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Themensammlung - Meetingarchitektur

Warum wir Veranstaltungen ko-kreativ planen müssen

Mehr Verantwortung, mehr Leidenschaft und ein virtueller Round-Table zum vierten micelab:experts

Ko-Kreation oder Co-Creation im MICE-Business bringt Teilnehmer und Veranstalter auf Augenhöhe. Die Veranstaltungsteilnehmer werden von Beginn an in die Planung und Umsetzung der Veranstaltung miteinbezogen. Das, was geschehen soll, entsteht auf der Basis gemeinsamer Bemühungen und Ideen. Diese Herangehensweise schafft ein gemeinsames Verantwortungsbewusstsein, eine hohe Motivation und eine aktive Beteiligung bei allen Teilnehmern.

Ko-kreative Veranstaltungen profitieren vom Know-how jedes Einzelnen und sind höchst lebendig. Co-Creation, wie es im Denglischen meist geschrieben wird, ist seit einiger Zeit schwer gefragt. Führungskräfte oder „Meeting Owner“ in Unternehmen, Meeting Designer in Agenturen und MICE-Planer entscheiden nicht mehr „für die“, sie entscheiden „mit den“ Beteiligten – gerne auch Stakeholder genannt. Die Beteiligten? Das sind Kunden oder Teilnehmer und Ko-Kreation beruht auf der längst fälligen Einsicht, dass zum einen der Kunde/Teilnehmer am besten weiß, was er benötigt und was ihn interessiert. Zum anderen fördern ko-kreative Events vielfältige, innovative Veranstaltungskonzepte.

Die vierte Auflage des micelab:experts Anfang März im Milchwerk Radolfzell stand unter dem Zeichen der Ko-Kreation. Erstmals konzipierten die Kuratoren gemeinsam mit sieben Mitarbeitern verschiedener Veranstaltungshäuser das Experts-Format für die knapp vierzig Teilnehmer. Sieben „Co-Hosts“ – Mitarbeitende verschiedener Häuser und Gewerke – planten zusammen mit den Kuratoren Tina Gadow und Michael Gleich das micelab:experts. Sie führten die Veranstaltung gemeinsam durch, moderierten und leiteten Arbeitsgruppen an. Eine tolle Erfahrung für alle, wie sich herausstellte. Und ein Paradebeispiel für einen ko-kreativen Prozess, der vor allem eines war: lebendig!

Auch wir vom MICE Club sind vom Geist der Ko-Kreation beseelt und haben uns Gedanken gemacht, wie wir ihn in die Nachbetrachtung des micelab:experts einbeziehen können. Eigentlich hatten wir ein tolles Interview mit Anja Gunz geführt. Sie ist Projektleiterin bei Convention Partner Vorarlberg und hat als Co-Host die Veranstaltung begleitet. Gemeinsam haben wir uns gefragt, ob eine einzelne Sichtweise im Sinne der Ko-Kreation sein kann und haben gemeinsam die Antwort gefunden: Nein! Deshalb haben wir auf Basis des Interviews weitere Teilnehmer* befragt, die nun ebenfalls stellenweise im Text zu Wort kommen. lSo können wir in diesem Magazinbeitrag die verschiedenen Sichtweisen der Teilnehmer und der Kuratoren bestmöglich spiegeln. Wir nennen das ganze einen „virtuellen Round-Table“ und wünschen viel Spaß beim Lesen!

MICE Club: Liebe Anja, Du warst schon einmal „normale“ Teilnehmerin beim micelab:experts und dieses Mal Co-Host. Kannst Du uns erzählen, wie Du die Ko-Kreation erlebt hast?

Anja: Ich war dieses Mal in einer ganz anderen Rolle als beim letzten „micelab:experts“ und hatte einen ganz anderen Bezug zu den Themen und Teilnehmern. Bereits im Vorfeld konnte ich mich intensiv vorbereiten, was die Erfahrung sicherlich intensiver gemacht hat. Vor allem habe ich diese Veranstaltung von der ersten Minute an als Gastgeberin erlebt. Dadurch ist bei mir ein ganz anderes Verantwortungsgefühl entstanden und ich konnte Teilnehmer, die zum ersten Mal dabei waren, ansprechen und einbeziehen. Die Teilnehmerrunde bei den „Experts“ ist sehr heterogen, manche wissen vielleicht gar nicht, was MICE bedeutet – die Vorkenntnisse sind sehr unterschiedlich. Wir Co-Hosts haben alle ins Boot geholt, wir waren nicht nur beteiligt, wir waren verantwortlich.

Links: Eva-Maria Feuerstein (Kongresskultur Bregenz), rechts: Anja Gunz (Cohosting-Team)

Catharina Hug: Ich habe „micelab:experts“ mittlerweile sogar schon aus drei Perspektiven erlebt – als Teilnehmerin in Rorschach, als Organisatorin hier bei uns im Bodenseeforum und jetzt als Co-Host. Mein Fazit: Durch die Ko-Kreation war ich mittendrin, total identifiziert. Ich wollte nie aussteigen oder mir Zeit für anderes nehmen. Als Organisatorin – so habe ich es im Rückblick gesehen – war ich sehr abgelenkt. „Wann kommt das Essen, sind genug Flipcharts da?“. Für mich ein wichtiges Learning – erst wenn wir das Daily-Business draußen lassen, entsteht der geschützte Rahmen, in dem man sich wirklich auf die Themen und aufeinander einlassen kann und – wie Anja schon sagte – Verantwortung dafür übernimmt, die anderen ins Boot zu holen.

MICE Club: Ihr wart ja viele Gastgeber, Eure Verantwortung hat sich bestimmt auf den Spirit der ganzen Veranstaltung ausgewirkt?

Anja: Absolut, man hat deutlich gemerkt, dass sich fast ein Drittel der Anwesenden als Gastgeber verantwortlich fühlte. Daraus entstand eine andere Grundstimmung, eine schöne Gemeinschaft. Da war niemand, der oder die lieber woanders gewesen wäre oder keine Lust hatte, wie man es bei manch anderen Workshops sieht. Das habe ich, auch im micelab, schon anders erlebt! Diesmal herrschte die Haltung vor: „Ich mach jetzt aktiv mit, weil die sich Mühe gegeben haben.“ Wir haben uns in der Lernzone bewegt, das wurde honoriert, von den Teilnehmern gab es viel Dankbarkeit und Wertschätzung. Ko-Kreation ist ein kleines aber in der Wirkung mächtiges Tool, weil es so viele Teilnehmer auf die gleiche Augenhöhe zieht. Der Input kommt nicht „von vorne“, er kommt von Kolleginnen und Kollegen. Die Erfolgsrezepte und Inhalte erarbeite ich mit denen, die die gleiche Arbeit machen wie ich. Die Themen entstehen aus dem Alltag.

Das war unser gemeinsames, großes Anliegen im vorbereitenden Workshop: Dass die Themen vom micelab:experts konkreter werden müssen. Wir haben in vergangenen Formaten zu viel auf der Metaebene gearbeitet, obwohl alle Teilnehmer reale Beispiele kennen. Wenn man die nutzt, ist der Bezug sofort da. Die Alltagsrelevanz entsteht, ganz anders, als wenn man sich einen Kongress ausdenkt mit Bedingungen, die es so nie geben wird.

Catharina: Ich glaube, die Relevanz entsteht auch durch das große „Wir“, das sich im ko-kreativen Prozess entwickelt. Das Wir-Gefühl der Hosts hat sich auf die Teilnehmer übertragen und durch dieses „Wir“ wächst ein Schutzraum abseits des Alltags, in dem wir sein können, wer wir sind. Keiner schaut krumm, wenn man mal was vermeintlich Komisches sagt oder anders denkt.

Tina Gadow (Kuratorin) und Alex Heger (Cohosting-Team) moderieren den Programmpunkt "Kollegiale Fallberatung" an

Tina: Die Gruppe ist tatsächlich sehr schnell sehr vertraut miteinander umgegangen. Vertrauen ist die wichtigste Basis für lebendige Veranstaltungen. Es braucht diesen Raum des Vertrauens, um loslassen und Neues ausprobieren zu können. Und wenn mehr als zwei Personen dieses Vertrauen mitbringen, es vorleben und sich dafür verantwortlich fühlen, zeigt das Wirkung!

MICE Club: Anja sprach gerade von dem vorbereitenden Workshop – wie ist der abgelaufen?

Anja: Zwei Wochen vor der Veranstaltung fand ein Workshop mit den Kuratoren Tina Gadow und Michael Gleich statt, in dem wir Programm und Inhalte gemeinsam und interaktiv definiert haben. Wir haben mögliche Formate und Themenideen auf Moderationskarten geschrieben und dann flexibel hin und her geschoben, bis wir nach vier Stunden den roten Faden hatten – das Programm stand. Das war intensive Co-Creation, keiner von uns hätte das alleine in dieser Zeit geschafft. Ich bin aus dem Workshop mit ganz viel Vorfreude rausgegangen.

Catharina: Diese Vorfreude hatte ich auch. Ich war anfangs sooo skeptisch, eigentlich hatte ich mir sogar eine micelab-Pause verordnet. Dann kam die Anfrage und ich dachte, na gut, schau‘s dir halt mal an. Und dann sind wir im Workshop einfach mitgerissen worden und ich war so begeistert, natürlich wollte ich dabei sein. Wichtig war in dem Zusammenhang die Aussage „Keiner muss, jeder kann“ der beiden Kuratoren. Sie haben uns ermutigt und wir wussten immer, dass wir ein Backup haben, falls etwas schief gehen sollte.

Im Nachhinein denke ich, dass es für die beiden sicher nicht leicht war, uns komplett zu vertrauen, sich zurückzulehnen, die Dinge laufen zu lassen. Von daher: Danke schön und Hut ab – Ihr beiden seid so wichtig!

MICE Club: Sowohl im Vorfeld als auch im Prozess vor Ort waren die beiden Kuratoren sehr wichtig, höre ich aus Euren Erzählungen?

Anja: Ja, genau. Die beiden haben uns den Raum gehalten und standen für Fragen und Probleme im Ko-Kreation-Prozess bereit. Zum Beispiel hatte ich zusammen mit Eva-Maria Feuerstein vom Festspielhaus Bregenz das Barcamp für den dritten Veranstaltungstag vorbereitet, immerhin vier Stunden Programm. Kurz davor entstand bei uns plötzlich eine große Unsicherheit über das Thema – passt das noch, nach dem, was wir am ersten Tag schon erarbeitet haben, müssen wir es schärfen? Wir wussten echt nicht mehr weiter. Tina hat uns in einem kurzen „GEHspräch“ aus dieser Gefahren- schnell wieder in die Lernzone geholt. Wir haben das Thema gemeinsam geschärft und alles war gut.

MICE Club: Die Kuratoren haben also das kalte Wasser, in das sie Euch geschubst haben, Hai-frei gehalten, damit Ihr euch sicher bewegen könnt?

Anja: Genau, so war es. Und ein bisschen vorgewärmt haben sie das Wasser sicher auch.

Alexander: Umgekehrt haben wir aber auch die Kuratoren ein bisschen entlastet, davon, alles alleine zu gestalten, ihren Blick allein auf das micelab:experts zu setzen und damit vielleicht Gefahr zu laufen, dass es von den Teilnehmern nicht richtig verstanden wird. Wir Co-Hosts sind in den meisten Fällen schon bei anderen micelab-Veranstaltungen dabei gewesen, wir kennen die positiven Erlebnisgefühle, aber auch die Tücken und Hürden, wenn es mal nicht „rund“ läuft.

Tina: Das stimmt. Wir sind mit genau dieser Haltung in den Ko-Kreationsprozess gegangen: „Wir brauchen Euch, denn Ihr wisst viel besser als wir, was Ihr und Eure Kollegen erfahren, lernen und erleben wollen“. Die Co-Hosts waren für uns ein wichtiges Sprachrohr aus der Branche im Vorfeld und auch während der Veranstaltung. Anders als beim letzten micelab:experts konnten wir sicher sein, dass wir alle Gruppendynamiken mitbekommen würden. Nicht immer trauen sich Teilnehmer, den Moderatoren zu sagen, wenn etwas nicht gut läuft, die Stimmung kippt oder sie mit Programmteilen nicht einverstanden sind. Bei diesem „Experts“ konnten wir uns auf die vielen Antennen des Hostingteams verlassen. So konnten wir schnell und angemessen auf alles reagieren, was die Gruppe gerade brauchte. Darüber hinaus konnten wir uns als Kuratoren viel mehr als sonst inhaltlich einbringen. Was mir persönlich sehr viel Spaß gemacht hat.

MICE Club: Aus dem Gespräch mit Gerhard Stübe (AdR: Sprecher des Netzwerks BodenseeMeeting und Geschäftsführer von Kongresskultur Bregenz) erfuhr ich, dass die Zusammenarbeit mit Euch Ko-Kreatoren sehr positiv aufgenommen wurde. Was glaubt Ihr, hat dieser Prozess für das Format bedeutet? Und warum?

Anja: Essenziell ist für mich, dass wir Ko-Kreatoren das Format von der philosophischen Was-wäre-wenn-Ebene heruntergebrochen haben. Was in diesem micelab:experts passiert ist, war relevant, konkret und hatte Hand und Fuß. Der Input für die Themen kam aus den Reihen und Bedürfnissen aller Teilnehmer, und alle Teilnehmer konnten im Barcamp und in der kollegialen Beratung eigene Themen einbringen.

Eva-Maria: Es war ein großer Vorteil, dass die Co-Hosts gleichzeitig Zielgruppe waren und dadurch im alltäglichen Business genau mit denselben Problemen zu kämpfen haben wie die Teilnehmer. So konnten sie das Programm maßgeschneidert gestalten, mit hoher Relevanz.

Sandra: Durch die Ko-Kreation ist ein abwechslungsreicheres und praxisnäheres Programm entstanden, das finde ich auch.

Tina: Wir haben nicht nur inhaltlich, sondern auch im „Wie“ auf dem aufgebaut, was da ist. Das setzt viel Energie frei und durch die implizierte Wertschätzung entsteht Bewegung. Diesen stärkenorientieren Ansatz werden wir sicher weiterführen.

MICE Club: Werdet Ihr das beim nächsten Mal wieder so machen – was werdet Ihr übernehmen, was vielleicht anders machen?

Anja: Auf jeden Fall werden wir es wieder so machen. Es gab beim Abschluss dieses micelab:experts schon Interessenten für den nächsten Co-Hosting-Prozess. Ich finde es wichtig, dass diese Rolle immer andere übernehmen. Diese tolle Chance sollte jeder haben, der sie ergreifen will und viele wollen, hatte ich den Eindruck.

Diesmal werden die Co-Hosts mehr Zeit für die Vorbereitung bekommen. Die zwei Wochen, die wir hatten, erschienen uns zu kurz. Vieles ließ sich in der kurzen Zeit nicht realisieren.

Catharina: Ich finde es wichtig, dass beim nächsten Mal andere die Rolle übernehmen. Zwar würde ich es gerne wieder übernehmen, denke aber, dass es viel spannender für mich ist, andere machen zu lassen und wieder einen neuen Blickwinkel zu bekommen. Und außerdem, wie Anja sagt – die Chance sollte jeder haben. Und ich finde es besonders schön, wenn die eher Schüchternen, Zurückhaltenden von dem geschützten Raum dieses micelab:experts so überzeugt wurden, dass sie auch mal hosten wollen und dürfen.

Tina: Wir freuen uns, wenn die Gruppe der Co-Hosts möglichst vielfältig ist. Also Newbies ebenso vertreten sind wie „alte Hasen“. Denn die Co-Hosts fungieren als Vorbilder. Sie machen anderen Mut, selbst auch Neues auszuprobieren und unbekanntes Terrain zu betreten. Außerdem haben wir durch die Vielfalt in der Gruppenzusammensetzung die Chance, dass auch vielfältige Themen, Anliegen und Ideen in das Programm einfließen. Aus der Perspektive der Projektmanagerin, des Caterers, des Technikers usw. Diese Vielfalt macht das micelab aus!

MICE Club: Manchmal ist wenig Zeit aber gut, um vor Ausuferung zu schützen und spiegelt vielleicht die Arbeitsrealität wider? Könnte es mit mehr Zeit zu komplex werden?

Anja: Stimmt – wir mussten uns auf das Wesentliche beschränken, das war sicherlich intensiver und intuitiver. Wenn die Co-Hosts jetzt schon zusammenhocken und den September vorbereiten, wer weiß, was bis dahin passiert. Wir werden es sehen, wie sich die längere Vorbereitungszeit auf das Format auswirkt und dann sind wir ja wieder alle Ko-Kreatoren und können daraus lernen – es entweder übernehmen oder ändern.

MICE Club: Was war Euer Schlüsselerlebnis / „Key-Take-Away“?

Anja: Für mich spürbar ist eine Weiterentwicklung auf der persönlichen Ebene. Ich bin eigentlich nicht die, dachte ich, die gerne vorne steht und redet. Ich war im Vorfeld extrem aufgeregt, vier Stunden durch ein Programm zu führen, das hatte ich noch nie gemacht, das hat mich Überwindung gekostet. „All-eyes-on-you“, ich wusste, dass ich verantwortlich bin, für die Teilnehmer, für die Situation. Im Nachhinein habe ich gemerkt, dass es megacool war und viel Spaß gemacht hat! Mein Learning: Ich kann mich auf mich selbst verlassen. Und ich habe von den Teilnehmern Dankbarkeit und Wertschätzung erfahren, das war wunderschön. Und dann noch von Tina Gadow zu hören, dass sie als absoluter Profi auch noch jedes Mal aufgeregt ist, wenn sie vor Gruppen spricht! Diese Info hat die Erfahrung für mich noch authentischer und wahrhaftiger gemacht.

Eva-Maria: Das Co-Hosting hat anscheinend bei vielen von uns das Selbstvertrauen „geboostet“. Auch ich habe gelernt, dass ich mir mehr zutrauen kann, als ich oftmals denke und dass mein Erfahrungsschatz, obwohl ich noch nicht so lange in dieser Branche arbeite, so groß ist, dass ich ihn mit anderen teilen kann.

Catharina: Ich hatte am letzten Abend mein Schlüsselerlebnis, als mir klar wurde, wie wichtig Vertrauen ist, um unvorhergesehene Gänsehautmomente entstehen zu lassen. Wir wurden zum Abschluss angeleitet, gemeinsam Musik zu machen, einen Rhythmus aufzunehmen, mitzugehen, loszulassen. Wir haben uns eingegroovt und wer von außen draufgeschaut hätte, hätte wahrscheinlich gedacht: „Die spinnen“. Und aus dieser Stimmung heraus ist meine Kollegin Chloé-Marie, die eigentlich sehr zurückhaltend ist, einfach ans Klavier gegangen und hat weitergespielt, andere haben sich angeschlossen, es wurde gesungen – es entstand eine spontane Jam-Session. Das war für mich ein ganz besonderer Moment, ich fand es so toll, diese Vertrautheit, dieses Selbstverständnis und die Sicherheit einfach zu tun, worauf man gerade Bock hat.

Da sind Menschen die – wenn man es runterbricht – eigentlich Konkurrenten sind und die können alle einfach sein, wie sie wollen. Das hat mich tatsächlich zu Tränen gerührt und auch da dachte ich zuerst „Oh nein, schlucken, zurückhalten“ aber das musste ich nicht.

MICE Club: Thematisch habt Ihr Euch (auch) mit gelungenen Gesprächen bei Veranstaltungen beschäftigt. Was macht ein gelungenes Gespräch aus?

Anja: Gelungen ist ein Gespräch, wenn es berührt und nachwirkt. Dazu kann ich durch aktives Zuhören beitragen, durch unterschiedliche Blickwinkel, durch viele Verhaltensweisen und Haltungen, mit denen wir uns teilweise schon in anderen micelab-Veranstaltungen beschäftigt hatten. Was mir dieses micelab:experts nochmal ins Bewusstsein gerufen hat, waren im Wesentlichen zwei Elemente:

Zum einen Wertschätzung. Ein Gespräch gelingt, wenn ich (an-)erkenne, was mein Gegenüber mit ins Gespräch bringt, welche Erfahrung er hat und das willkommen heiße.

Zum anderen geht es darum, eine Vertrauensbasis zu schaffen, bevor man ins Thema einsteigt. Wir sollten erst ein paar Minuten (oder Stunden, je nach Länge des Formats) in die Basis investieren. Michael Gleich hat uns eine schöne Kurve gezeigt, mit einem Zeitverlauf auf der X-Achse und einem Ergebnisverlauf auf der Y-Achse. Dort kann man sehen: Wenn ich erst mal Zeit investiere, bleiben die Ergebnisse am Anfang auf einem niedrigen Niveau, sind aber am Ende sehr hoch. Steige ich direkt ins Thema ein, habe ich am Anfang schon Ergebnisse, die aber auf einem gleichbleibend mittelmäßigen Level stagnieren.

Wenn also am Anfang die Basis für Vertrauen gelegt wird, dann sind die Ergebnisse besser, weil Menschen sich trauen, ihren Gedanken und Ideen freien Lauf zu lassen.

Catharina: Das Thema Vertrauensbildung war mein Part als Co-Host. Wir hatten den ganzen ersten Abend diesem Thema gewidmet und ich habe ein Speed-Dating konzipiert und betreut, in dem wir alle uns auf kurze und lustige Art kennengelernt haben. Dadurch hatten wir eine solide Basis und nach meinem Gefühl hat diese Basis dafür gesorgt, dass die Tage, die so voll sind mit Programmpunkten, Gesprächen und Lernen, diesmal viel entspannter und weniger erschöpfend waren, als bei den letzten Malen.

Catherina Hug (Cohosting-Team) moderiert den Programmpunkt "Speed-Dating" zum Kennenlernen am ersten Abend

Eva-Maria: Dieser erste Abend war mein Key-Take-Away, obwohl „eigentlich“ nichts anders passiert ist, als sich kennen zu lernen. Ich konnte erkennen, wie wichtig es ist, eine Vertrauensbasis für die weiteren Tage zu schaffen.

MICE Club: Das hört sich nach einem tollen „Take-away“ an. Was habt Ihr sonst noch übernommen, mitgenommen? Macht Ihr Dinge künftig anders?

Anja: So direkt als „10-Dinge-die-ich-sofort-anders-mache“-Liste habe ich nichts mitgenommen. Das mache ich nie, die Erkenntnisse und Aha-Momente kommen eher subtil. Im Laufe des Tuns habe ich plötzlich mehr Handlungsalternativen, ich kann bewusster auf Details achten, andere Denkanstöße nutzen und geben. Das micelab hilft mir, die Scheuklappen immer wieder aufzumachen, die Betriebsblindheit gar nicht erst aufkommen zu lassen. Gerade, weil es manchmal ein bisschen verrückt ist, was wir da tun.

Was ich für mich, für uns, aus den micelabs mitnehme, ist auch die Vernetzung, der Austausch und das Wir-Gefühl. Ich erfahre, was rund um mich herum geschieht, was für Herausforderungen die Kollegen haben, wie sie die Dinge sehen. Wir wollen eine Online-Community gründen, in der wir Anfragen posten können, wenn wir alleine nicht weiterkommen. Es ist toll, dass wir im micelab den übergreifenden Erfahrungsschatz aus vier Ländern und die geballte Professionalität aller 13 Partner nutzen können.

Tina: Dieses „Wir-Gefühl“ ist die Basis für eine Experts-Gemeinschaft, die auch jenseits der zweitägigen Veranstaltung Bestand hat – und ganz explizit haben soll. Auch vor diesem Hintergrund war uns als Kuratoren klar, dass wir uns in unserer Rolle als Alleinverantwortliche zurückziehen MÜSSEN. Wenn das Format nicht nur als dauerhaftes Modul, sondern als eine lernende Community auch nach der Förderphase weiterleben soll, dann braucht es viele Engagierte, die Lust darauf haben und die wissen, warum es lohnt, es lebendig zu halten.

Catharina: Ja genau, nichts passiert sofort, die Einstellung ändert sich und die Momente, in denen ich dieses „Fachwissen“ abrufe, sind genauso privat wie beruflich. Apropos – dieses „Ja genau und“ ist ein Motto des micelabs, weil es als Überleitung immer noch Aspekte hinzufügt – „Ja genau und“ ist praktisch ein ko-kreatives Tool.

Alexander: Für mich persönlich war es eine unglaubliche Bereicherung, einmal die Position zu wechseln und mit den Kuratoren „an etwas ganz Großem“ mitzuwirken. Neben der persönlichen Entwicklung – kann ich das oder geht das in die Hose – ist es vor allem der Spaß und die Freude, mit Anderen Themen zu bearbeiten und Neuland zu betreten.

MICE Club: Das micelab:bodensee ist für Euch etwas Besonderes, höre ich aus den Antworten?

Anja: Ja, es ist das einzige (mir bekannte) länderübergreifende Netzwerk, das in dieser Form agiert. Vier Länder, die für eine Region stehen und sprechen, das ist ein Alleinstellungsmerkmal. Es geht allen Partnern nicht um „meine Stadt“ / „meine Destination“, sondern darum, die ganze Region weiterzubringen und Synergieeffekte nutzen zu können. Im micelab ziehen verschiedene Länder und Experten an einem Strang und bringen ihr Wissen ein. Der intensive Austausch wertet jedes Element des Netzwerks auf und macht es attraktiver.

MICE Club: Wie profitiert Ihr von Eurem Engagement?

Anja: Durch das micelab steigt meine Beratungsqualität. Ich bekomme durch die Mitarbeit und Teilnahme neue Impulse. Ich kann in der Kommunikation mit den Kunden ganz viel von den Erfahrungen aus den Workshops ein- und umsetzen. Davon profitieren natürlich die Planer, weil ich dem Kunden helfen kann, seine Antworten selbst zu finden, seinen Bedarf klarer zu formulieren. Die Beratung wird besser, weil mein Blick für die Potenziale und Möglichkeiten der Region weiter wird. Also finde ich andere, vielleicht sogar bessere Lösungen. Am Ende ist es der Kunde, der von dieser steigenden Beratungsqualität profitiert.

Außerdem ist es für uns als Destination wichtig, aktuelle Informationen aus den anderen Bodenseeregionen und aus den Veranstaltungslocations zu haben. Wenn ich eine Anfrage bei uns nicht realisieren kann, weiß ich mittlerweile ganz genau, wo sie umsetzbar wäre, kann meine Kunden also zum Beispiel (wie letztens passiert) nach Singen oder auf die Insel Mainau verweisen und Ansprechpartner nennen.

MICE Club: Das ist im Sinne der Kundenbindung natürlich perfekt, denn so bleibt Dein Ansprechpartner Dir gewogen und die nächste Anfrage passt dann vielleicht.

Anja: Genau. Die Kundin, die angefragt hatte, musste ihre Suche nicht wieder bei null beginnen und war sehr dankbar. Das ist ja auch für mich ein gutes Gefühl und macht meinen Job angenehmer, als nur zu sagen „Tut mir leid, das geht hier nicht.“

MICE Club: Ihr Lieben. vielen Dank für Eure Offenheit und dafür, dass Ihr Eure Erfahrung mit uns geteilt habt. Ich denke, es ist deutlich geworden, dass Co-Hosting und / oder Ko-Kreation-Prozesse eine Veranstaltung aufwerten, weil sie das Engagement und das Verantwortungsgefühl jedes Teilnehmers und jeder Teilnehmerin steigern und eine homogene Gruppe mit einer gemeinsamen Zielsetzung schaffen. Da wollen wir alle mehr von, oder?

*Wir bedanken uns für die Teilnahme an diesem „virtuellen Round-Table“ bei:

Eva-Maria Feuerstein, Kongresskultur Bregenz GmbH; www.kongresskultur.com
Anja Gunz, convention partner Vorarlberg, www.convention.cc
Alexander Heger, Insel Mainau, www.mainau.de
Catharina Hug, Bodenseeforum Konstanz, www.bodenseeforum-konstanz.de
Sandra Lempp, Milchwerk Radolfzell, www.radolfzell.de
Tina Gadow, Facilitator, www.tinagadow.de


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Bildquellen: Luisa Axtmann, Michael Gleich

Autor: Andrea Goffart

Veröffentlicht am: 24.05.2018


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