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EventTech, Best Practice - Produkt-Launch, Themensammlung - Inszenierung/Konzeption

Denn sie wissen (nicht), was sie tun

Spielfilm und Videospiel verschmelzen zu einem Format

Sie befinden sich in einem Thriller, wurden in ein Komplott verwickelt und stecken seitdem immer wieder in der Klemme. Jetzt heißt es überlebenswichtige Entscheidungen zu treffen. Vertrauen Sie der unbekannten Schönen oder dem geheimnisvollen alten Mann? Ergreifen Sie die Flucht durchs Treppenhaus oder versuchen Sie Ihrem Verfolger eine Falle zu stellen? Behalten Sie den herrenlosen Geldkoffer oder geben Sie ihn bei der Polizei ab?

Entscheidungen wie diese treffen die Protagonisten in Spielfilmen normalerweise selbst, während im Videospiel der User mit darüber entscheidet, was als Nächstes passiert – mit ungewissem Ausgang, versteht sich, denn sonst würde der Spannungsbogen ja leiden. Man kennt es, dass Videospiele wie „Tomb Raider“, „Resident Evil“ oder „Super Mario“ als Vorlage für Kinoblockbuster dienen. Recht neu ist es hingegen, dass der Kinofilm selbst zur Spielwiese wird, auf der der Zuschauer die Handlung mitbestimmen kann.

Die Einbindung von Realfilmsequenzen in Videospielen wird als Full Motion Video (FMV) bezeichnet. Erstmalig hat der britische Videospielhersteller Wales Interactive in Kooperation mit der Filmcompany CtrlMovie im Frühjahr 2016 einen Spielfilm auf den Markt gebracht, der Elemente eines Videospiels enthält. Oder (wenn man so will) eben ein Videospiel, das komplett wie ein Spielfilm daherkommt.

Schon wieder eine Weltneuheit: der erste interaktive Spielfilm

„Late Shift“ heißt der Thriller, der ausnahmslos mit realen Schauspielern und Settings arbeitet. Rund 180 Entscheidungen kann der Zuschauer per App in 60−80 Minuten Laufzeit treffen. Schnell muss es gehen, denn der Film wird währenddessen nicht etwa angehalten. Greift man nicht ins Spielfilmgeschehen ein, geschieht die Szenenauswahl automatisch bzw. nach dem Zufallsprinzip. Insgesamt stecken über vier Stunden gedrehtes Filmmaterial in dem Thriller, der mit sieben verschiedenen Enden aufwarten kann.


Das „Gaming-Movie“ ist für alle gängigen Spielekonsolen verfügbar, kann aber auch bei vielen Streaming-Diensten und sogar in ausgewählten Kinos angesehen werden. Die letzten beiden Optionen benötigen die Vorinstallation einer Smartphone-App, über die sich die Handlung quasi in Echtzeit beeinflussen lässt. Wer sich fragt, wie das im Kino überhaupt vonstattengehen soll: Hier entscheidet ganz einfach die Mehrheit der getroffenen Besucherbefehle über den Fortgang des Films.

Spannende Anwendungsbereiche in der Eventbranche

Tolle Sache, mögen Sie sich sagen und sich gleichzeitig fragen, was das denn nun mit der MICE- und Eventbranche zu tun hat. Nun, vor allem im Bereich Live-Kommunikation ließe sich ein modulares Eventkonzept entwickeln, bei dem die Teilnehmer an einer Veranstaltung interaktiv mitbestimmen können, wie die Veranstaltung bzw. die erzählte Geschichte weitergehen. So könnte etwa im Rahmen einer Markeninszenierung oder einer Promotionaktion am Point of Sale eine Geschichte auf das jeweilige Konsumentenprofil hin angepasst bzw. weitererzählt werden: Emotionales Storytelling erhält so eine ganz neue Dimension der Individualisierung nach unterschiedlichen Interessengruppen.

Oder: Sie nutzen interaktive Präsentationsvideos, um für eine beliebte MICE-Destination oder verschiedene Varianten einer Locationbespielung zu werben und Ihre Kunden können den Ablauf der Präsentation mehr oder weniger selbst bestimmen. In dem vielleicht fünfminütigen Video haben Ihre Kunden die Möglichkeit, immer neue Entscheidungen zu treffen und durchlaufen dabei nur die Sequenzen, die für sie relevant und interessant sind. Was gefällt Ihnen am besten? Ganz sicher möchten Sie auch einmal die Alternativen durchspielen, oder?

Wer sich mit interaktiven Formaten präsentiert, weckt die spielerische Neugierde von Teilnehmern und Gästen, und das nicht nur bei der Vorführung im Rahmen eines Events, sondern auch auf den entsprechenden Seiten im Netz. Natürlich ist die Realisierung eines interaktiven Filmprojekts mit enormem Aufwand verbunden, dafür in der Regel aber auch keine Eintagsfliege. Die Produktion von „Late Shift“ etwa hat knapp 1,4 Mio. Euro gekostet, was für einen modernen Kinofilm durchaus im bescheidenen Rahmen liegt. Ein Zehnminüter mit weitaus geringerem Produktionsaufwand und weniger alternativen Handlungssträngen wäre eventuell schon für wenige zehntausend Euro realisierbar.

Übrigens: Wer bei YouTube nach „Late Shift“ sucht, findet vom Trailer bis zu mehreren kompletten Filmvarianten alles, was das cineastische Herz begehrt. Nur haben Sie dort natürlich nicht die Entscheidungshoheit über das Filmgeschehen.


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Bildquelle: Screenshot von www.walesinteractive.com/lateshift

Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 16.11.2017


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