen irreführen lassen. Das ist nicht das Berufsbild! Wer tatsächlich eine Leidenschaft für Lebensmittel hat, der oder die kann bei uns richtig sein. Man sollte sich trotzdem mindestens zwei, besser drei unterschiedliche Betriebe in einem Praktikum anschauen und selbst erfahren, was die dort unter Kochen verstehen. Wir jedenfalls freuen uns über jeden Praktikanten, der glaubwürdig versichert, dass er oder sie Spaß an Lebensmitteln hat und respektvoll damit umgeht. Wir brauchen ambitionierten Nachwuchs, da präsentieren wir uns gerne von der Schokoladenseite.

MICE Club: Lieber Kay, danke für das Gespräch. Und um nochmal zu verdeutlichen, wie Dein Alltag so aussieht – was machst Du denn heute noch?

Nach diesem Interview mit Dir führe ich jetzt gleich eine Skype-Konferenz mit den Kollegen in Russland. Wir planen das Catering zur Fußball-WM. Dann führe ich zwei Bewerbungsgespräche und heute Abend koche ich auf einer Veranstaltung hier in Berlin – halt ein ganz normaler Tag im Catering. :-)


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Bildquellen: Kofler & Kompanie, Andreas Bohlender

Autor: Andrea Goffart

Veröffentlicht am: 12.04.2018


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