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Meinung

Neue Zeiten, neue Wertewelten?

Unternehmenskulturen im Wandel

Wir berichteten darüber, dass die voranschreitende Digitalisierung erhebliche Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt von morgen haben wird. Genauso verändert sich das Konsum- und Kommunikationsverhalten dank neuer Technologien zusehends. Damit verbunden sind zwangsläufig auch Veränderungen in der Unternehmenskultur. Denn die „Digital Natives“ übernehmen mehr und mehr Führungspositionen und unterscheiden sich deutlich von ihren Vorgängergenerationen.

Doch was bedeutet Unternehmenskultur überhaupt? Sie ist nicht notwendigerweise festgeschrieben wie eine Verfassung, sondern äußert sich in Werten, die genauso bunt sind wie das politische Spektrum: von konservativ bis progressiv, von gestrig bis modern, von introvertiert bis weltoffen. Werte, die nach innen gelebt und nach außen kommuniziert werden. Werte, die auf die Gesellschaft abfärben oder von ihr erwartet werden. Werte, die vor allem in traditionellen Branchen derzeit auf dem Prüfstand stehen.

Ein Blick auf die Aktienkurse dieser Welt genügt: Junge Unternehmen, die in der digitalen Liga spielen, sind zu den wertvollsten Konzernen der Welt geworden und legen dabei immer noch eine gewisse Startup-Mentalität an den Tag. Die Hierarchien sind flach, die Kleiderordnung ist leger. Statussymbole verlieren an Bedeutung und jeder feste Mitarbeiter genießt ein hohes Maß an persönlicher Freiheit. Die Nähe zum Kunden wird nicht länger per Handschlag in der Filiale unter Beweis gestellt, sondern erfolgt via App und Chat. Allein, wenn man Facebook-Chef Mark Zuckerberg bei seinen öffentlichen Auftritten in Hoodie und Sneakern zusieht, wird klar: Vieles, was vor rund einem Jahrzehnt noch nahezu undenkbar schien, ist heute salonfähig.

Damit tut sich natürlich ein Graben auf zwischen der „jungen Garde“ und der „alteingesessenen Elite“, eine Art Zeitgeistkonflikt, der sich (dazu muss man kein Prophet sein) am Ende zugunsten der Folgegeneration entscheiden wird. Wenn diese auch in traditionellen Branchen das Ruder übernehmen wird, verlieren klassische Werte wie Sicherheit, Vertrauen und Zuverlässigkeit sicherlich nicht an Bedeutung, dürften aber gänzlich neu interpretiert werden.

Wo steht die MICE- und Eventbranche?

Grundsätzlich darf man im Eventbereich von einer weltoffenen und aufgeschlossenen Unternehmenskultur ausgehen, die für die Zukunft gut gerüstet zu sein scheint. Das Business lebt schließlich vom Pflegen internationaler Kontakte, vom Einsatz neuer Technologien und vom Entdecken von Zukunftstrends. Der anstehende MICE Club LIVE vom 18. bis 20. Juni in München ist hierfür ein gutes Beispiel.

Prima, mag man sich denken, doch die Branche teilt sich in viele Disziplinen auf, ist in sich sehr heterogen und geprägt von kleinen bis mittelständischen Akteuren, die über eine eigene Wertephilosophie kaum nachdenken können. Vielmehr wird eventgerecht die Unternehmenskultur des Kunden adaptiert, wann immer ein lukratives Großereignis ansteht. Denn wer wird dem trotz seiner starren Strukturen und konservativen Wertebild immer noch erfolgreichen Familienkonzern die Unterstützung versagen? Nur wenige Akteure können es sich leisten, einen stringenten Wertekodex zu verfolgen und darüber eventuell auch mal einen Auftrag abzulehnen.

Aktuelle Studien fördern gar sehr Widersprüchliches zutage: Demnach sind die Mitarbeiter in alteingesessenen Familienbetrieben die zufriedensten in Deutschland. Andererseits endet die gern proklamierte Transparenz in den Konzernen nicht selten beim Managergehalt. Wo Nachhaltigkeit draufsteht, mag häufig nur „Green Washing“ drinstecken. Und was der festen Belegschaft an Work-Life-Balance-Angeboten offeriert wird, gilt selbstredend nicht bei befristeten Arbeitsverhältnissen und im Umgang mit externen Dienstleistern. Die MICE- und Eventbranche kann ein Lied davon singen, das wir hier im Magazin schon oft genug angestimmt haben. Sie sitzt damit irgendwie zwischen den Stühlen, da sie am Ende kein gesamtwirtschaftlicher Impulsgeber ist und damit auch keine Leadership-Funktion innehat.

Der Wertewandel wird kommen

Unternehmenswerte und -kulturen üben zweifelsohne einen großen Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung im Allgemeinen aus. Schließlich verbringen die meisten Menschen den Großteil ihres Lebens bei und mit ihren Arbeit- und Auftraggebern. Der generelle Trend weist eindeutig in Richtung mehr Kollegialität und Toleranz, mehr Fairness und Transparenz. Das ergeben auch Umfragen unter Studenten der Generation Y, die das persönliche Wohlergehen und konstruktive Miteinander mehrheitlich über den finanziellen Erfolg und berufliches Streben stellen.

Das gibt natürlich Anlass zur Kritik: Insbesondere die wirtschaftlich erfolgreiche Ü50-Generation stellt diesen Wertewandel nämlich gerne als Werteverfall hin. Frei nach dem Motto, dass künftig Faulheit und Bequemlichkeit über Werte wie Disziplin und Fleiß triumphieren werden. Das ist natürlich ausgemachter Quatsch (Herr Zuckerberg lässt grüßen). Vielleicht aber erregt das kleine Elektromobil als Dienstwagen künftig mehr Aufmerksamkeit als die aufgemöbelte S-Klasse!?

Wird in Zukunft also alles besser, wenn die erst Jungen das Ruder in den Vorstandsetagen übernommen haben? Weil es sich leichter von überall her arbeiten lässt und durch die Nutzung digitaler Services eine Menge Zeit gespart wird? Weil globale Standards zu mehr Toleranz und Gleichberechtigung führen werden? Warten wir es ab, denn ein Unternehmenswert wird stets der entscheidende bleiben und der lautet Erfolg.

Man wird auch in Zukunft alles Notwendige unternehmen, um am Ende des Tages erfolgreich zu sein. Warum sonst verlagern digitale Global Player ihre europäischen Firmensitze in Steuerparadiese wie Irland oder Luxemburg? Warum wird bei Amazon unter den Geringbeschäftigten regelmäßig gestreikt? Die wichtigste Frage wird also sein, inwieweit sich die Wirtschaft künftig ihrer zweifellos vorhandenen sozialen Verantwortung stellen wird – und das nicht nur im Hinblick auf billige Arbeitskräfte in China, sondern auch bezüglich der vielen Einzelkämpfer und Kleinunternehmer, die in der Eventbranche für wirklich kleines Geld unterwegs sind.


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Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 01.06.2017


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