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Themensammlung - Corporate Responsibility

Vom „Da sein“ und „So sein“

Interkulturelle Kompetenz bei der Veranstaltungsorganisation

In Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung ergibt sich eine immer größere interkulturelle Diversifikation. Dies stellt nicht nur die Unternehmen in Bezug auf die Mitarbeiterführung vor große Herausforderungen. Auch im Hinblick auf die Veranstaltungsorganisation stellt sich die Frage nach teilnehmerorientierter und maßgeschneiderter Konzeption. Hierbei steht nicht die Frage nach dem richtigen Catering im Vordergrund, sondern vielmehr das WIE der dramaturgischen Gestaltung, das WAS an konzeptionellen Elementen und das WIEVIEL an teilnehmerbezogener Interaktion. Das MICE Club-Magazin hat beim Experten für interkulturelle Kommunikation Holger Witzenleiter nachgefragt.

MICE Club: Welche Auswirkungen hat die Internationalisierung von Business Events?

Holger Witzenleiter: Ich selbst sehe vielerlei Auswirkungen, beginnend bei der Konzeption, der Planung, der Kooperation mit Partnern und natürlich bezogen auf das Event selbst. In der Konzeption und Planung erhöht sich der Aufwand in Bezug auf die Berücksichtigung der unterschiedlichen kulturellen Hintergründe der TeilnehmerInnen. Die Kommunikation muss an einigen Stellen überdacht und geprüft werden, ob sie allen Teilnehmern gerecht wird und erreicht, was zuvor als Ziel formuliert wurde. Die Anforderungen an alle Partner und Dienstleister steigen. Sie sind es, deren Flexibilität und kulturelle Sensibilität darüber entscheidet, ob die Internationalisierung ähnlich erfolgreich sein kann wie ein konventionelles Event. Durch eine Antizipation des Events aus allen relevanten kulturellen Perspektiven erreichen Planer und Organisatoren eine größtmögliche Feinabstimmung.

MICE Club: Welche Anforderungen stellen sich im Hinblick auf die Konzeption von Veranstaltungen?

Holger Witzenleiter: Die öffentliche und freie Diskussion von Themen oder ein offenes Widersprechen gelten in vielen kollektivistischeren Kulturen als unhöflich, da der Fokus dort eher auf Harmonie und Beziehung liegt. Hier brauchen wir clevere Konzepte, um einen Diskurs, Feedback und Evaluation trotzdem möglich zu machen. Informationsvermittlung in unserer deutschen Kultur verläuft oft mit starkem Fokus auf das gesprochene und geschriebene Wort. Gerade in hochkontextuellen Kulturen - wie beispielsweise der unseres Nachbarn Frankreichs - ist aber die Vermittlung von Informationen durch Bilder, implizite Botschaften und einen bestimmten Stil üblicher und verspricht mehr Erfolg.

MICE Club: Inwiefern ist es möglich internationale und interkulturelle Konzepte für Veranstaltungen zu entwerfen?

Holger Witzenleiter: Bei allen Anstrengungen darf nicht vergessen werden, dass es natürlich eine international akzeptierte "Business-Kultur" gibt. Trotzdem lassen sich TeilnehmerInnen anderer Kulturen auch anders, besser und kultursensibler ansprechen. Dabei sind deutsche Kulturstandards interessant, vor allem diejenigen, in denen die deutsche Kultur eine große Besonderheit aufweist. Die Sachorientierung ist gegenüber der Beziehungsorientierung in Deutschland überbetont. Ein international agierender Manager wird deshalb erfolgreicher sein, wenn er mehr Zeit in sein Netzwerk und die Beziehungspflege investiert. Beziehungen sollten unabhängig von momentanen Geschäften oder dem Ruhen einer Geschäftsbeziehung gepflegt werden.

Holger Witzenleiter – Experte für interkulturelle Kommunikation

MICE Club: Wie sehen Sie den aktuellen Zustrom von Ausländern (durch die sogenannte Flüchtlingskrise) in diesem Zusammenhang? Kann man diesen als Chance für die Unternehmen sehen, interkulturelle Bedürfnisse bei der Veranstaltungsorganisation/ -konzeption besser zu berücksichtigen?

Holger Witzenleiter: Nur ein sehr kleiner Teil der Flüchtlinge wird dem Arbeitsmarkt zeitnah zur Verfügung stehen und das Gros wird vermutlich im Billiglohnsektor zu finden sein. Weniger von den öffentlichen Medien bemerkt erfahren wir aber seit Jahren einen permanenten Zustrom von hochqualifizierten Migranten, speziell auch aus den östlichen Ländern der EU. Zuwanderung ist grundsätzlich eine Chance, auch wenn die Integration langsamer verläuft. Statistiken der deutschen Einwanderungsgeschichte belegen, dass die großen Einwanderungswellen, 1945 durch Kriegsflüchtlinge, 1950er/1960 Jahre durch Gastarbeiter, nach 1989 durch Aussiedler, in den mittleren 1990er Jahren durch Flüchtlinge des Jugoslawienkrieges, in den 2000er Jahren durch europäische Arbeitsmigration immer zu Vorteilen für die deutsche Wirtschaft geführt haben. Betrachten wir das Thema aus der interkulturellen und soziologischen Perspektive, erhöht sich mit jedem Zuwanderer unsere gesamte Interkulturelle Kompetenz und vor allem unsere Transkulturalität. In den Unternehmen wird ein multikulturelles Team immer vielfältigere Antworten auf ein Problem finden, als ein „biodeutsches" Team.

MICE Club: Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Integration der ausländischen Mitarbeiter – ist dies so schnell möglich wie von der Politik suggeriert wird?

Holger Witzenleiter: Die sogenannte Akkulturation ist kein leichter Prozess und mündet hoffentlich in einer Integration, und nicht in Separation, Marginalisierung oder Assimilierung. Der Billiglohnsektor wird am schnellsten von der Zuwanderung profitieren. Mit den aktuellen Anstrengungen wird vielleicht auch das Handwerk seinen akuten Personalmangel lindern können. Eine „schnelle Integration" gibt es nicht. Wenn wir aber die Integration der Aussiedler als Referenz nehmen, so wird unsere Wirtschaft und Gesellschaft mittel- bis langfristig profitieren. Sehen wir die Geschichte der Zuwanderung nach Deutschland, so zeigt sich - von den aktuellen Diskussionen kaum bemerkt - dass Deutschland ein regelrechter Integrationsmotor ist.

Das Gespräch führte Doreen Biskup.

In diesem Sinne sind Veranstaltungsorganisatoren gut damit beraten, ihre Teams auch interkulturell zusammenzusetzen und darauf Wert zu legen, dass Eventmanager möglichst vielfältige interkulturelle Erfahrungen gesammelt haben und sammeln werden. Letzten Endes ist es doch auch so, dass die Kreativität der Konzepte mit der Andersartigkeit der beteiligten Personen steigt. Gleichheit sorgt dabei vielleicht für Harmonie. Konzeptionelle und kreative Höchstleistungen, die die Bedürfnisse der Teilnehmenden befriedigen, vollbringt aber nur der Eventmanager, der immer einen gewissen Grad an Störung und Andersartigkeit spürt und dadurch einen Schritt weiterdenkt. In diesem Zusammenhang ist es wohl kaum möglich standardisierte Lösungen anzubieten. Veranstaltungskonzepte müssen zukünftig noch stärker an interkulturellen Anforderungen ausgerichtet werden. Die Herausforderung, vor der jeder Eventmanager steht, ist Diversifikation und Andersartigkeit als Chance zu verstehen, denn nur so wird auch die Veranstaltungskonzeption zielgruppengerechter und die Nachhaltigkeit der Veranstaltungswirkung steigt. Jeder Eventmanager ist demzufolge gut beraten das „Da sein“ und das „So sein“ der Teilnehmenden anzuerkennen und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.

Seien Sie am 07. und 08. März 2016 beim nächsten MICE Club LIVE in Dresden dabei und erfahren Sie mehr über die Internationalisierung von Business Events als Herausforderung für die Eventkonzeption. Zur Anmeldung geht es hier entlang.


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Bildquelle: Fotolia / Holger Witzenleiter

Autor: Doreen Biskup

Veröffentlicht am: 11.11.2015


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