Jetzt MICE Club-Mitglied werden oder 30 Tage kostenfrei testen

<   Zurück
EventTech

„Du findest uns unter der Bühne, in den Traversen, hinter den Wänden, im Zweifel auch unter dem Boden.“

Berufsbilder in der Eventbranche: Im Gespräch mit Gerrit Riemer, Veranstaltungstechniker bei Gahrens + Battermann

Gerrit Riemer arbeitet seit seiner Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik für Gahrens + Battermann. G+B ist Full-Service-Dienstleister auf den Gebieten der Veranstaltungstechnik und Eventdienstleistung. Gerrit hat sich dort auf den Bereich Videotechnik spezialisiert, um Veranstaltungen, Messestände oder Produktpräsentationen eindrucksvoll zu inszenieren.

MICE Club: Gerrit, schön, dass wir zusammengefunden haben und über Deinen Job sprechen können. Euch Veranstaltungstechniker sucht man ja oft …

… und findet uns unter der Bühne, in den Traversen, hinter den Wänden, im Zweifel auch unter dem Boden – das ist ja unser Job. Wir bedienen die Technik nicht nur, wir planen sie, bauen sie auf, vernetzen die unterschiedlichen Gewerke.

MICE Club: Wo bist Du im Einsatz, wo treffe ich Dich zum Beispiel jetzt an?

Ich bin überall im Einsatz, wo mein Fachgebiet Videotechnik benötigt wird, auf Messen, Konferenzen, Konzerten, in großen Veranstaltungshäusern, bei Open-Air-Events und so weiter. Im In- und Ausland, mit den unterschiedlichsten Branchen und Themen.

Gerade erwischst Du mich zum Beispiel auf der ANUGA Foodtec, auf dem Kölner Messegelände. Das ist für mich als Kölner ausnahmsweise ein Heimspiel. Wir haben heute Morgen eine Pressekonferenz für den Kunden aufgebaut, die jetzt läuft und von zwei Kollegen „gefahren“ wird. Deswegen habe ich Zeit mit Dir zu telefonieren, ich halte mich im Hintergrund, falls ich eingreifen muss.

(Was tatsächlich im Telefonat zweimal passiert und sehr entspannt abläuft.)

MICE Club: Veranstaltungstechniker sind eher „im Stillen“ unterwegs, unter Böden und so weiter. Wie bewältigst Du den teilweise überbordenden Kommunikationsbedarf der Kunden, Agenturkollegen, Regisseure …?

Das ist manchmal tatsächlich eine andere Welt und ich versuche, mich in den Kunden und diese Welt hineinzuversetzen. Umgekehrt würde ich als Kunde auch erwarten, dass mein Ansprechpartner mir zuhört, mir Dinge erklärt und gemeinsam mit mir nach Lösungen sucht. Mir hilft es, dieses Verständnis aufzubringen und zu sehen, dass wir beide im gleichen Boot sitzen, weil wir beide ein gutes – das beste – Ergebnis haben wollen. Dann ist es einfach. Und außerdem ist es ein Stück der Faszination meines Jobs, immer wieder aus der Situation heraus eine kreative Lösung zu finden und umzusetzen.

MICE Club: Das hört sich sehr abgeklärt an – oder sehr gut geschult? Gibt es bei Euch spezielle Umgangsschulungen für die Kundenkommunikation?

Nein, soweit ich weiß, brauchen wir das nicht. Gesunder Menschenverstand reicht da aus, meines Erachtens. Und man lernt viel von den älteren Kollegen – aufpassen, nachdenken, dann erst handeln.

MICE Club: Wer ist denn bei Euch eigentlich der Ansprechpartner – auf wen trifft der Kunde mit seinen Anliegen?

Der Erstkontakt erfolgt über unsere Verkäufer, sie nehmen den Kundenwunsch auf, erstellen eine erste Grobskizze zu Aufbau und Ablauf. Dann geht der Ball an die Fachplaner – unsere erfahrenen Meister, die oft aus der Radio-/Fernsehtechnik kommen.

Die Planer stimmen sich mit Verkäufer und Kunden ab, besuchen die Location und klären die wichtigen Details: Was darf mit welchem Gewicht wo an der Decke hängen, wie kann ich Lasten verteilen, zum Beispiel. Dann werden von ihnen die Pläne gemacht.

Jetzt kommen wir als Veranstaltungstechniker ins Spiel und schaffen aus den Plänen Fakten. Unser Job basiert auf der guten Vorarbeit der Fachplaner, die wir dann vor Ort live umsetzen. Fast immer müssen wir – egal wie gut die Vorarbeit war – spontan umplanen und auf veränderte Bedingungen reagieren, aber dafür sind wir ja da. Ich zumindest habe es bisher nie erlebt, dass es vor Ort nicht geklappt hätte.

MICE Club: Du hast eben gesagt, dass Ihr im Team unterwegs seid. Wie stelle ich mir das vor?

Veranstaltungstechnik ist Teamarbeit. Gerade weil die Technik ständig komplexer wird, sind wir fast immer ein Team von Spezialisten für Ton und Licht, Riggern, die die Traversen bauen und so weiter.

Zwar lernen wir in der Ausbildung die Grundlagen in jedem Bereich, Ton, Licht, Video, Traversentechnik usw. Um auf dem Stand der Technik bleiben zu können, ist eine Spezialisierung sinnvoll und nötig, wie bei mir die Videotechnik, die ja einer der Schwerpunkte von G+B ist. Allerdings sehe ich aktuell einen Trend, dass die neueren Generationen wieder mehr zu Allroundern werden. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt.

MICE Club: Was fasziniert Dich an der Videotechnik?

Sie ist unglaublich kreativ. Mit Projektionen, mit Mappings kann ich Realitäten schaffen, zum Beispiel Gebäude einstürzen lassen oder wieder aufbauen. Ich kann Bühnen eine dreidimensionale Tiefe schaffen, Menschen, die weit weg sind, mit Holos auf die Bühne holen … – eigentlich ist alles möglich, die Grenze ist das Budget. Ein Video ist selbsterklärend, ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Ich kann ein Bild in 20 Minuten Vortrag beschreiben oder ich kann es zeigen. Dieses Auf-den-Punkt-bringen, das mag ich.

MICE Club: Ich höre da eine große Begeisterung für die Möglichkeiten der modernen Technik. Ist nicht manches überhypt?

Auf jeden Fall – für mich das ganze Thema Auflösung – HD, VHD, 4K und so weiter. Der Aufwand steigt immens, das Ergebnis nur marginal. Die meisten sehen den Unterschied wahrscheinlich noch nicht mal. Aber es gibt die Technik, sie wird promotet und angeboten, also möchte der Kunde sie auch haben.

Modernste Technik zu nutzen spricht für die Modernität und Fortschrittlichkeit des Unternehmens, deswegen ist es zum Beispiel bei Messeständen immer ein Thema – schließlich steht der Firmenname drüber und den will man gut präsentiert sehen, sozusagen im besten Licht.

Wichtig ist, dass wir Hype gegen Funktionalität abwägen und uns fragen, ob dieses Quäntchen „mehr“ den deutlich höheren finanziellen und technischen Aufwand wirklich nötig macht. Meistens hängt hinter „mehr Auflösung“ ein Rattenschwanz, denn für das 4K-Display benötige ich die 4K-Präsentation und am besten nicht nur eine …. Möglich ist das alles, oft ist es mehr eine Budget- und eine Sinnfrage. Hier sehe ich uns als Techniker in der Beraterfunktion, nicht mit dem Fokus „was ist möglich“, sondern „was ist sinnvoll“.

MICE Club: Hast Du ein Beispiel für die Beraterfunktion?

Zum Beispiel LED-Wände. Früher hatten die Lichtpunkte dieser teilweise riesigen Hintergrundwände fünf bis sechs Millimeter Abstand, jetzt sind wir bei drei bis vier Millimetern, das ist schon richtig gut. Trotzdem mag der Kunde oder der Referent direkt vor der Wand stehen und den Eindruck äußern, dass die Auflösung nicht reicht. Dann müssen wir vermitteln, dass der Zuschauer ja nicht vor der Wand steht, sondern in 10 Metern Abstand oder noch weiter weg ein vollflächiges, perfektes Bild sieht. So einfach ist es manchmal, es fehlt nur die Vorstellungkraft.

Ich glaube, neben all der technischen Kompetenz, mit der ich den Kunden über 4K und HD, LED und so weiter informieren kann, ist Vertrauen viel wesentlicher. Wenn der Kunde weiß, dass wir „abliefern“, dass es unser Anspruch ist, bestmöglich abzuliefern und dass wir seine Belange verstanden haben, dann vertraut er mir, wenn ich sage: Das lohnt sich nicht, wir lassen es jetzt so.

Umgekehrt ist es natürlich gut, all diese modernen Möglichkeiten zu haben, denn schlechte Technik macht eine Veranstaltung sehr, sehr unsicher. Klar, wir können auch mit wenig Mitteln vieles hinbekommen, allerdings vermittelt moderne Technik eine große Funktionssicherheit, Stabilität und Zuverlässigkeit, dass alles dann und so läuft, wann und wie es soll.

MICE Club: Warum bist du Veranstaltungstechniker geworden?

Ich habe als Jugendlicher viel Musik gemacht und in der Schule die Veranstaltungstechnik AG besucht, dort entstand mein Interesse und der Kontakt zu G+B.

MICE Club: Bei Euch gab es eine Veranstaltungstechnik AG? Ich wusste gar nicht, dass es sowas gibt?

Ja so etwas gab es glücklicherweise bei uns in der Realschule. Wir haben die Technik für Karnevalsveranstaltungen und für die Theater AG gemacht, größere Präsentationen technisch begleitet. Auf jeden Fall musste ich damals schon arbeiten, wenn andere gefeiert haben.

MICE Club: Macht Dir das etwas aus?

Eigentlich nicht, ich hätte ja trotzdem genug freie Zeiten, wenn ich feiern wollte. Meistens ist mir mein Job trubelig genug, da kann ich im Privaten gerne die Ruhe genießen.

MICE Club: Die Veranstaltungstechnik ist immer noch ein klassischer Männerberuf, oder?

Ja, leider immer noch. Ich glaube, an dem „Barbie“-„Auto“-Klischee ist doch etwas dran. Es gibt zu wenig Frauen, die sich für technische Berufe interessieren und dann ist unser Job natürlich Knochenarbeit: LKW be- und entladen, Scheinwerfer und Traversen schleppen, das sind schon Gewichte. Klar, ich kenne auch Frauen, die Rigger sind, aber die sind eher die Ausnahme. Wir setzen uns als Veranstaltungstechniker halt nie an den gemachten Platz, wir bauen unseren Arbeitsplatz erst mal selbst auf. Durch die immer weiter gehende Spezialisierung gibt es zwar mittlerweile Licht- oder Powerpoint-Operatoren, die nur bedienen. Auch die haben sich meist später spezialisiert und erst den Knochenjob gelernt.

MICE Club: Und findest Du das sinnvoll oder könnte man schon im Vorfeld, in der Ausbildung, mehr spezialisieren?

Hm, schwierig. Obwohl wir Spezialisten sind, sehen und verstehen wir das Gesamtbild. Und dieses Verständnis ist extrem wichtig, denn wir sind aufeinander angewiesen. Es geht in unseren Jobs darum, über den Tellerrand hinauszudenken und zum Beispiel zu sehen, dass hier eine Schnittstelle sinnvoll ist, da ein Kabel schon für den Kollegen mitgezogen werden kann. Ohne alle geht es halt nicht.

MICE Club: Was sind eigentlich Deine wichtigsten Arbeitsutensilien?

Laptop, Leatherman, 17-er und 19-er Schlüssel, Verstand, Geduld, Spaß und Lust.

MICE Club: Wie fängt ein typischer Arbeitstag für Dich an?

Mit Kaffee und Zigarette. Dann mit einer Teambesprechung und Sicherheitsunterweisung. Hier kommen alle Gewerke zusammen und wir besprechen, was zu tun ist, wo was hinkommt, wo die Regie steht und so weiter.

Gerrit Riemer, G + B

Essenziell ist, dass ich als Techniker, sozusagen am Ende der Informationskette, verstehe, was das Endprodukt sein soll, das große Ganze im Blick habe, nicht nur meinen kleinen Bereich. Erst wenn es „klick“ gemacht hat, kann ich Lösungen anbieten, improvisieren und Dinge weiterdenken. Im Prinzip ist es wie auf‘m Bau: Wenn ich nicht weiß, dass die Mauer gerade werden soll, haue ich die Steine irgendwie aufeinander.

MICE Club: Lösungen anbieten, improvisieren, Dinge weiterdenken – Du musst oft spontan reagieren. Reißt dann schon mal der Geduldsfaden, zum Beispiel, wenn fünf Minuten vor Veranstaltungsbeginn der Referent mit einem USB-Stick und einer neuen Präsentation ankommt?

Puh. Kommt mir bekannt vor (lacht). Klar, ich KANN fünf Minuten vor Beginn alles umwerfen, aber das geht zu Lasten der Ablaufsicherheit. Wir planen ja nicht aus Spaß die Dinge gründlich und akribisch. Wenn der Kunde kurz vor knapp alles umwirft, dann muss ich ihm die Gefahr aufzeigen. Das nervt mich dann, was der Kunde nicht unbedingt mitkriegen muss. Nur wenn es dann schief geht, ist es für mich genauso ein blödes Gefühl wie für den Präsentierenden, dessen Präsentation scheitert. Und schade ist es auch für die ganze Arbeit, für das ganze Team. Und für die Zuschauer sowieso.

MICE Club: Nach dem, was Du mir bisher erzählt hast, bin ich unsicher – Traumjob oder nicht? Würdest Du den Job empfehlen?

Auf jeden Fall. Allerdings muss jeder, der Veranstaltungstechniker (oder eben Technikerin, bitte schön) wird, sich der schwierigen Vereinbarkeit mit Familie, Beziehung und Freundeskreis bewusst sein. Wir sind viel unterwegs, haben unmögliche Arbeitszeiten, sind manchmal zwei oder drei Wochen am Stück im Ausland. Ich selbst war dieses Jahr – und es ist gerade mal März - schon auf sieben Auslandseinsätzen. Das macht Beziehungen schwer oder unmöglich. Wenn man das in Kauf nimmt, dann hat man einen Traumberuf, der sehr erfüllend ist. Weil wir als Team großartige Dinge „aus dem Nichts“ entwickeln. Wir gehen in einen leeren Raum, schaffen gemeinsam eine Kreation, kommen wieder raus und der Kunde ist glücklich. Was könnte schöner sein?

MICE Club: Wenn Du es so sagst, wüsste ich auch nichts Schöneres. Danke für das Gespräch, lieber Gerrit und viel Spaß weiterhin in Deinem Traumjob.


Das könnte Sie auch interessieren:


Bildquelle: Gahrens + Battermann

Autor: Andrea Goffart

Veröffentlicht am: 02.05.2018


Verfasse einen Kommentar

×

×