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Porträt, Agenturen, Best Practice - Markenwelt/Messe

„Ging es früher um Kundenpflege, ist heute der Neukontakt das Wichtigste“

Berufsbilder in der Eventbranche: Heute im Interview Ralph Himmer, Geschäftsleiter der Unit Projektleitung bei der Keck GmbH

Ralph Himmer hat schon als Schüler im Messebau gejobbt und ist seit der Gründung 1987 bei der Keck GmbH beschäftigt, seit 2008 in der Geschäftsleitung. In seiner beruflichen Entwicklung hat er alle Bereiche durchlaufen, vom Lager über die Montage, der technischen Ausarbeitung der Stände bis hin zur Kundenbetreuung. Für ihn ist Messebau ein Traumberuf. „Jedes Projekt ist neu. Es sind immer wieder andere Menschen, andere Branchen, in die ich mich komplett eindenken muss. Wie tickt das Unternehmen und die Mitarbeiter, was macht deren Wettbewerb, was macht das Produkt aus und wie können wir es inszenieren?“

MICE Club: Lieber Ralph, Ihr bei Keck habt einen Schwerpunkt im klassischen Messebau und bedient von Beratung über Produktion, Medien- und Werbetechnik alle Bereiche – wie läuft so ein klassisches Projekt „Messeauftritt“ eigentlich ab?

Wie meistens bei beratungsintensiven Dienstleistungen ist jedes Projekt anders, den klassischen Ablauf gibt es nicht und sicherlich ist ein Neukundenprojekt anders als ein Messestand für Stammkunden. Am Anfang steht das Kundenbriefing, aus dem wir im Team aus Kundenberater, Architekt, Grafik- und Live-Kommunikationsexperten die Konzeptstrategie erarbeiten. Wir sind sehr spezialisiert, deswegen ist die Herangehensweise über ein interdisziplinäres Team wichtig. Nur so können wir die verschiedenen Sichtweisen zu einem Ganzen verbinden, die ein Konzept „rund“ machen. Die Strategie ist die Basis für das Konzept und beantwortet die Fragen: Was will der Kunde erreichen, was will er kommunizieren?

MICE Club: Ist das Kundenbriefing immer so klar, dass Ihr daraus die Strategie und das Konzept ableiten könnt?

Du hast schon Recht, vor dem fertigen Briefing steht meistens ein intensiver Dialog mit dem Kunden. Viele Kunden kennen wir mittlerweile so gut, dass wir zwischen den Zeilen lesen können. Zudem ist die Qualität des Briefings sehr abhängig vom Ansprechpartner, von der Struktur des Kundenunternehmens. Gibt es zum Beispiel eine Messeabteilung oder macht es die Marketingabteilung mit? Wobei der Trend, auch im Mittelstand, zur eigens zuständigen Abteilung geht, die das komplette Projekt von Kundenseite aus steuert.

MICE Club: Apropos Trend, wie hat sich die Branche in den vergangenen Jahren verändert?

Es hat sich viel verändert, am meisten der Fokus der Messeteilnahmen unserer Kunden. Ging es früher vor allem um Kundenpflege, ist heute der Neukontakt das Wichtigste. Dadurch verändert sich natürlich die Strategie und damit auch die Ausrichtung und Architektur des Standes komplett. Früher stand die Architektur im Mittelpunkt, man wollte zeigen, wer man ist und was man hat. Heute geht es um komplexe Kommunikationskonzepte und um die Verknüpfung der Messestrategie mit der Gesamtstrategie des Unternehmens. Ein ganz profanes Beispiel: Mit dem Fokus „Kundenpflege“ haben wir gemütliche Sitzecken und abgeteilte Besprechungsräume gebaut. Heute geht der Trend zum Barhocker – der Besucher soll gar nicht so lange sitzen bleiben, um Platz für den nächsten Kontakt zu schaffen.

MICE Club: Im Rahmen dieser veränderten Strategie ist sicherlich auch die Digitalisierung ein großes Thema?

Natürlich, digitale und soziale Medien gehören in jede Kommunikationsstrategie. Sie sind zudem essenziell, um den Fokus „Neukundenansprache“ in die Messekommunikation einzubinden. Auf dem Messestand hat „Digital“ aber nur etwas zu suchen, wenn es Sinn macht. Manche Kunden verstehen darunter einen großen Bildschirm oder eine LED-Wand. Da sollte der Berater nachforschen: Gut, was wollt Ihr darauf zeigen? Eine LED-Wand spricht nicht mit Euren Kunden. Oder habt Ihr eine klare (Text-)Botschaft? Die lässt sich nach wie vor „schicker“ über konventionelle Werbetechnik platzieren. Auch digitale Präsentationstechniken wie Augmented oder Virtual Reality sehe ich in der Marken- bzw. Produktinszenierung auf Messen noch nicht als angekommen an.

Bisherige Versuche konnten mich oft wenig überzeugen – sicherlich ist die aufwändige Technik ein Eye- und Aufmerksamkeits-Catcher, aber mir geht es um die Botschaft: Ich will zuerst die Inhalte des Kunden sehen und verstehen. Wenn diese sich über digitale Technik gut oder sogar besser kommunizieren lassen, perfekt. Aber bitte kein Technik-Overkill nur um trendig zu sein. Momentan soll alles glitzern und glänzen und diese Anforderung setzen wir auch gerne um, trotzdem müssen weiterhin zuallererst die Inhalte stimmen.

MICE Club: Hast Du ein schönes Beispiel für einen interaktiven, virtuellen Messestand? Einen, bei dem die Interaktivität eine klare Funktion hatte und nicht nur „Spielerei“ oder „Gadget“ war/ist?

Für unseren Kunden Axoom hatten wir für die Hannover Messe ein spannendes Szenario mit während der Messe laufenden Produktionsanlagen der Unternehmen Felss, Trumpf und Zeiss sowie mit Anwendungsfällen der Partner C-Labs, Essert, FZI und Xetics inszeniert. Dabei konnte man die Live-Zustände der Maschinen auf einer großen LED-Wand verfolgen.

Hinter dem sechs Meter hohen, strahlend hinterleuchteten „Axoom-A“ lud ein Podest mit Push-the-Button-Effekt zur Aktion ein. Die Vernetzung der Exponate wurde bei Betätigung des Buttons mit kreisenden Lichteffekten und medialer Inszenierung auf der LED-Wand und weiteren Projektionsflächen verdeutlicht. Die Vernetzung aller Exponate auf dem Stand wurde auch über eine Bodengrafik sichtbar gemacht. Auch im Kleinen erlebte der Besucher die Vernetzung während der Kaffeepause: Der Besucher konnte die Live-Zustände der Kaffeemaschinen und den Verbrauch der unterschiedlichen Kaffeesorten in einem digitalen Abbild am Monitor an der Theke mitverfolgen.

MICE Club: Noch mal zurück zur Strategie: Aus Deiner Erklärung zum veränderten Fokus eines Messebesuchs klingt für mich auch ein gewisser Druck zum Verkaufen, Verkaufen, Verkaufen mit. Höre ich das richtig?

Hm, so hart würde ich es nicht sagen, aber es stimmt schon, dass auf Kundenseite klare Ziele für ein Messeprojekt definiert werden, zudem genaue Budgetvorgaben verbunden mit der Erwartung eines mittelfristigen ROI. Damit einher geht eine starke Professionalisierung. Nehmen wir ein Beispiel aus dem klassischen Maschinenbau: Bei einem meiner Kunden, den ich seit 1995 betreue, ist sowohl das Team, das Messen betreut, als auch das Messebudget in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Das bedeutet auch, dass sowohl auf Kunden- als auch auf Dienstleisterseite, die Erwartungshaltung an die Erreichung der definierten Ziele deutlich größer geworden ist.

Jede Aktion wird kritisch hinterfragt. Das ist gut, wenn es um die Sinnhaftigkeit von Investitionen geht. Es führt aber auch dazu, dass es Grabenkämpfe zwischen den einzelnen Technologiebereichen geben kann – und als mögliche Konsequenz eine Einzelkämpferstrategie zutage tritt, in der jeder Produktmanager sich und sein Produkt in den Vordergrund stellen möchte. Dann hast Du keinen Messestand mehr, sondern einen überfüllten Marktplatz, auf dem jeder sein Produkt anpreist. In diesen Fällen müssen wir als Dienstleister gemeinsam mit der Messeabteilung gegensteuern und die Gesamtstrategie hochhalten.

MICE Club: Wie macht Ihr das?

Den Interessenkonflikt herausarbeiten, der meistens der Grund dafür ist, dass Stände überfrachtet und vollgestellt werden. Und zeigen, dass weniger mehr ist. Wir versuchen die Denkweise zu verändern, nach der alle „abliefern“ müssen und eine Metaebene zu erreichen, auf der alle mit einer Stimme sprechen. Möglich wird das in der Standgestaltung wiederum durch digitale Möglichkeiten – ich kann vieles „zuhause“ lassen und trotzdem zeigen. Verstanden werden muss, dass diese Reduktion im Sinne des Ganzen ist. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Ausrichtung auf das „große Ganze“ einer übergeordneten Botschaft in dem Moment funktioniert, wenn ein Verantwortlicher an der Spitze alle Beteiligten von der Einzellast ihrer Produkte, Vorgaben und Ziele befreit.

MICE Club: Da ist eine Menge Beratungsleistung und Feingefühl gefragt, höre ich heraus. Auch für Euch hat sich in den letzten Jahren viel verändert – Euer Kerngeschäft läuft schon lange, bevor Ihr anfangt den ersten Strich zu zeichnen, die erste Wand zu setzen, richtig?

Das ist richtig (davon abgesehen, dass wir schon lange nicht mehr „zeichnen“). Die Kreation eines Messeauftrittes ist ein immer beratungsintensiverer Beruf im Umfeld der Live-Kommunikation geworden. Weniger bauen, mehr beraten, könnte man sagen.

MICE Club: Also ist handwerkliches Können oder Design nicht mehr das „A und O“, Kommunikation die Kernkompetenz im Messebau?

Das stimmt so nicht, die Kunden wollen und brauchen alle diese Kompetenzen. Und wollen sie nach Möglichkeit aus einer Hand, von einem Dienstleister. Man möchte vermeiden, noch weitere Agenturen oder weitere Dienstleister einzubinden. Deswegen ist es für uns wichtig, in allen diesen Disziplinen top zu sein, damit unsere Kunden ihre Messeauftritte als Erfolg wahrnehmen.

MICE Club: Was braucht es, damit ein Messeauftritt ein Erfolg wird? Oder anders gefragt: Welche Vorteile haben Messen gegenüber anderen Kommunikationsmedien und wie können Unternehmen diese Vorteile bestmöglich nutzen?

Live-Kommunikation nutzt den persönlichen Kontakt – sich in die Augen schauen, miteinander sprechen, ein „Gefühl“ füreinander entwickeln. Und dieses Alleinstellungsmerkmal der Messe, das müssen wir bestmöglich nutzen. Da – wie oben gesagt – die Messe sich immer mehr in Richtung Neukundenakquise fokussiert, wird die Terminierung im Vorfeld zunehmend wichtiger. Früher waren Besucher zwei oder drei Tage da, jetzt ist es nur noch einer, die Kalender sind voll. Ein guter Messeauftritt bezieht diese Faktoren mit ein, ggf. unterstützen wir unsere Kunden auch bei der Neukundenansprache, bieten Messetrainings an und haben auch eine App für das Einladungsmanagement.

Aus Besuchersicht ist die Messe zumeist die einzige Möglichkeit, alle Wettbewerber auf einem Platz zu finden und sich ein persönliches Bild machen zu können. Damit hat der Messeauftritt die Aufgabe, dieses Bild authentisch und nachhaltig zu gestalten. Das funktioniert in dem Moment, in dem Messeauftritte in die gesamte Kommunikationsstrategie des Unternehmens eingebunden werden. Es zählt die ganzheitliche Sichtweise: Die Messe ist ein Element der Kommunikationsstrategie und muss die gleichen Inhalte transportieren. Da sind wir wieder beim Beispiel von eben mit dem LED-Bildschirm. Produziere ich einen Film nur für die Messe, damit ich eine schicke LED-Wand habe? Das halte ich für wenig sinnvoll. Wenn der Film eine elementare Botschaft kommuniziert, sollte er auch vorher und nachher nutzbar sein.

Damit erzeuge ich die Wiedererkennungswerte, die meine Botschaften nachhaltig an Mann und Frau bringen. Für diesen Wiedererkennungswert ist es auch wichtig, nicht immer und für jede Messe alles neu zu erfinden. Ich kann ein Messethema mit Adaptionen durchaus drei bis fünf Jahre spielen.

MICE Club: Da sind wir dann auch beim Thema Nachhaltigkeit, oder?

Genau, die Wiederverwendung zur Wiedererkennung ist sinnvoll auch im Sinne der Nachhaltigkeit. Außerdem versuchen wir generell, in allen Back Office-Bereichen der Stände mit vorhandenen Modulen zu arbeiten. Im internationalen Business setzen wir auf Partner, um keine kompletten Stände über die Weltmeere schippern zu müssen. Allerdings hört die nachhaltige Verwendung von Systemen oder Modulen da auf, wo wir in den Präsentationsbereich gelangen. Wenn es um Individualität und natürlich auch um Innovation geht, komme ich mit „können wir nochmal nutzen“ schlecht an. Glücklicherweise ist der Einsatz von Stoffen im Messebau mehr und mehr im Kommen. Da ist der Nachhaltigkeitseffekt der geringeren Transport- und Entsorgungsvolumina nur ein Argument. Auch die Leichtigkeit der Montage und natürlich die Optik spielen eine wesentliche Rolle.

Was hier so als massiver Baukörper wirkt, besteht tatsächlich aus einer Stahlkonstruktion, die mit Stoff bespannt wurde.

Außerdem achten wir in Puncto Umwelt viel mehr auf das getrennte Entsorgen der Materialien und aufs Recycling. Gemeinsam mit den Messegesellschaften versuchen wir so viel wie möglich schon vor Ort zu entsorgen, um Transportwege gering zu halten.

MICE Club: Apropos leichte Montage – durch den Wandel vom Bauer zum Berater ist der Messebau kein rein männlicher Beruf mehr, oder?

Gar nicht mehr, null, es ist ein fantastischer Beruf für Frauen. Anders als zu meinen Anfängen gibt es ja mittlerweile auch Studiengänge im Bereich Messe-, Event- und Kongressmanagement, aus denen wir viel weiblichen Nachwuchs rekrutieren. Übrigens ist bei uns deutlich zu merken, dass wir mittlerweile viel mehr Frauen im Team haben: die Atmosphäre im Büro hat sich sehr verändert und ausdrücklich zum Positiven.

MICE Club: Und um noch ein Klischee zu hinterfragen: Messebau ist Saisongeschäft. Was macht der Messebauer im Sommer?

Sicherlich haben sich durch den zunehmenden Beratungsfokus die Peaks ein bisschen verwischt. Trotzdem: Messebau ist Projektgeschäft, die Messe fängt an, auch wenn der Stand nicht fertig ist. Deshalb wird immer noch saisonal geklotzt, 12 oder 14 Stunden am Tag sind keine Seltenheit. Aber im Sommer, respektive Winter können wir das ausgleichen.

MICE Club: Da arbeitet Ihr Liegengebliebenes weg?

Liegengebliebenes hat komischerweise die Eigenschaft liegen zu bleiben, weil doch wieder Wichtigeres, Aktuelleres kommt. Wir in der Beratung fühlen diesen saisonalen Druck auch gar nicht so stark, da die Projektphasen für uns viel länger sind. Außerdem hat sich Keck vom Thema Messebau zur übergreifenden Markeninszenierung gewandelt. Die Gestaltung von Markenwelten in den Unternehmen oder bei Events sind nicht vom Messekalender abhängig. Die stärkeren Peaks und damit auch den größten Erholungsbedarf haben schon die Monteure: Deren Job bleibt ein Knochenjob, trotz aller Erleichterung durch moderne Technik oder leichtere Materialien wie Stoff.

MICE Club: Wie nehmt Ihr für Euch und für die Monteure Dampf raus, wenn es heiß hergeht?

Für mich ist es wichtig, klare Vorgaben zu haben und zu machen. Wir sind zwar Dienstleister, aber wir müssen unseren Kunden nicht blind folgen. Eine Dringlichkeit sollte nur „als Druck“ weitergegeben werden, wenn sie wirklich da ist. Dazu benötige ich partnerschaftlichen Dialog zu allen Seiten. Anders gesagt: Im Zweifel einfach mal zum Telefonhörer greifen, anstatt bis zwei Uhr nachts an einem Konzept zu sitzen, das dann auf Kundenseite eine Woche liegt, bis es zum ersten Mal angelesen wird.

MICE Club: Zusammengefasst prägt der Dialog Dein Business, der mit den Kunden, der im Team und vor allem auch der erfolgreiche Dialog, den Ihr für Eure Kunden auf den Messen inszeniert, richtig?

Ja, das stimmt, Live-Kommunikation ist Dialog und wenn man das lange und erfolgreich inszeniert, dann prägt der Dialoggedanke das gesamte Tun, was sicherlich nicht schlecht ist, würde ich sagen.

MICE Club: Das finde ich auch, lieber Ralph, danke für das schöne Gespräch.


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Bildquelle: Keck GmbH

Autor: Andrea Goffart

Veröffentlicht am: 16.10.2018


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