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Themensammlung - Employer Branding

Die Art, wie wir arbeiten, funktioniert nur auf Augenhöhe

Ein Gespräch über Zusammenarbeit im Spannungsfeld Agentur – Kunde

Johannes Ries, Inhaber der Agentur ries events, hat in einem Gespräch mit dem MICE Club-Magazin letztes Jahr folgendes gesagt: „Wer uns als Dienstleister sieht und nicht als Partner, der ist bei uns falsch. Die Art, wie wir arbeiten, funktioniert nur auf Augenhöhe. Im Team genauso wie mit den Partnern, den Kunden und Gästen.“ Ein schöner Satz und eine Steilvorlage für ein Gespräch über Zusammenarbeit im Spannungsfeld Agentur – Kunde, das prima in unsere Artikelserie „Zusammenarbeit“ passt.

MICE Club: Lieber Johannes, wir sprechen heute über das Spannungsfeld zwischen Dienstleister und Auftraggeber. Also zwischen Euch und Euren Kunden. Kannst Du mir die Art, wie Ihr arbeitet, erläutern und erklären, warum sie nur auf Augenhöhe funktioniert?

Augenhöhe ist die Art der Zusammenarbeit, mit der wir uns am wohlsten fühlen und die besten Ergebnisse erreichen. Wir erschaffen Erlebnisse und Emotionen, das funktioniert nur, wenn wir Menschen sein dürfen. Wenn man uns zum Erfüllungsgehilfen herunterschraubt, werden wir auch im Ergebnis nur die Aufgabe erfüllen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Wer mehr will, muss uns als Menschen sehen und uns erlauben, Fehler zu machen.

Als Menschen müssen wir auch sagen dürfen: „Das schaffen wir (alleine) nicht“. Die Zusammenarbeit mit unseren Kunden basiert auf Vertrauen, Offenheit und Wertschätzung. Gegenseitig. Das bezieht auch Ehrlichkeit mit ein. Auch wenn der Kunde Bayer heißt, muss ich zugeben dürfen, dass ich alleine gerade nicht weiter weiß und dann können alle Beteiligten das Vertrauen in einen gemeinsamen Prozess setzen, der Ideen bringt, die noch nicht x-mal gedacht wurden.

Letztlich sind es zwei ganz verschiedene Ansätze – zum einen die Dienstleister-Denke: „Mach mal“. Zum anderen die Augenhöhe, die alle Perspektiven zusammenführt. Daraus entstehen Ergebnisse, die auch alle zusammen tragen können – wir und der Kunde.

MICE Club: Was bedeutet diese Art der Zusammenarbeit für Eure Kunden – organisatorisch aber auch in den Ergebnissen?

Die Ergebnisse werden besser, klar. Weil wir die sichere Zone der Null-Fehler-Toleranz verlassen können und Ideen weiterdenken dürfen. Organisatorisch bedeutet es, dass wir auf direktem Weg kommunizieren, nicht über drei Schreibtische und um fünf Ecken. Es gibt eine ungute Herangehensweise (die wir früher mitgemacht haben), die Agenturen ans Ende der Nahrungskette stellt. Man präsentiert seine Idee zum Beispiel der Sekretärin, die gibt‘s dem Marketingleiter weiter, der legt es dem Vorstand vor und man bekommt irgendwann ein nebulöses Feedback. Was soll daraus werden? Wir erhalten unser Feedback mittlerweile ausschließlich direkt vom Entscheider.

Des Weiteren bedeutet es organisatorisch, dass wir die Führung in einem Projekt haben, dem Kunden auch Aufgaben zuteilen dürfen und darauf setzen, dass er diese erfüllt. Deswegen wird jedes Gespräch, jede Telko protokolliert. Das klingt nach Bürokratie, ist aber der nötige Rahmen für diese Art von Co-Creation. Den größeren Abstimmungsbedarf kompensieren wir, indem wir uns ganz viel über Videokonferenzen austauschen. Den Reiseaufwand haben wir dadurch sehr stark reduziert.

MICE Club: Welche Grundvoraussetzungen müssen auf Agentur- und auf Kundenseite gegeben sein, damit Augenhöhe funktioniert?

Ernsthaftigkeit im Dialog, auf beiden Seiten. Wer uns zum Beispiel nur benutzt, um ein weiteres Angebot vorlegen zu können und dann doch mit der gewohnten Agentur weitermachen will, der soll uns das bitte vorher sagen. Das ist dann auch okay. Eine weitere Grundvoraussetzung für uns ist eine lebendige Feedbackkultur, mit der wir ein gegenseitiges Verständnis aufzubauen. Dabei unterstützt uns unser Bonussystem.

MICE Club: Ein Bonussystem für bessere Feedbackkultur? Das klingt spannend, erzähl mal.

Das Bonussystem vereinbaren wir mit unseren Kunden. 75 Prozent unseres Agenturhonorars sind fix, die anderen 25 Prozent sind Bonus. Nach der Veranstaltung erhält der Kunde einen Fragenkatalog, in dem er die Zusammenarbeit und unsere Leistung beurteilt. Von Budgetkontrolle über Passgenauigkeit der Location wird dort vieles beurteilt und daraus errechnet sich unser Bonus.

Dieses System kommt nicht immer gut an, oft hören wir den Einwand, dass man sich nicht auch noch nach dem Event Gedanken darüber machen wolle. Aber genau darum geht es ja. Oft ist der Kunde schon im Auto, bevor der Beamer kalt ist und wir müssen dann rätseln, wie es ihm gefallen hat. Durch dieses System bekommen wir Feedback, können wachsen, besser werden und lernen den Kunden besser kennen. Davon profitiert dieser auch. So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe – wir haben unser Feedback und obendrauf eine gewaltige Motivation, die Dinge gut zu machen. Denn natürlich wollen wir den Bonus haben!

MICE Club: Wir sprachen in der Einleitung dieses Interviews bewusst vom Spannungsfeld Kunde – Agentur. Wie kann man dieses Spannungsfeld aufbrechen, haben wir gefragt. Aber kann man es vielleicht auch nutzen?

Spannungen im Sinne von Konflikten kann man nur nutzen, wenn man aufrichtig damit umgeht und Spannungen offenlegt – das ist im Umgang mit dem Kunden genauso wichtig wie im Umgang untereinander, im Team. Da hilft es nichts, ewig E-Mails hin und her zu schreiben, einer muss das Thema auf den Tisch bringen und dann muss es im Dialog geklärt werden. Wenn die Luft rein ist, kann man weiter machen.

Spannung im Sinne von Erwartung lässt sich positiv aufbauen und nutzen, wenn alle gemeinsam auf ein Ziel hinfiebern, wenn für Kunde und Agentur die Richtung klar ist: Was wollen wir machen, wo wollen wir hin? Und das schönste Kompliment am Ende ist dann: „Das müssen Sie erstmal toppen.“

MICE Club: Puh. Also müsst Ihr immer besser werden?

Nicht besser, aber immer genau am Mehrwert für den Kunden orientiert. Dieses „Immer-wieder-was-Neues“ kann Stress sein, da gebe ich Dir recht. Aber es ist doch auch genau das Salz in der Suppe, das unseren Job ausmacht. Organisieren kann man lernen, diese professionelle Neu-Gier aber nicht.

Zum Beispiel haben wir für einen Kunden sehr erfolgreich ein Wüstencamp in Marrakesch organisiert. Dieses Jahr gehen wir nach Dubai. Da gibt‘s sicherlich nicht nochmal ein Wüstencamp und die Frage ist doch großartig, welche Klaviatur wir dort spielen können. Wer sich auf diesen Ideenprozess nicht freut, ist falsch im Job, behaupte ich.

MICE Club: Entstehen solche Ideen aus Euch selbst heraus?

Nein, dazu benötigen wir die Harmonie mit dem Kunden. Dort muss man offen sein für Ideen – das ist das A und O. Wenn sofort alles abgewehrt wird, kann nichts wachsen, nichts entstehen, dann bleibt alles beim Alten. Gute Ideen entstehen nicht als Durchmarsch. Ich brauche unbedingt die Bereitschaft meiner Kunden, über Ideen zu schlafen, mit Kollegen oder Freunden darüber zu sprechen: Ideen wachsen zu lassen. Etwas nicht direkt mit „Geht nicht“ abzuschmettern, sondern erst mal in Erwägung zu ziehen und vielleicht nachzuprüfen, ob es nicht doch geht.

MICE Club: Du hast oben gesagt, dass Ihr Euch immer mehr über Videokonferenzen austauscht. Da passt (m)eine oft gestellte Frage: Macht Technologie die Live-Kommunikation unnötig?

Nein, auf keinen Fall. Organisatorischer Austausch mag per Video klappen. Wenn es um Emotionen geht, funktioniert das nur von Mensch zu Mensch. Ich glaube, Oracle hatte mal ernsthaft probiert, alle Events virtuell zu veranstalten und ist damit gescheitert. Menschen wollen sich austauschen und immer mehr Unternehmen gehen dazu über, ihre Wertschätzung für ihre Mitarbeiter mit der Organisation dieses Austauschs auszudrücken. Mitarbeiterincentives haben eine starke Bindungsfunktion.

MICE Club: Mitarbeiterbindung – ein schönes Stichwort im Kontext Zusammenarbeit. Wie funktioniert das „Binden“ von Mitarbeitern Deiner Meinung nach?

Den Fachkräftemangel spüren wir mittlerweile an allen Ecken, da reicht es nicht mehr, wenn Unternehmen das in der Betriebsvereinbarung stehende Sommerfest als Incentive anbieten. „Bindung“ muss man mehr aufladen als durch eine Party. Mitarbeiterbindung funktioniert auf jeden Fall nicht mehr monetär. Es geht darum, den Menschen in seiner Persönlichkeit zu unterstützen. Wir begleiten zum Beispiel ein Unternehmen, das seine Mitarbeiter in Rente verabschiedet, indem es ihnen Träume erfüllt. So darf der Hobby-Ornithologe nochmal studieren. Was passiert? Die emotionale Verbindung bleibt erhalten und auch das Know-How steht weiter zur Verfügung. Oder ich kenne ein Unternehmen, in dem ein Mitarbeiter sich nur um die familiären Probleme der Belegschaft kümmert, von der Mutter, die einen Heimplatz benötigt, bis zum Sohn, der die Versetzung nicht schafft. Dann habe ich eine (Ver-) Bindung, bei der der Arbeitgeber nicht mehr nur Arbeit gibt, er wird zum Partner.

MICE Club: Wie ist das bei Euch im Team mit dem Arbeitgeber als Partner?

Wir sind ein kleines Team und jeder von uns ist immer als ganze Person im Spiel. Den beruflichen Johannes Ries und den privaten kann ich nicht trennen, diese Einstellung ist für mich das Grundverständnis für funktionierende Zusammenarbeit. Deswegen tauschen wir uns auch über Privates ganz viel aus. Und aus diesem Austausch entstehen ganz oft Ideen für Verbesserungen oder Incentives. Belohnung, Incentivierung, Motivation – all das funktioniert nicht mit der Gießkanne, sondern muss auf den Mitarbeiter und seine Situation passen. Zum Beispiel, wenn eine Mitarbeiterin erzählt, dass sie gerade günstig auf die Philippinen reisen könnte. Wenn das vom Arbeitsaufkommen passt, warum nicht? Solche individuellen Absprachen bringen doch viel mehr Wertschätzung zum Ausdruck als ein Sommerfest. (Das machen wir trotzdem, klar.)

MICE Club: Individuelle Absprachen bestimmen Eure Mitarbeiterincentives, sagst Du. Wie funktioniert das in der Praxis?

Über die Verwendung unseres erwirtschafteten Bonus bestimmen wir im Dialog. Wir setzen uns am Ende des Jahres zusammen und besprechen gemeinsam, wofür wir unsere Erlöse verwenden könnten. Dabei geht es uns darum, dass wir die Persönlichkeit jedes Einzelnen stärken, jeden Mitarbeiter so unterstützen, wie er oder sie es gerade braucht. Natürlich fahren wir auch gemeinsam weg, dieses Jahr zum Beispiel nach Sizilien, aber im Wesentlichen geht es um die Passgenauigkeit einer Incentivierung, damit sie wirkt.

Wenn wir zum Beispiel alle das Gefühl hätten, dass unsere Frauen im Team einen Superjob machen, aber zu wenig Standing im Außenauftritt haben, dann könnte am Ende ein Coaching stehen.

MICE Club: Also stärkt Ihr das Team, indem der Einzelne stärker wird?

Genau. Und da ich halbjährlich Mitarbeiterbespräche führe, bin ich ziemlich nah dran an den Zielen und Vorstellungen meiner Mitarbeiter und habe das Gefühl, dass diese Art des „dialogischen Bonus“ sehr gut funktioniert.

MICE Club: Du sprichst sehr viel über Austausch und Dialog. Aber bei Euch ist es sicher auch oft hektisch, das bringt das Geschäft mit sich – wie schafft Ihr trotzdem Zeitfenster für Austausch?

Wir klinken uns regelmäßig aus. Rufumleitung ein und für Ruhe sorgen. Als Rückzugsraum dient unser „Fuchsbau“, ein Meetingraum, der extra für solche Dialoge geschaffen wurde. Kunden sagen immer „Mein Gott, ihr versteht euch alle so gut, wie macht ihr das?“ Das ist so, weil wir uns permanent austauschen, das ist Arbeit. Wenn man zusammen arbeitet, gibt es natürlich auch mal Knatsch – den muss man rauszerren und betrachten. Und echte Kompromisse finden, die alle tragen können.

Wir sind ja alle Persönlichkeiten, die ihren eigenen Kopf haben, also müssen wir Missstimmungen aushalten und austragen. Letztens wollte ich jemanden einstellen, aber die Mitarbeiterinnen haben mir klar zu verstehen gegeben, dass diese Einstellung vieles durcheinander bringen könnte. Das habe ich verstanden und wir haben gemeinsam unserem Bauchgefühl zugestimmt. Natürlich könnte ich hier den Chef rauskehren und das letzte Wort haben, aber was würde es bringen?

MICE Club: Gemeinsam arbeiten heißt bei Euch auch gemeinsam Verantwortung übernehmen, oder?

Ja genau, gemeinsam Verantwortung im Sozialen zu übernehmen ist ganz wichtig. Dadurch entsteht ein Gemeinschaftsgeist, der weit über den einer netten Party hinausgeht. Wir als Agentur haben ein Patenkind angenommen, Ali, einen Somalier. Er gehört mittlerweile zum Team, macht hier seine Hausaufgaben. Einer von uns geht mit ihm zum Amt oder zum Gericht, wenn Termine anstehen.

MICE Club: Warum schweißt soziale Verantwortung mehr zusammen als die obligatorische Sommerparty, eine Idee?

Hm, ich glaube, weil man mit dieser Art des gemeinsamen Tuns auch gemeinsame Werte schafft. Das Engagement, zum Beispiel für Geflüchtete, ist Ausdruck einer Lebenseinstellung. Indem wir uns zusammenfinden, um ein Patenkind anzunehmen, lernen wir unsere Werte besser kennen und wir verstehen, dass wir nicht alle gleich sein und denken müssen. Aber wir müssen uns immer austauschen und verschiedene Meinungen respektieren.

MICE Club: Wir haben eben vom Arbeitgeber als Partner gesprochen. Bei Euch wird gerade daran gearbeitet, dass auch die Arbeitnehmer zum Partner werden, richtig?

Ja, richtig. Ich habe meinen Mitarbeitern Partnerschaften angeboten, um die Agentur auf mehr Füße zu stellen. Wenn wir doch sowieso die Entscheidungen gemeinsam fällen und den Erlös gemeinsam verteilen, dann können wir auch einen Schritt weitergehen. Die Partnerschaft ist nur die logische Konsequenz. Irgendwann haben die Mitarbeiter dann die Mehrheit und ich bin raus (lacht). Letztendlich geht es darum, einen Generationentausch vorzubereiten. Ich bin 56 Jahre alt und wir stehen aktuell alle gemeinsam auf einer ziemlich grünen Wiese, die uns gut ernährt. Und als Partner können wir alle gemeinsam dafür sorgen, dass das so bleibt. Wenn jetzt die nächste Generation frühzeitig in die Verantwortung kommt, schaffen wir die Basis, diese grüne Wiese für die Zukunft zu erhalten, auch wenn ich mal nicht mehr mitgrase.

MICE Club: Dann ist dieses Partnermodell auch eine Form der Mitarbeiterbindung?

Auf jeden Fall, so ist es gedacht. Aber es ist natürlich nicht verpflichtend, nur ein Angebot.

MICE Club: Johannes, danke für das Gespräch. Bei mir entsteht der Eindruck, dass Ihr im Team und mit Euren Kunden das gleiche Prinzip für gute Zusammenarbeit anwendet: Offener Austausch und Dialog, ein gemeinsames Ziel und gemeinsam Übernahme von Verantwortung. Stimmt?

Ja, auf jeden Fall. Gelingende Zusammenarbeit hat immer die gleichen Grundvoraussetzungen, egal ob in der kleinen Agentur ries events oder beim großen Konzern Bayer.


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Bildquelle: Viola Rakowitz

Autor: Andrea Goffart

Veröffentlicht am: 02.05.2019


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