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EventTech

Die virtuelle Zukunft wird unheimlich real

Über die neuesten Trends im Bereich Virtual Reality (VR)

Im Science-Fiction-Kino wurden lebensnahe, ja lebensechte virtuelle Realitäten schon oft thematisiert, etwa im Film „Tron“ von 1982, in „Existenz“ aus dem Jahr 1999, in der „Matrix“-Trilogie oder 2018 in „Ready Player One“ von Steven Spielberg. Und wo immer die Entwicklung von VR hingehen mag: In den Köpfen ist längst angekommen, was vielleicht irgendwann mal möglich sein wird. Beleg dafür sind zahlreiche VR-Forschungsprojekte in aller Welt.

Dass VR auch vor der MICE- und Eventbranche nicht haltmacht, haben wir schon des Öfteren berichtet. Diesmal soll es nun speziell um die Technologien gehen, die VR künftig höchstwahrscheinlich prägen werden, um ein bisschen Science-Fiction also, die gerade im Begriff ist, technische Realität zu werden. Ein bisschen davon gibt es auch auf der ersten TechXperience am 4. Dezember in Ingelheim zu sehen.

VR: eine noch junge Geschichte

Werfen wir zunächst einen kurzen Blick zurück: Die erste visuelle Erkundung eines computergenerierten 3D-Gitters gelang bereits Ende der 1960er-Jahre im Rahmen eines Forschungsprojektes am MIT. Nutzen und Spaß an der Sache tendierten womöglich gegen Null, aber der Beweis war erbracht, dass künstliche Räume für das menschliche Wahrnehmungsvermögen durchaus zugänglich waren. Ende der 1970er-Jahre konstruierte Eric Howlett dann das VR-System „Leep“, dessen Headset bis heute als Blaupause für VR-Brillen fungiert.

Weitere Experimente in den 1990ern von Unternehmen wie Sony und Sega gerieten rasch wieder in Vergessenheit, gelten aber als wichtige Pionierarbeit. Erst mit Systemen wie Oculus Rift, HTC Vire und Gear VR etablierten sich schließlich die ersten VR-Technologien am Markt. Jahrelang waren diese jedoch fast ausschließlich der Gaming-Community vorbehalten, bevor sie den Sprung in den Massenmarkt schafften. Die im Folgenden vorgestellten Technologien schicken sich nun an, den Erlebniswert von VR über kurz oder lang noch weiter zu steigern.

Digitale Kälte spüren

Bislang kann man zwar visuell in virtuelle Welten eintauchen und die eigenen Bewegungen steuern, doch das Fühlen bleibt dabei auf der Strecke. So kann beispielsweise der Protagonist in einem Computerspiel einen Türknauf durch eine Bewegung mit der Hand öffnen, aber nicht das glatte, kühle Metall in seiner Hand spüren. Wenn heute verkabelte Anzüge und Handschuhe im VR-Bereich zum Einsatz kommen, übertragen diese die Bewegungsdaten auf die Computerrealität. Nun gilt es darüber hinaus, auch den umgekehrten Weg einzuschlagen.

Daher tüfteln Forscher ausgiebig an sogenannten haptischen Handschuhen und Anzügen, die etwa Vibrationen und Druck mittels Sensoren auf die Haut der „VR-Aktivisten“ übermitteln. So kann zumindest rudimentär die Härte und die Oberflächenstruktur von Gegenständen simuliert werden. Im sich ebenfalls in der Erprobung befindlichen Ganzkörperanzug „Teslasuit“ sind über 120 Elektroden eingelassen, die über die Impulsabgabe zum Beispiel virtuelles Wetter spürbar werden lassen. Eine Technologie übrigens, die aus der Medizinforschung stammt und ganz real bereits zur Bewegungs- und Nerventherapie eingesetzt wird.

Direkt aufs Auge

Das Gefühl der tatsächlichen Einbeziehung des Betrachters in die dargestellte VR-Welt ist bislang begrenzt. Dies liegt vor allem daran, dass die Augen unter einer VR-Brille auf einen flachen Bildschirm blicken, unabhängig davon, wie hoch dessen Auflösung ist. Dieses Problem soll durch sogenannte Virtual Retinal Displays umgangen werden, bei dem computergenerierte Bilder direkt auf die Netzhaut des Auges projiziert werden. Dieses Konzept geht auf den japanischen Forscher Kazuo Yoshikana zurück, der bereits 1986 einen ersten Prototyp entwickelt hatte.

Schwere Linsen und unbequeme Monitore wären damit hinfällig, ebenso könnten Auflösungen jenseits der Grenzen aktueller Bildschirme erreicht werden. Vor allem aber sorgen Virtual Retinal Displays für ein viel natürlicheres Sehgefühl. So könnten im Bereich Augmented Reality (AR) virtuelle Gegenstände und Figuren viel lebensechter und nahtlos mit der realen Umgebung verschmelzen. Tatsächlich befindet sich diese Technologie aber noch in den Kinderschuhen. Statt eines Displays befänden sich winzige Beamer vor den Augen des Betrachters, die – Stand jetzt − via Laser und Spiegel gesteuert werden. Verschiedene Startups arbeiten derzeit daran, diese Form der Projektionstechnik in wenigen Jahren zur Marktreife zu bringen.

Neue Welten erschaffen

Die Idee eines zweiten, digitalen Lebens ist nicht neu. Bereits 2003 entwickelte die Softwareschmiede Linden Lab eine „Second Life“ genannte Plattform. Hier haben sich zu Hochzeiten fast 30 Millionen User getummelt, um eine virtuelle Welt mit Leben zu füllen. Heute sind nur noch ca. 800.000 Accounts registriert, weshalb man mit Hochdruck am Nachfolger namens „Sansar“ arbeitet, der dreidimensional daherkommt und nur mit entsprechendem VR-Equipment zugänglich sein wird.

Sansar VR-Welt

Auch andere Projekte wie „AltspaceVR“, „VRChat“ und „Decentraland“ widmen sich der Schaffung ganzer VR-Universen, die erst vom Nutzer gestaltet werden. Hier lässt es sich mit anderen realen Usern aus aller Welt in virtuellen Clubs tanzen, in Bars chatten oder an Stränden abhängen. Man kann auch Vorträgen lauschen, Veranstaltungen besuchen, Wohnungen einrichten und mit virtuellen Gütern handeln. Hunderte User haben sich etwa im „Decentraland“ zusammengetan, um hier eine Stadt nach Blade-Runner-Vorbild zu erbauen.

Den nächsten Sprung wagen

Sieht man den Gamern in Filmen wie „Ready Player One“ real bei ihren virtuellen Aktivitäten zu, entsteht ziemlich schnell ein alberner Eindruck. Mit Anzügen, Brillen und Controllern versehene Personen springen über Sofas, stürmen die Straße entlang oder verstecken sich hinter einer Mauer. Aus dem einfachen Grund, weil die Beschaffenheit der realen Welt in die digitale Umgebung eingebaut wird. Das setzt wiederum den Echtzeit-Scan der Umgebung voraus, in der man sich als Gamer gerade befindet. Dieses Environment Mapping ist zwar eine ziemlich komplizierte Angelegenheit, aber es scheint möglich.

In Ansätzen ist dies bereits in der Einrichtungs-App „IKEA Place“ zu sehen, bei der durch das Tracken von Wänden, Böden, Fenstern und Möbeln die aktuelle Wohnungseinrichtung in die angedachte eingebunden wird − das allerdings nur zweidimensional und damit noch weit entfernt von einem echten Raumgefühl. Microsoft und einige Startups arbeiten derweil an Trackersystemen, die in der Lage sind, ad hoc 3D-Karten zu erstellen und auf die digitale Umgebung zu übertragen. Noch ist das ziemliche Zukunftsmusik. Aber wer denkt, dass der Mensch sich aufgrund seiner virtuellen Leidenschaft im realen Leben nicht irgendwie merkwürdig verhalten würde, denke nur an den „Pokémon Go“-Hype vor einigen Jahren.

Auf der Stelle, fertig, los

Ja, sie nennt sich übersetzt tatsächlich Tretmühle, die „Spielekonsole“ der Zukunft. Man muss sie sich als eine Art Kapsel vorstellen, in der die Technik eines Laufbandes oder Crosstrainers integriert ist. Denn nur auf diese Weise können sich Gamer frei im Raum bewegen, ohne sich tatsächlich von der Stelle zu rühren. Solange der Mensch verkabelt und Wohnraum begrenzt ist, scheint dies die einzige Möglichkeit zu sein, reale Bewegungen nahtlos in die virtuelle Welt zu übertragen.

Dreidimensional angelegte Laufflächen, haufenweise Sensoren und vieles mehr gehört zu einer Treadmill, die man auch mit einem Flugsimulator vergleichen könnte. Das solche VR-Kapseln schon bald zur Standardausstattung normaler Haushalte gehören werden, ist jedoch unrealistisch. Allein aufgrund der immensen Kosten dürften in absehbarer Zukunft nur professionelle Anbieter wie Spielhallen, Freizeitparks oder Special-Event-Anbieter auf derartige Hardware zurückgreifen.

Gewagte Experimente

Nun wurde aufgezeigt, was alles nötig ist, damit sich VR in Zukunft so real und lebensecht wie möglich anfühlt. Auf Brillen, Sensoren, Tracker, Handschuhe, Anzüge, Laufbänder und weiteres Equipment lässt sich mittelfristig dabei nicht verzichten. Doch man kann es sich fast denken: Forscher arbeiten schon heute mit Hochdruck an Technologien, die es eines Tages möglich machen sollen, visuelle, akustische und taktile Reize direkt ins Gehirn einzuspeisen. Ob eine derartige, Neurorealität genannte Zukunftsvision tatsächlich wünschenswert ist, sei einmal dahingestellt. Jedoch hat kein Geringerer als Vorzeigevisionär Elon Musk mit Neuralink ein Startup gegründet, das das Konzept der Mensch-Maschine-Verschmelzung in absehbarer Zeit in eine nutzbare Technologie umsetzen soll.

Fazit

So viele Fortschritte die VR in den letzten Jahren auch gemacht hat: Es gibt noch immer viel zu tun. Wer schon einmal sein Smartphone in eine VR-Brille eingesetzt hat, mag das anfangs oder momentweise äußerst faszinierend finden, wird aber auch schnell feststellen, dass der virtuellen Realität (noch) enge Grenzen gesetzt sind – nicht etwa, was die Fantasie der Softwareentwickler oder die Fülle an digitalen Welten angeht, sondern vielmehr in Bezug auf die verwendete Hardware und den dadurch eingeschränkten Erlebnishorizont. Zwar sind im Laufe der kommenden Jahre einige technologische Weiterentwicklungen zu erwarten, die aber aufgrund ihrer Komplexität kaum so schnell alltagstauglich werden. Was im Umkehrschluss bedeutet: Es dürfte noch eine ganze Weile lang professionellen Anbietern aus der Freizeit- und Eventbranche vorbehalten sein, dem User das Gefühl einer besonders lebensechten VR zu vermitteln.


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Bildquellen: J.M. Lawrence, Roddenberry Nexus

Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 25.10.2018


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