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Themensammlung - Inszenierung/Konzeption

Eine Aura des Fantastischen

Wie der Genius Loci bei der Inszenierung hilft

Der Mensch braucht Reize. Erlebnisse. Erfahrungen. Eindrücke, die Emotionen evozieren und die Synapsen in Schwingung bringen. Nachhaltig ist, was auf neue, ungekannte Weise berührt. Inspiriert. Und damit, bei aller Vergänglichkeit, zum ‚unvergesslichen Moment’ wird. Im Eventbereich heißt es also: In Szene setzen. Und zwar am richtigen Ort!

Je unverfälschter ein Erlebnis, desto unmittelbarer wirkt es. Da werden Identitätsprofile kreiert, bekannte Orte „neu erfunden“ und in einen komplett anderen Kontext gestellt oder „nachverdichtet“ (Immobilen Report 2016). Das heißt: Der Geist einer Location wird erfahrbar gemacht. Schließlich ist immer schneller, höher, weiter nicht zwingend auch schöner, emotionaler und tiefer. Für eine gelungene Inszenierung müssen nicht die Sterne vom Himmel geholt – aber Schmetterlinge im Bauch heraufbeschworen werden. Erlebnisse profitieren dabei von einer Aura des Authentischen. Das unverfälschte Ereignis ist das glaubwürdige Erlebnis. Der Magic Moment.

Über seinen ganz persönlichen ‚Magic Moment’ und Storytelling-Incentives haben wir heute mit Gerrit Jessen, Geschäftsführer der Eventagentur MCI Deutschland, gesprochen.

MICE Club: Herr Jessen, der Begriff des Genius loci prägte bereits im 19. Jahrhundert das Phänomen der Studienreise: Der Mensch will das Gefühl haben, der erste an einem ‚unverfälschten’ Ort zu sein, etwas scheinbar Unberührtes entdecken. Ist der Genius loci demnach gar kein Trend, sondern eine "Grunderfahrung"?

Gerrit Jessen: Ja, absolut richtig. Genau diese Grunderfahrung gilt es, sich zunutze zu machen.

MICE Club: Wohnt prinzipiell jedem Ort eine Aura inne, die auf neue Weise erfahrbar gemacht werden kann?

Gerrit Jessen: Prinzipiell ja. Aber natürlich gibt es mehr oder weniger ansprechende Orte. Am Ende des Tages kann allerdings jeder Ort magisch werden, wenn man dort ein hoch emotionales ‚Once in a lifetime’-Erlebnis hat. Denken Sie an das Gefühl erster Verliebtheit: Es lässt jeden Ort, jeden Raum zu einer rosaroten Wolke werden. Die Wahl einer noch so schönen Destination macht noch nicht den Erfolg eines Incentives aus. Vielmehr müssen das Programm, die vielen Details, die das Erlebnis des Gastes ausmachen, zu einem nachhaltig emotionalisierenden Gesamtpaket werden. Anders herum kann man auch an einem auf den ersten Blick weniger spektakulären Ort ein fantastisches Incentive realisieren, wenn man die richtigen Stellschrauben dreht. Destinationen sind quasi die ‚Bühne’, auf der das Incentive spielt. Die Herausforderung bei der Konzeption eines erfolgreichen Incentives liegt darin, diejenigen Räume zu wählen und Programmelemente zu gestalten, die der Zielgruppe ins Herz gehen.

MICE Club: Und wie erspürt man diesen Geist?

Gerrit Jessen: Zu wissen, welche Destination zu einer Zielgruppe passt und welche Venues und Programmelemente den nachhaltigsten Eindruck machen, hat sehr viel mit Erfahrung zu tun. Da entscheidet oft eine Intuition, ein Bauchgefühl und ein Gespür für die richtige Idee, das richtige Konzept.

MICE Club: Seit einiger Zeit beobachtet man eine Rückbesinnung zum Regionalen. Gerade in Zeiten großer Krisen gibt es eine Hinwendung zur Lokalität. Inwiefern beeinflusst dieser Trend Ihre Arbeit?

Gerrit Jessen: Als Trend würden wir die Rückbesinnung zum Regionalen nicht bezeichnen, den kann man nicht pauschalisieren. Aber tatsächlich schließen einige Kunden aus geopolitischen Gründen heute Regionen aus, die zuvor im Incentive-Bereich hoch im Kurs standen. Und auch Budgetkürzungen können zu einer Abwendung von Fernreisen oder Mittelstrecke und Hinwendung zur Lokalität führen. Die Problematik liegt dabei im Bereich des ‚motivatorischen Triggers’: Das Geld verdient der Kunde mit dem Instrument ‚Incentive’ in der Wettbewerbsphase, und da spielt die Exotik, das Image des Angebots, immer noch eine zentrale Rolle. Man schaut zusätzlich auch auf die Mitbewerber. Wenn der Mitbewerber den gleichen Teilnehmerkreis nach Kuba einlädt, dann kann man selbst schwerlich den Harz ausloben. Obwohl das mit dem gleichen oder einem knapperen Budget dann möglicherweise am Ende sogar das bessere Endprodukt wäre. Aber wer in der harten betriebswirtschaftlichen Phase der Wettbewerbspräsentation vorne liegt – das ist unschwer zu erraten, oder?

MICE Club: Nach welchen Kriterien suchen Sie die Veranstaltungsdestinationen aus?

Gerrit Jessen: Nach einer ganz einfachen Formel: Passgenauigkeit zur Zielgruppe in Kombination mit dem verfügbaren Budget.

MICE Club: Kann man eigentlich noch wirklich neue Destinationen finden, oder geht es hier auch darum, im gewohnten Umfeld eine Location ins rechte Licht zu rücken, die man so vielleicht gar nicht bewusst wahrgenommen hat?

Gerrit Jessen: In den letzten acht, neun Jahren ist die bespielbare Weltbühne gefühlt kleiner und die Ansprüche von Auftraggebern und Zielgruppen gleichzeitig größer geworden. ‚Größer, innovativer, exklusiver, weiter’ funktioniert weniger denn je. Die Budgets sind ebenfalls kleiner oder haben sich zumindest nicht erhöht. Die berühmte Quadratur des Kreises eben… Doch die Welt dreht sich und das heißt, vieles kommt auch wieder, verändert sich, erfindet sich neu. Das betrifft vor allem auch Destinationen. Man muss also gar keine ‚neuen Orte’ finden, sondern die für die jeweilige Zielgruppe richtigen Destinationen und dort die passenden Locations und Programmpunkte identifizieren, die den Nerv der jeweiligen Zielgruppe treffen. Es liegt nicht an uns, das Image einer Destination zu verändern, sie ‚ins rechte Licht zu rücken’, vielmehr können wir durch einen emotionalisierenden Programmpunkt die Wirkung einer Destination auf die Teilnehmer verändern.

MICE Club: Gibt es eigentlich auch No-Gos?

Gerrit Jessen: So simpel es klingt, ja. Zum Beispiel eine ‚Hetzjagd’ zu veranstalten, Fehler bei Essen & Trinken oder aber die Missachtung der menschlichen Grundbedürfnisse – wer will schon frieren oder schwitzen, hungrig, durstig oder erschöpft sein? Auch ist es ein großer Fauxpas, wenn schlicht die Destination verfehlt ist – auf jeden Fall sollte eine Destination kein ‚Billig-Image’ ausstrahlen. Und natürlich sollte eine Incentivereise niemals mit einer Studienreise verwechselt werden.

MICE Club: Ein Blick in die Glaskugel: Wohin wird die Entwicklung für Incentives gehen?

Gerrit Jessen: Der 360°-Ansatz ist relevant, auch Incentives müssen 1:1 auf die Marke einzahlen. Angefangen von der Wettbewerbsankündigung bedarf es einer passgenauen, zielgruppenkonformen Kommunikation. Die Unternehmensbotschaft und Markenwerte werden dann zu permanenten Reisebegleitern in Form eines durchgängig roten Fadens. Allerdings in subtiler Form und nicht mehr, wie früher, mit schreiender Logoplatzierung immer und überall. Der Trend muss klar zu ‚mehr Marke’ gehen, und zwar aus zwei Gründen: Einmal werden während des Incentives natürlich sehr stark Loyalitäten aufgebaut und Identifikation gestiftet – den positiven Markenkern muss der Mitarbeiter oder Handelspartner auf einer ausgedehnten Zeitachse ja förmlich verinnerlichen. Zudem haben wir es hier häufig mit Vertriebszielgruppen zu tun. Und gerade die sind erstrangige Multiplikatoren, Markenbotschafter par excellence.

MICE Club: Ihr Impuls beim MICE Club LIVE 2016 ist mit dem Titel ‚Storytelling Incentives’ überschrieben. Wie wichtig ist das Erzählen einer Geschichte? Können Sie noch kurz beschreiben, was die Teilnehmer bei Ihrem Workshop erwartet?

Gerrit Jessen: Der Untertitel lautet: ‚Die Inszenierung einer Destination mit Hilfe des Genius Loci’. Geschichten sind authentisch zu menschlichen Erfahrungen. Sie sind der Technologie stets voraus und bringen uns zum Kern der Botschaft, wie jeder gute Geschichtenerzähler weiß. Es gibt mehrere Gründe, warum gute Geschichten so wichtig sind für das Erleben einer Destination. Dieses Thema gemeinsam zu erarbeiten, darum geht es in dem Workshop.

MICE Club: Noch eine abschließende Frage: Was ist für Sie ein ‚Magic Moment’?

Gerrit Jessen: Wenn wir Menschen mit Menschen zusammenbringen, entsteht etwas Magisches. Etwas Einzigartiges. Etwas Einfaches, etwas Heroisches, etwas Rührendes, etwas Inspirierendes, etwas Motivierendes. Was wirklich zählt ist das Gefühl dieses Momentes mit der gewünschten Botschaft so in Einklang zu bringen, dass die Menschen das Gewünschte auch tun. Denn es gibt nichts Gutes, außer man tut es!

Alle Informationen zum MICE Club LIVE finden Sie gebündelt hier.

Weitere Informationen zu Gerrit Jessen.


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Bildquelle: MCI Berlin

Autor: Yvonne Egberink

Veröffentlicht am: 21.01.2016


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