Der kulinarische Spagat
Die Cateringtrends 2018: von experimentierfreudig bis effizienzgesteuert
Mit dem Ende der diesjährigen Staffel der RTL-Serie „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“ und der damit verbundenen McDonald’s-Werbung hat das Thema Catering wieder einen besonderen öffentlichen Stellenwert erhalten. Nicht dass der Big Rösti, Reis mit Bohnen, fermentierter Fisch oder ausgebrütete Eier zu neuen Trends im Catering würden, aber eins ist klar: Nicht nur das Wohlbefinden von Dschungelcampern ist unmittelbar mit der Nahrungsaufnahme verbunden, sondern das positive Eventerlebnis von Veranstaltungsgästen rund um den Globus. Immer öfter steht das Thema Kulinarik auch im Mittelpunkt spezieller Eventformate, wie etwa beim allerersten MICE Club Gourmet Club vom 15.−17. März 2018 in Porto.
Wir widmen uns in diesem Artikel nicht nur den aktuellen Trendstudien von Carlson Wagonlit Travel (CWT) und dem R.I.F.E.L.-Institut, sondern auch der individuellen Betrachtung von Mitgliedern des Catering Guide. Die Gastro-Plattform wurde 2009 von Karin Wolffrom gegründet. Sie hat sich für das MICE Club-Magazin unter den dort vertretenen Caterern umgehört, was die neuesten kulinarischen Trends und Herausforderungen angeht.
Wonach hungert der Mensch?
Forscher und Köche experimentieren gleichermaßen mit Lebensmitteln aller Art, suchen nach immer neuen Leckerbissen und haben natürlich auch deren Massentauglichkeit im Sinn. Neue und wiederentdeckte Garmethoden und Aromen sind laut CWT im Kommen, alte Gemüsesorten und Wildkräuter genauso wie exotische Scharfmacher von Harissa bis Sambal. Fermentieren, Räuchern, Trocknen und Einsalzen, die Haltbarmachung mittelalterlicher Art – d.h. ohne Kühlung − gewinnt ebenso wieder an Zuspruch. Währenddessen werden Cocktails mit Lavendel und Smoothies mit Spinat angereichert, um am Ende vielleicht nicht jeden Gaumen zu beglücken, aber allen Gästen ein erstauntes „Ohhh“ zu entlocken.
Voll im Trend liegt jedenfalls die „Glokalisierung“, die den bekannten internationalen Standards bewusst entgegensteht. „Wie das Land, so das Essen“, könnte man behaupten. Immer mehr Hotels werben folglich mit lokalen „Farm to Table“-Angeboten und fahren gut damit. Was andererseits nicht heißt, dass Sie nicht auch österreichischen Bio-Reis oder schottischen Highland-Tee angeboten bekommen. Die hauptsächliche Verwendung regionaler und lokaler Produkte ist aber nur ein Aspekt; wenn es um das große Thema Nachhaltigkeit geht.
Luchterhand Bio-Catering zum Beispiel setzt komplett auf grüne Lebensmittel und arbeitet seit 2017 nicht nur ökologisch, sondern auch CO2-neutral. Firmenchef Björn Luchterhand freut sich darüber, dass Bio beständig auf dem Vormarsch ist. Er weiß aber auch um die Tatsache, dass Öko-Produkte bestenfalls nicht mehr kosten sollen oder dürfen als herkömmliche Nahrungsmittel. „Die Lösung ist dann oft ein einfacheres Catering, mit dem ich den Budgetrahmen einhalten kann,“ sagt er. Wenn „einfach“ am Ende aber „einfach gut“ ist, gibt es daran sicherlich nicht das Geringste auszusetzen.
Auch der Preis muss schmecken
Reden wir also über Preise. Weder Allergiker noch Vegetarier und Veganer sollen sich ausgegrenzt fühlen, wenn es ans Eingemachte bzw. ans Buffet geht. Zumindest ein bisschen Bio sollte des guten Gewissens halber drin sein. Oder was Lokales aus eigener Aufzucht. Oder was Originelles, das man so noch nie probiert hat. Die Ansprüche ans Catering steigen und damit auch die Kosten. Eventplaner und Caterer stoßen damit immer häufiger an ihre (Budget-)Grenzen.
Was also tun, wenn man nicht gerade Backfisch oder Reibekuchen auf dem Weihnachtsmarkt feilbietet? Das Tapas-Büffet mit vielen Kleinigkeiten ist laut CWT eine Lösung. Hier kann sich jeder nach seinen Vorlieben einen individuellen Teller zusammenstellen. Das Gesamtangebot sollte dennoch möglichst überschaubar bleiben, um die Kosten klein zu halten, ganz so, wie Björn Luchterhand es mit seinen Bio-Angeboten handhabt. Wer die Bedürfnisse unterschiedlicher Ernährungstypen nicht außen vorlassen will, hat jedenfalls einiges zu tun: nämlich die perfekte Mischung aus Vielfalt und Qualität zum möglichst günstigen Preis zu kreieren.
Zwischen Individualität und Effektivität
Das R.I.F.E.L.-Institut hat kürzlich eine großangelegte Studie zum Thema Catering veröffentlicht, die sich vor allem mit den Strukturen und Prozessen im Eventbereich auseinandersetzt. Daran mitgewirkt haben Mitglieder der „Leading Caterer“ (LECA) genauso wie die Technische Universität Chemnitz. Hier die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
- Catering ist nicht mehr nur „leckeres Beiwerk“ von Events, sondern steuert auch eigene Konzepte zur Inszenierung bei. Der konzeptionelle Anspruch wird in den nächsten Jahren weiter steigen. Die außergewöhnliche Präsentation der Speisen wird zunehmend selbst Eventcharakter haben.
- Das Gespür für gesamtgesellschaftliche Trends ist im Cateringbereich unverzichtbar. Diesbezüglich sollten Eventplaner stets auf dem Laufenden sein, um den aktuellen Lifestyle für sich zu nutzen und kreativ zu inszenieren.
- Jüngere Generationen bringen neue Ernährungs- und Konsumgewohnheiten ein, die auch das Catering beeinflussen. Nachhaltigkeit und Regionalität als Anforderung sind keine kurzlebige Modeerscheinung, sondern werden über lange Zeit stilprägend bleiben. Dasselbe gilt für vermeintlich besonders gesundes Healthy- und Super-Food.
- Die Digitalisierung wird zunehmend auch das Eventcatering erreichen. Prozesse im Bereich der Planungs- und Angebotsphase werden in den nächsten Jahren vollständig digitalisiert werden. Auch die Kundenintegration wird in den kommenden Jahren verstärkt über Onlinekanäle erfolgen.
- Die Notwendigkeit zur Steigerung der eigenen Effizienz bei gleichzeitig steigenden Kosten ist für Eventcaterer eine besondere Herausforderung, der in den nächsten Jahren mit qualifiziertem Personal und ganzheitlichem Prozessmanagement begegnet werden muss.
Die komplette Trendstudie steht übrigens unter www.rifel-institut.de zum Download zur Verfügung.
Spezialisierung zahlt sich aus
Wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch, ist Spezialisierung ein probates Mittel, um sich von der Konkurrenz abzuheben und sich am Markt zu behaupten. Das gilt nicht nur für Bio und Co., sondern umfasst die unterschiedlichsten Bereiche. Karin Wolffrom hat für uns einige Stimmen eingefangen:
Auf Messen essen – ein mitunter leidiges Thema, finden Sie nicht? Oder haben Sie abseits von separaten VIP-Bereichen auf Messen schon einmal fürstlich gespeist? Christina Herold, Geschäftsführerin der KREATIV Catering & Events GmbH, freut sich jedenfalls über das Revival des vor Jahren noch darbenden Messemarktes und setzt an der richtigen Stelle an. „Starke Marken haben starke Auftritte, die sich auch im Catering widerspiegeln sollten“, sagt sie. „Doch nicht nur die Besucher fühlen sich durch hochwertiges Catering wertgeschätzt, auch die Mitarbeiter an den Messeständen selbst. Teilweise wird dafür inzwischen sogar mehr Geld ausgegeben.“ Das scheint sich auszuzahlen, denn KREATIV versorgt Messestände in ganz Europa mit Speis und Trank.
Spezialisiert in einem ganz anderen Bereich ist Celebrate Streetfood. Gründer Jan Dinter startete 2013 als einer der ersten professionellen Anbieter mit einem einzigen Truck und seiner „Burrito Bande“ durch. Heute sind noch vier weitere Streetfood-Konzepte in seinem Unternehmen gebündelt. Die Entwicklung der eigenen Firma sieht Jan Dinter als wichtigen Schritt, um auch im hartumkämpften Eventmarkt mithalten zu können. „Durch Celebrate Streetfood können wir dem Kunden mehrere Konzepte aus einer Hand bieten, sodass auch größere Veranstaltungen mit bis zu 2.500 Gästen mit einer vielseitigen Speisenauswahl bedient werden können“, sagt er. „Gerade im Veranstaltungsbusiness möchte aber niemand seine Gäste mehr ausschließlich mit Burgern abspeisen. Daher ist ein breites Angebot an Vor- und Nachspeisen definitiv wieder wichtig geworden.“
Wie prophezeit, macht die fortschreitende Digitalisierung auch vor gutem Essen nicht halt. aveato Catering beispielsweise wurde beim Award zum „Caterer des Jahres 2017“ für das hauseigene Digitalisierungskonzept „aKitchen“ ausgezeichnet. Es geht dabei natürlich vorrangig um vor- und nachbereitende Prozesse, wie etwa ein ausgeklügeltes Bestell- und ein vertrauenswürdiges Bewertungssystem. Während die Köche nach wie vor leidenschaftlich kochen und die Gäste begeistert in das Teriyaki-Huhn beißen, werden zahlreiche Prozesse rund um das Catering automatisiert und für alle Beteiligten vereinfacht.
Auch ganzheitliche Ansätze können Spezialisierung bedeuten. Seit dem Jahr 2014 spielt bei Rauschenberger Eventcatering die Erstellung umfassender Eventkonzepte die Hauptrolle. „Es reicht nicht mehr aus, Speisen in hervorragender Qualität anzubieten, das können doch einige“, sagt Gesellschafterin Natascha Müllerschön. „Es geht darum, dem Kunden einen Mehrwert zu bieten, wirklich alle Sinne anzusprechen und so ein einmaliges Erlebnis zu schaffen. Unter dem Motto ‚Book the Concept’ können unsere Konzepte für jede Veranstaltungsgröße adaptiert und gebucht werden.“ Ambiente, Beleuchtung, Dekoration, Tontechnik und mehr gehören für das Unternehmen bei der Planung von Events inzwischen dazu. Passenderweise hat man seit einiger Zeit vorgefertigte Eventformate in der Schublade, die Namen wie „Garden Eden“, „Buena Vida“ oder „A Mysterious Urban Venue“ tragen und mit weiteren Partnern aus der Veranstaltungsbranche realisiert werden.
Zu guter Letzt: ein Blick in die kulinarische Zukunft
Zurück zur CWT-Studie, die sich vorrangig mit dem beschäftigt, was schließlich auf den Tisch kommt. Demnach sind Fleischersatzprodukte inzwischen nicht nur in den Supermarktregalen angekommen, sondern gewinnen auch beim Eventcatering an Bedeutung. Das gilt besonders dann, wenn sie raffiniert und originell daherkommen wie etwa vegetarische Shrimps aus Algenproteinen oder Burger-Pattys aus Erbseneiweiß und Chiasamen.
Währenddessen arbeiten vor allem amerikanische und israelische Forscher an der Züchtung von keimfreiem Muskelfleisch aus tierischen Stammzellen. In die Zukunft gedacht liegen die Vorteile dieser Technologie auf der Hand: Die Tierquälerei fände ein Ende. Der weltweite Wasserverbrauch würde wie der Methangasaustoß sinken. Und es würden weitaus weniger Agrarflächen für den Futteranbau benötigt. Es dürften jedoch noch einige Jahrzehnte vergehen, bis das Fleisch aus der Retorte industriell hergestellt und wirtschaftlich vertrieben werden kann. Eine schöne und keineswegs unrealistische Utopie ist das aber allemal.
Inwieweit es darüber hinaus auch die Insektenküche abseits des Dschungelcamps auf den Speiseplan schafft, bleibt weiterhin abzuwarten. Den proteinreichen und fettarmen Sechsbeinern wird zwar schon lange eine wichtige Rolle im Rahmen unserer Ernährung zugetraut, aber noch fehlt es an der Massenproduktion und unserer eigenen Bereitschaft, sich auf neue Ernährungsgewohnheiten einzustellen. Doch man weiß ja nie: Vor der Entdeckung und Eroberung Amerikas vor einigen hundert Jahren gab es hierzulande weder Kartoffeln noch Mais, weder Tomaten noch Paprika, weder Kakao noch Chilis.
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Bildquelle: Frank Brehm