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Mobilität, Themensammlung - Corporate Responsibility

Nicht reden, machen – Geschäftsreisen ohne Flugzeug (Teil 2)

Mit dem Zug zur ibtm nach Barcelona: Ein – gar nicht so einfacher – Selbstversuch

In Teil 1 seines Selbstversuches berichtete uns Thorben Grosser von EventMobi, wie er seine Reiseplanung zur ibtm nach Barcelona mit dem Zug in Angriff nahm, um festzustellen, dass eine grenzüberschreitende Zugreise mit einigen Herausforderungen daherkommt. In Teil 2 seines Erfahrungsberichtes erfahren wir nun, wie es Thorben auf seiner Reise ergangen ist – und noch so einiges mehr…


Die zweite Jahreshälfte wird nicht geflogen – so wünschte ich mir das. Direkt vorweg: Daraus wurden dann vier Flüge: Luxemburg, Madrid, London und ein Flug nach Hamburg. Aber alles der Reihe nach:

Die Reise nach Serbien (Nachtzug bis Budapest, Bus bis Belgrad) war ein voller Erfolg. Diejenigen, die die Insta-Story dazu sehen wollen, finden diese hier. Der Zug war pünktlich, und sobald man in Frankfurt-Oder die Bundesrepublik verlässt, ist das 4G-Netz flott und zuverlässig. Arbeiten ging so auch ohne WiFi. Die dreistündige Wartezeit in Ungarn war auch angenehm, weil Nachtzugtickets in Europa zum Loungebesuch berechtigen. Snacks, Getränke, schnelles WiFi – alles, was man zum Arbeiten braucht, ist hier vorhanden. Und auch die Busfahrt im Flixbus war angenehm: Man saß besser als im Flugzeug, und das WiFi war schneller als in den meisten Hotels. Eines der Dinge, die ich besonders schätzte: Auf Bus- und Zugfahrten lernt man Menschen kennen. Man sieht die Landschaft. Man lernt seine Umgebung besser kennen. So traf ich einen frankokanadischen Journalisten, mit dem ich außerhalb der Veranstaltung, die ich besuchte, die Stadt erkundete. Ich habe noch nie jemanden im Flugzeug kennengelernt.

Daher freute ich mich auch darauf, im Zug nach Barcelona zu reisen. Immerhin haben Deutschland, Frankreich und Spanien moderne Zugnetze, und ich musste auch nicht auf die Straße. Dachte ich. Für die Lesefaulen gibt es auch hier eine Insta-Story. Die Zugfahrt über Basel nach Belfort und Lyon verlief perfekt, so dass ich sowohl ausgeschlafen war, als auch ab der französischen Grenze mit funktionierendem WiFi arbeiten konnte. In Lyon bekam ich kurz vor der Weiterfahrt die Mitteilung, dass der Zug von Lyon nach Barcelona schon „seit einiger Zeit” nicht mehr fahren würde. Überschwemmungen hätten die Strecke zerstört und der nächste Zug führe am nächsten Tag - damit schien es dann so, dass ich das ICCA Forum in Barcelona verpassen würde. Nach einigen Diskussionen mit dem Bahnpersonal in Lyon wurde mir dann verraten, dass es eine Verbindung gäbe, bei der ich allerdings den letzten und wichtigsten Anschluss verpassen würde. Mehrmals untersagte man mir, diesen Zug zu besteigen, bis ich schließlich dem Personal versicherte, dass ich dem Französischen mächtig sei und verstünde, dass meine Handlungen nicht mehr in ihren Verantwortungsbereich fielen. Im nächsten Zug habe ich dann eine Landkarte studiert - WiFi können die Franzosen ja. Und jetzt wurde klar: Die Strecke führte ca. eine Stunde in eine sinnlose Richtung, bevor der Zug dorthin fuhr, wo ich auch hin wollte. Und diese Zugstrecke, die insgesamt zwei Stunden dauerte, dauerte im Taxi nur 45 Minuten. Begeistert von meiner Entdeckung telefonierte ich alle Taxigesellschaften in Montpellier ab und besorgte ein Taxi, das mich in Montpellier abholen und nach Beziers bringen sollte. 140 Euro. Abgesehen davon, dass wir irgendwann durch Gelbwesten durchmussten (ja - die gibt es immer noch) verlief die Fahrt perfekt, und ich kam mit einer Stunde Verspätung in Barcelona an. Die Rückreise habe ich aufgrund eines privaten Notfalls nicht mit dem Zug, sondern dem Flugzeug angetreten. Zugtickets umbuchen ist aufwändig, und viele Teile von Europa sind besser per Luft erschlossen.

Danach bleibt ein bitterer Nebengeschmack: Innerhalb von Deutschland ist Zugfahren halbwegs unkompliziert und halbwegs zuverlässig – Inlandsflüge sind für mich nach wie vor verantwortungslos. Wenn man international reisen will, muss man das aber wirklich wollen sowie Geld und Zeit mitbringen. Ich wäre nicht pünktlich in Barcelona angekommen, wenn ich nicht Französisch gekonnt hätte, wenn ich nicht eine Firmenkreditkarte dabei gehabt hätte, wenn ich nicht kompetent Routen planen könnte und so weiter. Natürlich sind meine Kollegen kompetent genug, all diese Dinge auch zu tun. Wenn man, im Gegenteil zu mir, keinen Spaß an solchen Abenteuern findet, dann ist internationales Bahnreisen eine Zumutung.

Bis die Bahnanbindung in Europa besser wird, werden noch einige Jahre ins Land gehen. Und daher ist meine Schlussfolgerung: Lasst uns von Greta lernen! Wenn wir klug planen, können wir langsamer und in Etappen reisen. Das Beispiel folgte im Dezember: Zug zur TechXperience von Berlin nach Ingelheim, dann einen Tag in Ingelheim bleiben und arbeiten. Am nächsten Tag nach München weiter. Dort zwei Tage bleiben, Termine wahrnehmen. Und wieder zurück nach Hamburg mit dem Nachtzug. Durch weniger lange Strecken und weniger komplexe Anbindungen vermeidet man Stress und Sorgen. Natürlich funktioniert das nur, wenn man von überall arbeiten kann, und das kann nicht jeder.

International mit der Bahn fahren ist, mit einigen Ausnahmen, teuer, kompliziert und unzuverlässig. Das ändert nichts an der Tatsache, dass wir unser Flugverhalten und alle anderen Konsumverhalten überdenken müssen. Auch wenn ich verstehe, dass es keine Alternative für alle ist - ich fahre auch weiter Bahn.


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Bildquelle: Thorben Grosser | EventMobi

Autor: Gastbeitrag: Thorben Grosser

Veröffentlicht am: 19.12.2019


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