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Wenn Fahrlässigkeit zur Katastrophe führt

Die Gefahr „feierte“ mit in Schneizlreuth

Meistens geht alles gut rund um Events und Veranstaltungen der unterschiedlichsten Art: Der Jet landet sicher, die Bühnenkonstruktion hält, das Gewitter zieht vorbei. Manchmal aber kommt es aufgrund einer Verkettung von unglücklichen Umständen und sicherheitstechnischen Nachlässigkeiten zu einer Katastrophe. So geschehen in der Nacht zum 23. Mai bei einem Brand in einem zum Hotel umfunktionierten Bauernhaus im bayrischen Schneizlreuth. Sechs Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Es ist die größte Brandkatastrophe der Hotelerie in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

„Wie konnte das nur passieren?“ lautet im Nachhinein stets die Frage nach derart tragischen Unglücken. Wo wurden gravierende Fehler gemacht? An welcher Stelle wurde geschlampt oder bewusst fahrlässig gehandelt? Und selbst, wenn ein Feuer ausbricht: Wieso mussten dabei Menschen sterben? Wie stand es um Frühwarnsysteme, Fluchtwege und Rettungspläne? Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Traunstein sind im vollen Gange. Der 46-jährige Inhaber einer ortsansässigen Eventagentur wurde festgenommen und sitzt in Untersuchungshaft. Als Brandursache wird ein technischer Defekt an einem Stromverteilerkasten vermutet.

Wer mit dem Feuer spielt …

Feierlich sollte er begangen werden, der 50. Geburtstag der Firma Lindner, einem europaweit führenden Unternehmen für Innenausbau, Fassadengestaltung und Isoliertechnik. 47 Mitarbeiter des Hauptsitzes in Arnstorf nahmen über das Pfingstwochenende an einer Rafting- und Canyoning-Tour teil. Viele davon freuten sich auf einen gemütlichen Ausklang des Abends und die gemeinsame Übernachtung in einem alten Bauernhaus im Hüttenstil.

Das in Teilen über 800 Jahre alte Gebäude war zugleich Sitz der veranstaltenden Eventagentur, die auf Mountainbike- und Wildwassertouren spezialisiert ist, und verfügte über 50 Betten für Übernachtungsgäste. Nur: Es lag überhaupt keine Genehmigung für die Nutzung des Hauses als Beherbergungsbetrieb vor. Der Agenturchef soll dem zuständigen Landratsamt in Bad Reichenhall sogar schon 2009 versichert haben, keine Personen in dem alten Gemäuer übernachten zu lassen. Zu kostspielig wäre eine Kernsanierung gewesen, zu sehr hätte der ursprüngliche Charme des Hofes darunter gelitten. Dennoch ist es geschehen!

Auch gegen die Gemeindeverwaltung in Schneizlreuth wird folgerichtig ermittelt, denn unbemerkt konnte das geschäftige Treiben in dem kleinen Ort ja kaum bleiben. So oder so sind Brandschutzkontrollen in Bayern Sache der Städte und Gemeinden. Die sogenannte Feuerbeschau findet aber seit einer Gesetzesänderung vor 16 Jahren nicht mehr regelmäßig, sondern nur noch anlassbezogen statt. Was nun der richtige Anlass sein könnte, vermag freilich niemand vorherzusagen. Vielleicht überfordert die Gesetzgebung hier auch die Exekutive in den Kommunen.

Ein langwieriger Prozess steht ins Haus

Schlussendlich dürften es diverse Personen gewesen sein, die von der unrechtmäßigen Nutzung eines baufälligen Bauernhofs als Eventhotel gewusst haben. „Was soll da schon passieren?“, mag man sich gedacht haben, „Die Leute haben doch ihren Spaß!“ oder „Das ist gut für unser Image als Touristenziel!“. Denn sicherlich hat niemand einkalkuliert, dass es ausgerechnet „hier“ einmal zu einem Großbrand kommen könnte. Sechs Tote, sieben Schwerverletzte, ein auf Jahre angeknackster Ruf einer Touristendestination und das unvermeidbare Ende einer Eventagentur sprechen eine deutliche Sprache. Auch wenn es nur wenige „schwarze Schafe“ in der MICE-Branche geben mag – manch einer lässt es dennoch darauf ankommen, auf vorgeschriebene Sicherheitsvorkehrungen zu verzichten, um entweder Geld zu sparen, die Atmosphäre nicht zu beeinträchtigen, die Gäste nicht zu „drangsalieren“ oder den Charme eines Bauwerks nicht zu zerstören.

Das Beispiel Schneizlreuth macht deutlich, dass dies immer der falsche Weg ist. Denn trotz warnender Rauchmelder konnten sich nicht alle Gäste ins Freie retten. Zu schnell breitete sich das Feuer aus und zu schnell entwickelten sich giftige Dämpfe, so dass die sechs Todesopfer vermutlich innerhalb weniger Minuten ihr Bewusstsein verloren. Dass so ein altes Gebäude unter Denkmalschutz steht, ist nachvollziehbar. Aber Fluchtleitern vom Dachboden und eine Außentreppe waren Fehlanzeige und stattdessen die Fenster vieler Räume massiv vergittert.

Unfälle können natürlich passieren und technische Defekte auftreten, aber wenn bewusste oder unbewusste Fahrlässigkeit Menschenleben fordert, ist das nun einmal nicht zu entschuldigen. Auch die letzte Love Parade in Duisburg im Jahr 2010 mit 21 Todesopfern war ein trauriges Beispiel dafür, wie man mögliche Gefahren im Vorfeld unterschätzt hat und im Nachhinein den „Schwarzen Peter“ hin- und herzuschieben versuchte.

Expertentipps helfen Schlimmeres zu vermeiden

Die Katastrophe in Schneizlreuth war Grund genug für den Sicherheitsexperten Ulrich Jander, ein Update seiner Brandschutz-Checkliste zu empfehlen, die kostenlos im Internet heruntergeladen werden kann. Denn dass der Brandschutz in deutschen Hotels stark verbesserungswürdig sei, berichtet der auf Hotelsicherheit spezialisierte Experte bereits seit Jahren.

Ulrich Jander ist Sicherheitsberater und Fachberater für Arbeits- und Objektschutz. Er leitet die Unternehmen Gesellschaft für Qualitätssicherung im Hotel (GQH) und Arbeitsmedizinischer & Sicherheitstechnischer Dienst (ASD). Er drängt in Sachen Sicherheit nicht nur auf den baulich-technischen Aspekt, sondern auch auf den Einsatz von geschultem Personal.

Ein bisschen ist es ja so wie mit den Erste-Hilfe-Maßnahmen, die jeder Autofahrer während seiner Führerscheinprüfung einmal gelernt hat. Doch was davon bleibt hängen nach fünf, zehn oder zwanzig Jahren? Kaum etwas! Nicht nur bauliche Maßnahmen und technische Checks würden eine Menge bewirken, so Jander, sondern auch regelmäßige Brandschutzschulungen und Evakuierungsübungen seitens der Mitarbeiter.

Manchmal ist Verzicht die richtige Lösung

„Etliche Hoteliers machten sich leider zu wenig Gedanken über das sogenannte Travel Risk Management“, beklagt Hotelexperte Jander. Nach § 618 BGB, der „Pflicht zu Schutzmaßnahmen“, sind Beherbergungsbetriebe und entsprechende Anbieter innerhalb der MICE-Branche dazu verpflichtet, mögliche Risiken ständig zu überprüfen, ausgebildete Sicherheitsfachkräfte zu beschäftigen, Brandschutzschulungen unter den Mitarbeitern durchzuführen und sicherheitsrelevante Einrichtungen wie Rauchmelder und Brandschutztüren regelmäßig und richtig zu warten.

Auch Brandschutz und Denkmalschutz sollten im Rahmen der öffentlichen Gebäudenutzung zusammenpassen, betont Kreisbrandrat Josef Kaltner, und fügt hinzu: „Bei Bestandsbauten kann man oft nicht alles erfüllen, was der Brandschutz verlangt. Das sollte nach Möglichkeit kompensiert werden, etwa mit zusätzlichen Fluchtwegen.“ Diese gab es in Schneizlreuth offensichtlich nicht. Natürlich will die Gemeinde nun sämtliche Beherbergungsbetriebe gründlich überprüfen und die Vorschriften zum Brandschutz ändern. Denn selbstverständlich soll sich so eine Katastrophe nie mehr wiederholen. „Wir sind alle Beteiligte, das hat man uns so mitgeteilt", erklärt der ehrenamtliche Bürgermeister Wolfgang Simon.


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Bildquelle: Winfried Eß

Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 10.06.2015


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