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Themensammlung - Change-Kommunikation

Die Innovation der Innovation

Schaffe Organisationen, die weniger innovationsfeindlich sind als bisher!

Die Online-Plattform für Zukunftsideen changeX behandelt Themen des Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft. In Kooperation mit dem MICE Club veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen spannende Beiträge unseres Content-Partners, wenn wir diese für unsere Leserschaft interessant finden.

Dieser Essay ist ein Destillat der wichtigsten Thesen Wolf Lotters zu Innovation und Organisation aus seinem neuen Buch Innovation, extrahiert und zusammengefasst von Winfried Kretschmer, der das Buch ausdrücklich zur vollständigen Lektüre empfiehlt.

Organisationen sind nicht für die Erneuerung gemacht. Ihr Zweck ist es, ihren Zustand zu erhalten. Innovation und Organisation sind ein Widerspruch. Eine Innovationsgesellschaft kann nur versuchen, ihre Organisationen möglichst wenig innovationsfeindlich zu gestalten. Indem diese Störung zulassen und Störer fördern. Das ist die Aufgabe von Ermöglichern, einem neuen Typ Organisator von Talenten und Wissen, der sich wesentlich vom alten Manager unterscheidet.


Wir leben in Organisationen, die nicht für die Erneuerung gemacht sind. Der Zweck der klassischen Organisation ist es, ihren Zustand zu erhalten. Veränderung bedeutet zuallererst Gefahr und wird nur pro forma geduldet.

Das wahre „Innovator’s Dilemma", um Clayton M. Christensens berühmten Buchtitel aufzugreifen, ist, dass sie immer stärker in ein Korsett der Kontrolle und des Sicherheitsdenkens gepresst werden. Das Dilemma der Innovatoren ist, dass ihre Erneuerungsarbeit stets mit altem Maß gemessen wird. Das hat viel mit alten Gewohnheiten zu tun, mit dem Geist der alten mechanistischen Weltsicht, die die Ära der Industriegesellschaft so prägte. Für die Wissensgesellschaft brauchen wir allerdings andere, neue Kulturtechniken und Sichtweisen. Die Wissensgesellschaft dreht sich um den menschlichen Faktor, um die Person, das Individuum. Es verlässt die Zone der Massenkultur. Es gilt nicht nur die kulturelle Vorliebe zum Bestehenden zu überwinden. Das wird nicht einfach werden - und das Wort Paradigmenwechsel kommt einem dafür fast zu bescheiden vor.

Der Unterschied zwischen der Kultur der Industriegesellschaft, der Welt der Routinen, und jener, die für die Wissensgesellschaft gebraucht wird, die Unterschiede und Originale in den Vordergrund rückt, lässt sich am treffendsten mit einem Wort Peter Druckers klarmachen. Management bedeute „die Dinge richtig zu tun", Leadership hingegen „die richtigen Dinge zu tun".

Innovation ist eine Führungsaufgabe. Und der Schutz der Innovatoren vor den zahlreichen Besitzstandswahrern des alten Systems gehört ebenfalls dazu.

Krise der Organisation

Innovation entsteht nicht in PowerPoint-Präsentationen, in Seminaren, in langweiligen Meetings und anderen Absurditäten der Angestelltengesellschaft, sondern dort, wo Unternehmer arbeiten - ganz gleich, ob innerhalb einer Organisation oder außerhalb. Unternehmer im Sinne dieses Textes sind Selberdenker, Selbstermächtiger. Hier heißen sie Ermöglicher. Wer Innovation nicht verhindern will, muss Menschen sich frei entwickeln lassen. Das ist die schwierigste Übung von allen, denn sie widerspricht allen Regeln, die bisher in Gemeinschaften galten: von der Hierarchie, der Hörigkeit und der Abhängigkeit über genauestens definierte Arbeitsbeschreibungen und das zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herrschende Misstrauen bis hin zu Vorschriftsschildern oder der Stempeluhr.

Es ist eine Krise der Organisation, nicht des Systems. Nur ist die Organisation der sichtbarste, zentrale Teil des Systems geworden. Im Industriekapitalismus überlagert die Organisation alles: auch das Privatleben samt seinen Maximen und der Frage, ob man etwas besser machen kann oder nicht.

Organisationen - Unternehmen, Behörden, Gemeinschaften -, sie alle sind vor allen Dingen Ordnungssysteme, die auf eine bestimmte Art und Weise etwas tun und nach bestimmten Regeln handeln. Sie neigen zur Nichtveränderung und Statik. Damit ist das größte Hindernis auf dem Weg zu einer Innovationsgesellschaft benannt. Die Innovation ist in der alten Organisation eingeschlossen, sie wurde als Geisel genommen.

Innovation ist die Störung der herrschenden Verhältnisse zugunsten einer neuen Idee. Wahre Innovation beginnt, wo Menschen weiter denken, als es ihnen zugestanden wird. Die Aufgabe des Innovativen ist Systemstörung, nicht Systemzerstörung. Die Störung verfolgt den Zweck, auf vorhandene Defizite und Defekte hinzuweisen. Auf überholte Codes, auf Regeln, die mit der Wirklichkeit nicht mehr übereinstimmen.

Bislang haben Veränderer die Organisation nur verschieden interpretiert. Es gilt aber, sie grundlegend zu verändern.

Innovation und Organisation sind ein Widerspruch

Die Organisation ist die soziale Struktur, die die Leistungen, Interessen und die Arbeit von Menschen zu einem ganz bestimmten Zweck planvoll zusammenführt. Eine der grundlegenden Aufgaben von Management in der Organisation, so hat es Peter Drucker definiert, ist es, Menschen zu einer „gemeinsamen Leistung" zu bringen, und zwar in einer Art und Weise, bei der „ihre Stärken effektiv und ihre Schwächen irrelevant werden".

Es liegt im Wesen der Organisation, sich über den Menschen zu stellen. Max Weber hat in seiner „Herrschaftssoziologie" eine umfassende Analyse dieses Gebildes vorgelegt, in dem wir uns auch noch mehr als ein Jahrhundert nach seiner Beschreibung wiederfinden. „Eine einmal voll durchgeführte Bürokratie gehört zu den am schwersten zu zertrümmernden sozialen Gebilden", so hielt Weber fest. "Als Instrument der ‚Vergesellschaftung‘ der Herrschaftsbeziehungen war und ist sie daher ein Machtmittel allerersten Ranges für den, der über den bürokratischen Apparat verfügt." Organisationen führen zu Bürokratien.

Die Bürokratie aber ist der Atommüll der modernen Organisation. Man wird ihn nur sehr schwer los, und selbst dann ist das Zeug immer noch lange gefährlich. Diesen Mechanismus hat Weber zu Beginn des 20. Jahrhunderts beschrieben. Er ist seither noch mächtiger geworden. Der bürokratische Apparat macht den größten Teil des sogenannten Systems aus, von dem manche meinen, es handle sich dabei um einen Teil des Marktes oder des Kapitalismus. Tatsächlich sprechen wir von einem bürokratischen System, das sowohl in Behörden (Ämtern) wie auch in privatwirtschaftlichen „Betrieben" regiert. Weber weiß, dass man diesen Apparat weder einfach auflösen noch durch politische, soziale oder kulturelle „Revolutionen" überwinden kann. Denn der wichtigste Verbündete der bürokratischen Organisation und ihres Geistes ist die „Eingestelltheit der Menschen auf die gewohnten Normen und Reglements", sagt Weber.

Die Organisation läuft, wenn alles so bleibt, wie es ist. Damit ist klar: Es gibt keine innovationsfreundliche Organisation, keine erneuerungswillige Bürokratie. Innovation und Organisation sind ein Widerspruch. Wir müssen damit leben, aber uns klarmachen, wo das eine und wo das andere gebraucht wird. Und eine Innovationsgesellschaft wird sich extrem anstrengen müssen, ihre Organisationen so wenig innovationsfeindlich wie möglich zu gestalten. Das klingt vielleicht pessimistischer, als es ist. Denn daran arbeiten viele, bewusst und unbewusst, seit Jahrzehnten.

Wer genau hinsieht, der erkennt, dass sich in dieser Frage nicht nur das Gros der Management- und Transformationsliteratur widerspiegelt, sondern auch zum großen Teil das Streben von Managern und Leadern in dieser Zeit. Ganz gleich, ob in Staat oder Firma, dort weiß man längst, dass man mit den Mitteln der Massengesellschaft nicht mehr mit der Komplexität unserer Zeit fertigwird. Verzweifelt wird gesucht, gerungen, experimentiert. Nur ist das kaum im öffentlichen Bewusstsein und der Kultur angelangt, wo diese Transformationsbemühungen eher als widersprüchlich zur eigenen Lebenswirklichkeit empfunden werden. Aber niemand hat eine andere Lösung parat als diese: Weder kann eine komplexe Welt auf Organisationen verzichten noch auf Innovation. Man muss also ein Sowohl-als-auch denken, einen Fuß im Alten stehen haben, einen im Neuen. An diesem Widerspruch kommt niemand vorbei, man kann ihn nur ignorieren. Die grundlegende Problemlage ist: Die Organisation steht quer zur Innovation - und das ist natürlich auch Managern und leitenden Angestellten klar.

Freiraum, in dem sich Talente entfalten können

Der wichtigste Punkt auf der Agenda ist also: Schaffe Organisationen, die weniger innovationsfeindlich sind als bisher. Das beschäftigt Unternehmen und demokratische Regierungen übrigens heute mehr als jedes andere Problem.

Das Problem in Firmen wie in anderen sozialen Formationen unserer Kultur ist: Die Langweiler, Systemerhalter, Kreativitätsverweigerer werden zwangsläufig nach oben befördert. Kaum ein Unternehmen, so neuartig es sich auch geben mag, in dem letztlich nicht die Bürokraten die Macht an sich reißen. Nochmals: Die alte Organisation ist von und für Bürokraten gemacht. Sie ist innovationsfeindlich. Sie drängt Erneuerung an den Rand. Sie verträgt keine Kritik, weil die eine Veränderung des Status quo mit sich bringt. Die Zustandserhaltung aber ist heilig. Nicht zuletzt weil Generationen von mechanistischen Managern sich ihre Systemerhalter herangezogen haben. Es herrscht eine geradezu korporatistische Inzucht im Management, bei dem ein Bürokrat dem nächsten den Stab in die Hand drückt - auf Kosten der Kreativität und Innovationsfähigkeit der ganzen Organisation und der Menschen in ihr. Das ist kein Leadership, sondern ein permanenter Putsch gegen die Entwicklungsfähigkeit von Menschen und ihren Unternehmen.

Innovatoren brauchen zunächst einmal Erste Hilfe. Das ist keine Übertreibung. Der angesehene Berater Gerhard Wohland fordert für Talente und Innovatoren in Unternehmen schlicht einen „Schutzraum", einen Bunker. Dass es Inkubatoren, Entwicklungsabteilungen, Sonderprojekte, Thinktanks überhaupt gibt, zeigt, dass das ansatzweise begriffen wurde.

In einer Routineorganisation werden Kreativität und Innovationsgeist erstickt, das ist eine Binsenweisheit. Das Management ist in all die Bürokratiefallen getappt, die es sich selbst gelegt hat. Compliance, Selbstreferenz, die Beschäftigung mit Kleinkram und die Unselbständigkeit der „Mitarbeiter", die man provoziert hat, fallen auf das Management zurück und lähmen es. Davon kann man sich täglich nahezu überall in den Organisationen überzeugen.

Doch die Arbeit der Zukunft wird individuell sein, Kreativität einfordern und Innovationsfähigkeit - oder eben Angelegenheit von Automaten sein, welcher Art auch immer. Und die Organisationen, die hier erfolgreich mitspielen werden, sind jene, die ihren Mitarbeitern Selbständigkeit und Selbstorganisation ermöglichen. Der Deal ist: Ich gebe dir optimale Bedingungen, und du gibst mir Ideen, damit die Organisation funktioniert. Das ist ein gutes Geschäft für alle. Die kulturelle Innovation des Arbeitsverhältnisses ist in vollem Gang - und damit auch die Zukunftsfähigkeit der ehemaligen „Untergebenen". Sie verspricht den künftigen Selbst-Arbeitern jenen Freiraum, in dem sich Talente erst entfalten können.

Echte Bewegung

Nicht umsonst hat das Wort Agilität seit einiger Zeit Hochkonjunktur. Es ist zum Allerweltsbegriff geworden, der jedoch im Hinblick auf die Arbeitswelt eine Grunderkenntnis verdeutlicht: Wer ein Maß an Sicherheit und gleichzeitig Freiräume will, muss seine Beweglichkeit trainieren, um „zukunftsfähig" zu sein.

Agilität als Führungsprinzip, so definiert das Wirtschaftslexikon Onpulson, „ist die Fähigkeit einer Organisation, flexibel, aktiv, anpassungsfähig und mit Initiative in Zeiten des Wandels und Unsicherheit zu agieren". Kurz gesagt: Agilität bedeutet, nicht Pläne abzuarbeiten, sondern dynamische Strategien zu entwickeln.

Das Agilitätsthema ist kein Kind unserer Tage. In den 1950er-Jahren entwickelte der amerikanische Soziologe Talcott Parsons mit seinem AGIL-Schema ein systemtheoretisches Modell, wonach jedes System vier Grundfunktionen erfüllen muss, um sein Bestehen zu sichern. AGIL ist ein Akronym für Adaption (Anpassung), Goal Attainment (Zielverfolgung), Integration (Eingliederung) und Latency (Latenz, Aufrechterhaltung des Zustands).

Unter Anpassung versteht Parsons die Fähigkeit von Systemen, auf Ereignisse und Veränderungen von außen zu reagieren. Reagieren heißt zunächst Registrieren, dann Verstehen, welches fließend in Eigenaktion übergeht. Anpassung meint also nicht Nachahmung und Kopie, sondern Aneignung (noch) fremder intellektueller Inhalte ins eigene System, ins Denken, in die eigene Praxis.

Goal Attainment, die Zielverfolgung, könnte man auch den strategischen Bereich nennen, in dem Organisationen - wie Menschen - sich ihrer selbst vergewissern, also Sinn und Zweck ihres Handelns definieren und umsetzen. Die Forderung nach Anpassung beeinflusst hier aber auch die Ziele. Sie können nicht starr sein.

Integration ist die Fähigkeit der Eingliederung und der Kohäsion, also des Zusammenhalts einer Gruppe und Gemeinschaft. Sie definieren sich über "wir und die anderen", indem sie das Eigene und das Fremde trennen. Integration heißt nicht Vereinnahmung, sondern ermöglicht es, eigene Wege zu gehen, selbst zu entscheiden.

Latency ist Parsons vierter Pfeiler seines AGIL-Schemas. Latenz ist die Aufrechterhaltung und Erneuerung von Wertmustern. Das hat nichts mit dem sturen Beibehalten der alten Kultur zu tun, sondern mit dem Wissen, dass sich Werte stets weiterentwickeln.

Innovation ist Problemlösen

Die Fähigkeit von Systemen, ganz gleich, ob Unternehmen oder Volkswirtschaft, mit Neuem und Innovationen umzugehen, kann man schlicht ihre Innovationskompetenz nennen. Innovationskompetenz erweist sich an der Art und Weise, wie Systeme mit ihren Talenten umgehen. Denn Erfolg und Misserfolg aller Erneuerungstätigkeit hängt davon ab, ob es gelingt, Talente zu identifizieren und so mit Organisationen zu verbinden, dass dabei möglichst viel Innovationsfähigkeit entsteht. Das klingt logisch, ist aber in der Welt der Organisationen nicht in der Praxis angekommen. Kann Management eigentlich Wissensarbeit? Nein. Das hat es nicht gelernt.

Woher wissen Organisationen eigentlich, was ein Talent ist? Sie orientieren sich daran, welche Mitarbeiter im Unternehmen eine bestimmte vordefinierte Aufgabe erfüllen können, und fragen selten, was darüber hinaus getan werden könnte. Wer entscheidet denn in Organisationen über kreative Arbeit, Innovation und Talent? Die Mitläufer. Die Meister der Routine. Doch anders als in der Organisation der Massengesellschaft geht es nicht darum, die Begabtesten und Leistungsfähigsten an das Mittelmaß anzupassen. Der Eigensinn ist die Grundlage des Gemeinwesens der Wissensgesellschaft.

Talente suchen eine Kultur, deren Teil sie sein können, aber eben nicht mit dem Zweck, dieser Kultur dauerhaft anzugehören. Innovation ist Problemlösen. Es genügt nicht mehr, in die Organisation „hineinzudenken". Man muss mit dem Kunden reden, verhandeln, wissen, was er will. Damit erzeugt man einen wichtigen Rahmen für echte Innovation, die versucht, ein konkretes Problem zu lösen, ein wirkliches menschliches Bedürfnis zu befriedigen. Das Neue bekommt Sinn, indem es einen konkreten Zweck erfüllt.

Innovation ist Problemlösen - das sagt eigentlich alles. Es geht um Projekte. Ihre Entwicklungsarbeit ist nicht auf jene „Ewigkeit" abgestellt, die die Organisation für sich beansprucht. Erfolgt diese Arbeit in Unternehmen, dann müssen sie offen sein - anschlussfähig im wahrsten Sinne. Wer Talente will, darf sie nicht an Abteilungen fesseln.

Es spricht sehr viel dafür, Strukturen zu erproben, die einer Sozietät ähneln, in der Experten miteinander in Projekten arbeiten, selbständig oder organisationsgebunden. Der amerikanische Managementberater Gary Hamel erläutert: „Das Geheimnis besteht darin, eine große Organisation in viele kleine Einheiten aufzubrechen, damit sie als Ganzes anpassungsfähig bleibt." Die Firma als Ansammlung lose verbundener Einheiten - „genau so müssen moderne Organisationen aufgebaut werden", sagt Hamel. „Die Koordination (…) moderner Organisationen beruht nicht auf mehreren Management-Ebenen, sondern auf horizontaler Transparenz. Mitarbeiter erkennen, dass sie am selben Strang ziehen, und arbeiten zusammen." Eine traditionelle hierarchische Pyramide hingegen „ist nur dann nützlich, wenn alle Informationen von unten nach oben fließen, damit jemand an der Spitze die Entscheidung trifft. Das war einmal. Heute sind Informationen ohne Zeitverzögerung für alle zugänglich, deswegen sind Hierarchien irrelevant. Wir sind nur an sie gewöhnt."

Organisationen brauchen Ermöglicher

Ermöglicher sind eher Kuratoren des Wissens „ihrer" Leute als „Anführer" oder „Chefs". Sie bieten eine Dienstleistung für selbstbestimmte und selbständige Menschen an, die in Organisationen arbeiten. Die Ermöglicher beschreiben einen neuen Typ Organisator von Talenten und Wissen, der sich wesentlich vom alten Manager unterscheidet.

Sie organisieren das Management, das es natürlich auch in Zeiten der Wissensgesellschaft braucht. Sie suchen die „richtigen Dinge" aus, die dann die Kollegen vom Management „richtig machen" können. Management ist die Fähigkeit, Einheit und Stabilität zu organisieren, Leadership ist die Fähigkeit zur konstruktiven Störung dieser Prozesse durch die Anregung und die Förderung von Lösungsvielfalt - und, eben kein Widerspruch, die bestmögliche Orientierung aller Beteiligten.

Ermöglicher machen genau diesen Job. Als Führungskräfte nehmen sie die Kernaufgabe von Leadership wahr, sie stören die Branche, die Alteingesessenen, aber auch ihre eigene Organisation, Partei, Gesellschaft, indem sie, ohne Not und ohne Krise, „prophylaktisch die Organisation mit Irritation versorgen", so der Autor Reinhard K. Sprenger, damit „die Neuorganisationskräfte nicht erlahmen". Gleichzeitig schaffen sie die Eindeutigkeit, die Menschen eben wollen. Eindeutigkeit und Sicherheit entstehen, wenn man sich auf die neue Lösung einlässt. Damit das gelingt, muss das Leadership aber auch positiv diskriminieren. Die Innovatoren, die Talente, müssen eindeutig und ohne Wenn und Aber bevorzugt werden. Sie sind die eigentlichen kreativen Störer, die die bürokratische Endlosschleife unterbrechen, die von der Organisation immer wieder hervorgerufen wird.

Das bedeutet: Innovative Unternehmen halten Widersprüche aus. Sie ermöglichen eine Struktur der Vielfalt und fordern alle dazu auf, sich nicht mit dem zufriedenzugeben, was ist. Sie erwarten von ihren Leuten nicht, dass sie sich der Organisationskultur vollständig unterwerfen. Und sie sind bereit, Risiken einzugehen, Fehler zu machen. Das Mittel dazu ist das Experiment. Der Versuch ist das Grundwerkzeug der Moderne. Entwicklungsfähige Systeme probieren sich aus.

Die Arbeit der Ermöglicher besteht genau darin: die Angst vorm Fehlermachen nehmen. Das Experimentieren ermuntern. Das ist die eigentliche Arbeit. Probieren, Lernen, Weitergehen - und von vorn.

Ermöglicher heißt: Eine Innovationsgesellschaft braucht selbstbewusste Ichs, damit ein besseres Wir entstehen kann. Gemeinschaften, die miteinander kooperieren, weil sie es wollen - und nicht, weil sie es müssen.

Dieses Interview veröffentlichen wir in enger Kooperation mit der Online-Plattform changeX.


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Bildquelle: © Coverabbildung: Edition Körber

Autor: Winfried Kretschmer (Gastautor); Essay: Wolf Lotter

Veröffentlicht am: 04.10.2018


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