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Themensammlung - Inszenierung/Konzeption

Sein oder nicht sein? Oder einfach mal anders sein?

Wie Shakespeare Managern und Kreativen hilft

Selbstfindung, Selbstoptimierung, Selbstentscheidung: Kaum eine Dekade war je so stark von der Hingabe an das Individuum geprägt, wie das 21. Jahrhundert. Doch ganz ohne Konzentration auf das Selbst geht es eben nicht. Nur wer seine eigenen Verhaltensmuster und Ängste kennenlernt, wer versteht, wie er urteilt oder wo seine Ziele liegen, kann diese auch erreichen. Schöpferisch werden. Dass man neue Impulse und seine wahren Potenziale dabei weniger auf den Grabbeltischen dieser Welt, nämlich kaum in den „100 Tipps für einen besseren Führungsstil“- oder „Kreativ über Nacht“-Ratgebern findet, sondern eher in sich selbst, dem „leeren Raum“, weiß Raphaela Dell, Schauspielerin, Moderatorin und Business-Coach. Sich dem Nichts stellen – klingt zunächst angsteinflößend. Ist aber gerade für die Eventbranche, die unter Erfolgs- und Pitchdruck steht, ein Weg zu neuer Kreativität und Effizienz. Was genau das jetzt mit Shakespeare zu tun hat? Eine ganze Menge.

Mit Shakespeare zum guten Führungsstil

„Shakespeare goes Business“ – an wen richtet sich Dein Workshop, Raphaela?
Normalerwiese ist das Seminar ein Tool für Wirtschaftsbosse oder solche, die es werden wollen. Für den MICE Club LIVE arbeite ich den Antriebsmotor der Eventbranche heraus.

Warum Shakespeare?
Shakespeare zeigt immer das Ganze, während man im Berufsalltag in der Regel nur „Ausschnitte“ erkennt. Man wird mit der Zeit ein wenig betriebsblind und übersieht Fallstricke, wenn man nur noch ergebnisorientiert und getrieben handelt. Hier kann Shakespeare ein guter Berater sein, dessen Werke sich wie archetypische Märchen als Ratschläge verstehen lassen, wie man es am besten nicht tun sollte. Seine Werke machen sehr deutlich, warum Dinge ihren Lauf nehmen: Das, was oft als „schicksalshaft“ abgetan wird, ist bei genauer Betrachtung schlicht mangelnde Wahrnehmung und Achtsamkeit sowie Arroganz.

Shakespeare warnt vor Arroganz?
„Geh Dir nicht selber auf den Leim“ ist sicher eine seiner Botschaften. Alles, was Du selber von Dir denkst, auch wenn Du Erfolg hast, hat verschiedene Seiten.

Ist das die Essenz eines guten Führungsstiles?
Durchaus. Ich bin letztlich ein Storyteller, ich erzähle Geschichten, gefiltert durch meine Erfahrungen. Wenn ich jemanden davor bewahren kann, nicht in die Eigenheitsfalle, die Arroganzfalle zu tappen – das kann natürlich mal passieren, zum Beispiel, wenn man sich zu sehr freut oder zu erfolgreich ist – kann ich ihm einen erweiterten Blick vermitteln. Einen ganzheitlichen Blick. Ich sage an dieser Stelle: Achte darauf. Guck hin.

Aber nicht jeder Manager scheitert an der Arroganzfalle, was also macht einen passenden Führungsstil aus?
Wie bei allem gibt es natürlich auch hier nicht den einen Schlüssel zum Glück. Das Ganze hängt stark von der eigenen Persönlichkeit ab. Ich würde eher sagen: Es gibt für jede Führungskraft einen authentischen, persönlichen Stil, der mit seinen Anlagen übereinstimmt. Und genau darum geht es. Diesen Stil, diese Anlagen herauszuarbeiten.

Und in einer guten, authentischen Geschichte zu verpacken?
Oh ja, nicht umsonst ist Storytelling im Geschäftsleben schon seit Längerem eine wichtige Größe und Kompetenz. Auf dem Weg zur persönlichen, passenden Story kann ich unterstützen und aufzeigen, wie man eine Geschichte packend so erzählt, dass die Botschaft deutlich wird und andere sie sich merken, sie verinnerlichen.

„Wenn Sie den Mut haben, gute und persönliche Geschichten zu erzählen, folgen Ihnen die Leute gerne in Ihre Gedankengänge – und dann eventuell sogar auch in Ihre Pläne.“

Mut und Storytelling sind ein Tool – gleichzeitig geht es aber auch darum, seine Potenziale überhaupt erst einmal zu erkennen. Warum ist es so schwer, Potenziale wahrzunehmen und nach ihnen zu handeln?
Ich bin Jungianerin (Anhängerin der Theorien von C. G. Jung, Anm. d. R.), weil er es wie Nietzsche hält: „Werde, der Du bist!“ Jeder kommt mit einem Blueprint von sich selbst auf die Welt, der Anlage, wie man sich unter den besten Bedingungen entwickeln kann. Ich versuche in meiner Arbeit, mit den Teilnehmern genau auf diese Spur zu kommen. Helfen zu erkennen, wer sie selber sind und dieses verborgene Wissen zu nutzen. Allerdings ist es schwer, wenn man sich tief in der Komfortzone vergraben hat: Der Summe aller Strategien, die man von außen erlernt hat und mit denen man gut durchs Leben kommt. Das sind tief verwurzelte Mechanismen, die man durchbrechen muss, weil plötzlich eine Intuition da ist, die sagt, es gibt noch etwas „hinter dem Horizont“ für mich.

Damit geht man aber ins Risiko?
Natürlich, Veränderung bedeutet immer auch erst einmal, Sicherheit zu verlieren, auch wenn am Ende eigentlich immer alles gut geht. Der „Fuzzi“, so nenne ich den kleinen Mann in uns, den Bewahrer der Komfortzone, warnt natürlich vor diesem Schritt: „Das kennst Du nicht, das brauchst Du nicht“.

Die Eventbranche geht auf die Heldenreise

Wer jetzt aber doch weitergeht, findet sich im sogenannten leeren Raum, den Du als Impuls in Deinen Workshops aufsuchst?
Genau hier verläuft die rote Linie, an der man als Führungskraft und Kreativer dann steht: Innerhalb der Komfortzone ist unser Denken passiv, wir wandeln auf bekannten Schienen und Wegen. In dem Moment, wo man an der Grenze zum Unbekannten steht, entsteht ein Vakuum: Der leere Raum, Horror Vaccui, ist das Vakuum zwischen dem Bekannten und dem neuen Unbekannten, wo das Denken wieder aktiv einsetzen, sich bewähren muss. Ab hier geht man also wie Shakespeares Figuren auf die Heldenreise.

Und wo schlägst Du die Brücke zur Eventbranche?
Genau hier, im leeren Raum: Diesen Raum bewusst aufzusuchen, ist mein Ratschlag an die Eventbranche. Sie wird wie wir Schauspieler immer für kreativ gehalten. Was sie auch ist. Aber: Hier wie dort herrscht großer Erfolgsdruck, herrscht Budget- und Pitchdruck. Mit meiner Erfahrung als Conceptioner für Eventagenturen kenne ich die Mechanismen: Meist startet der Prozess mit einem Design-Thinking-Workshop, um Ideen zu finden. Man einigt sich auf eine Idee, auf die dann die gesamte Energie verwendet wird. Damit meine ich: Kaum ist die Tinte trocken, stürzen sich alle anderen Gewerke auf diese eine Idee und arbeiten sie aus – bis ins allerkleinste Details. Es startet ein Perfektionszwang, mit dem Ergebnis, dass dem Kunden fix und fertig alles serviert wird. Für mich liegt genau hier der Punkt, wo sich viele um Chancen bringen, den Kunden mit ins Boot zu holen. Weil sie eben den Schritt in die wirkliche Kreativität scheuen. Sie lassen keinen leeren Raum, den der Kunde füllen kann, um das Konzept rund zu machen, sondern produzieren lieber sichere Ergebnisse.

Man sollte also viel mehr Schleifen drehen?
Unbedingt. Ich plädiere für den Mut, bewusst Lücken zu lassen und den Kunden mit in den Dialog einzubeziehen – genau das wird auch Teil des Workshops sein.

Weil man dann, verstehe ich Dich richtig, statt eines leeren Raumes tatsächlich Fülle findet?
Genau. Als anspruchsvoller Kunde bin ich natürlich überrascht und erfreut, wenn ich so gar keinen Finger mehr rühren muss. Aber genau das ist auch der größte Fehler, der am Ende doch zur Diskussion um Budgets und Nützlichkeit führt. Hier nicht den Mut zu haben, den Kunden zu fordern, zur Mitarbeit aufzufordern, ihn mit ins Boot zu nehmen, denn so kann man sich die ganzen Diskussionen um Budgets und Nützlichkeit am Ende ersparen.

Du plädierst also dafür, an einem bestimmten Punkt innezuhalten und sich die Dinge selbst mal entwickeln zu lassen – Kontrolle abzugeben?
Natürlich weiß ich dabei als Dienstleister immer noch, wo es hingehen soll. Doch ich „führe“ den Prozess klug. Im Ergebnis kann es dann zwar sein, dass ich ein paar Ideen umsetzen muss, die nicht meine sind. Aber es bleibt trotz allem mein Auftrag und ich arbeite an der Kundenzufriedenheit: Als Teil des Prozesses kann sich der Kunde viel besser wiederfinden, er hat eher das Gefühl, dass ihm jemand wirklich zugehört hat und setzt am Ende genau das um, was ich als Dienstleister meine. Es geht also um eine veränderte Haltung, dem Kunden eben nicht den leeren Raum zu ersparen, sondern ihn bereits in der Konzeption gemeinsam zu betreten. Nicht nur auf „Erfolgsgeschichten“, das Bekannte zu setzen. In meiner Arbeit merke ich: Es ist eine große Aufgabe aber auch Inspiration, diesen Punkt, den Moment, wo man über die Schwelle tritt, auszuhalten. Zu sagen: Ich habe schon etwas entwickelt, fange aber nochmal von vorne an. Das macht Angst. Angst, Zeit- und Budgetgrenzen zu überschreiten.

Viele können sich sicher nicht vorstellen, dass der Blick in das Nichts konstruktiv sein kann.
Dafür braucht es Standing. Mut. Und Transparenz. Wer in seinem Tun in der Komfortzone bleibt, erspart sich Unsicherheit, Angst und Risiko, verzichtet aber auch auf viele Möglichkeiten und echte Kreativität. Natürlich sind Muster zu fest, als sie komplett zu ersetzen in einem Workshop. Doch ich kann Impulse setzen. Ich arbeite mit Euch an Euch.

Von der Reaktion zur Aktion?
Richtig. Und damit dann zur Kreativität. Im Horror Vaccui kommt man weg vom reinen Reagieren auf den Kunden als treuer Dienstleister, hin zum schöpferischen Begleiter und Berater. „Ich gehe für meine Idee, und die können wir jetzt diskutieren“. So, wie Heinrich V seine Mannen hinter sich brachte.

Wer das authentisch rüber bringt, ist fast schon automatisch eine Leitfigur...
Ja, weil das Sicherheit ausstrahlt. Wenn Du sicher bist, gibst Du denen, die Du führen willst, Deinen Kunden zum Beispiel, ein sicheres Gefühl und erntest Vertrauen.

Du hast den Druck der Branche angesprochen. Hat man überhaupt Zeit für solch einen transformativen Prozess?
Wenn Du es eilig hast, mache einen Umweg – sagte einst Konfuzius. Man kann sich den leeren Raum nicht ersparen, wenn man etwas wirklich Originelles schaffen möchte, Hat man den leeren Raum durchschritten, kommt die letzte Schwelle: der Kampf mit dem Drachen. Übertragen auf MICE: der Pitch vor dem Kunden. Und hier arbeite ich, auch für meine eigenen Präsentationen mit dem Pitch-Canvas: 3 Minuten reichen, um den wesentlichen Kern einer Botschaft überzeugend auf den Punkt zu bringen. Shakespeares Heinrich V. Rede vor der Schlacht von Agincourt ist dafür ein überzeugendes Beispiel. Wenn Du das einmal selbst erfahren und verstanden hast, kannst Du viel bewirken. Das ist meine Message und das möchte ich mit den MICE Club LIVE-Teilnehmern diskutieren und ihnen in meinem Impuls-Workshop erfahrbar und erlebbar machen.

Sein oder nicht sein? Die Frage, die bleibt, ist eigentlich nur: Sind Sie bereit für die Shakespearience? Alle Informationen zum Event finden Sie gebündelt hier: MICE Club LIVE am 07. & 08. März 2016.

Weitere Informationen zu Raphaela Dell.


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Bildquelle: Raphaela Dell by Maria Schulz

Autor: Yvonne Egberink

Veröffentlicht am: 02.12.2015


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