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EventTech

Dich kenn ich doch!?

Pro und Contra zum biometrischen Personenscan an Flughäfen

Wussten Sie, dass jeder in der Bundesrepublik Deutschland seit 2005 neu ausgestellte Reisepass ein sogenannter ePass ist, der biometrische Daten enthält? Und dass man Sie anhand einer beliebigen Kameraaufnahme eindeutig erkennen kann, wenn diese Daten auswertbar zur Verfügung stehen? Das ist zunächst mal die wichtigste Voraussetzung dafür, bei internationalen Flugreisen künftig weniger lange warten zu müssen.

Als einer der weltweit ersten Flughäfen hat der Dubai International Airport angekündigt, klassische Grenzkontrollen ab Sommer 2018 soweit wie möglich durch eine automatische Gesichtserkennung abzulösen. Passagiere, die von der schnelleren Abfertigung profitieren wollen, müssen sich im Vorfeld dafür registrieren und damit ihr Einverständnis bekunden. Noch, versteht sich.

Dann aber geht es statt zum bewaffneten und womöglich grimmig dreinblickenden Zollbeamten durch einen gläsernen „Aquarium-Tunnel“. Hier können Sie lebensecht wirkenden Papageien- und Drückerfischen in die virtuellen Augen sehen. Doch hinter Nemo und Co. lauern mehr als 80 Kameras, die Ihr Gesicht vermessen und scannen, während Sie sich zum Ausgang begeben. Völlig entspannt, ganz ohne Passkontrolle. Und zudem noch einigermaßen begeistert, falls Sie Aquarien und Fische mögen.

Is Big Brother watching you?

Das mit der Gesichtserkennung kennt man ja schon. Biometrische Daten geben den erkennenden Ausschlag. Was man in Science Fiction- und Agentenfilmen schon hundertfach gesehen hat, schickt sich nun an, die Flughäfen dieser Welt zu erobern. Und dazu müssen Sie sich in Dubai nicht mal vor einen Scanner stellen, sondern nur einem virtuellen Fisch in seine aufmerksamen Augen blicken. Kein lästiges Anstehen mehr, kein ständiges Ausweiszucken, kein nerviges Frage- und Antwortspiel mit einem eifrigen Grenzschützer.

Und dennoch mag sich manch einer spätestens jetzt an George Orwells „1984“ erinnert fühlen, frei nach dem Motto „Big Brother is watching you“. Aber was soll’s, mögen Sie sich sagen, wenn der große Bruder einem im Grunde genommen ja Gutes tut? Gerade für Geschäftsreisende ist eine schnellere Abfertigung am Flughafen doch ein echter Zugewinn. Und diese wird zweifellos Realität, wie das folgende Video zeigt.

Biometrie vom Check-in bis zum Boarding

Natürlich, der „Aquarium-Tunnel“ ist ein Pilotprojekt, aber steht auch für die Zukunft des Reisens und Fliegens, und das nicht nur in Dubai. Hier mag das aufgrund eines gewissen Entertainmentfaktors besonders spektakulär daherkommen. Erprobt wird die Anwendung biometrischer Daten indes rund um den Globus, z.B. an den Flughäfen in Amsterdam, Boston und Singapur, derzeit noch auf ausgewählten und eher wenig beflogenen Nebenstrecken. De facto geht man hier sogar noch weiter als in Dubai, da nicht nur die Passkontrolle, sondern auch die Gepäckaufgabe, der Check-in und das Boarding vereinfacht und automatisiert werden sollen. In allen Fällen soll der manuelle Identitätscheck entfallen und durch einen schnellen Scanvorgang ersetzt werden. Hierfür müssen die Ausweisdaten einmalig beim ersten Check-in in der Datenbank des Flughafens gespeichert werden.

Sean Farrell, Leiter des Biometrie-Teams beim Reisetechnologiespezialisten SITA, rechnet wie andere Luftverkehrsexperten damit, dass die wichtigsten und größten Flughäfen der Welt ab 2020 sukzessive zu biometrischen Scans übergehen werden. In zwei bis drei Jahren schon wird sich demnach einiges beim internationalen Flugreiseverkehr verändern.

Die Kehrseite der Medaille: Wie bei allen Automatisierungsprozessen ist mit einem massiven Stellenabbau im Servicebereich der Flughäfen zu rechnen – erst recht, wenn die automatisierte Personenidentifizierung auf Länderebene eines Tages gesetzlich vorgeschrieben wird. In Staaten wie den USA oder Großbritannien steht das mehr als zu erwarten. Am Changi Airport in Singapur geht man davon aus, dass mit der flächendeckenden Einführung biometrischer Scans bis zu 20 Prozent der Personalkosten eingespart werden können. Binnen kurzer Zeit hätte sich die Investition in entsprechende Hard- und Software damit bereits amortisiert.

Von Angesicht zu Kamera

Kritiker bemängeln, dass das grundsätzliche Passagieraufkommen weiter steigen und es beim Sicherheitscheck zu keiner Zeiteinsparung kommen wird. Der biometrische Personenscan bliebe demnach nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. US-Experten halten dagegen und geben zu verstehen, dass bei der Einstufung als „vertrauenswürdiger“ Fluggast auch die Sicherheitsmaßnahmen reduziert werden könnten. Im Flugzeug selbst (Economy oder Business) ist eine „Zweiklassengesellschaft“ ja nichts Neues. Sie könnte in naher Zukunft aber auch schon auf dem Boden Einzug halten. Und je Herkunftsland, Alter und Geschlecht dürfte man auch weiterhin hinaus gewunken werden, sobald nur der leiseste Verdachtsmoment besteht.

Und dann ist da ja noch die leidliche Frage des Datenschutzes. Was private Unternehmen am Ende mit all den Datensätzen anfangen werden, steht auf einem anderen Blatt. Selbst der Einkauf im Duty-Free-Shop oder der Zugang zu Airport-Lounges mag künftig biometrisch geregelt werden. Hier spielt die landesspezifische Gesetzgebung eine entscheidende Rolle. Denn was in Deutschland verboten ist, das Zusammenfassen personenbezogener Daten aus unterschiedlichen Quellen, ist in den USA erlaubt und von Seiten der Konsumgüterindustrie selbstredend erwünscht. Denn natürlich lassen auch biometrische Daten entscheidende Rückschlüsse auf persönliche Interessen und das individuelle Kaufverhalten zu. Das Szenario mag dann wie folgt aussehen: Die Betreibergesellschaft eines amerikanischen Großflughafens verkauft seine Datensätze an Amazon und schon wird aus dem heute schon weitgehend gläsernen Kunden ein wahrhaft transparenter.

Wird Überwachung künftig als Komfort verkauft?

Insbesondere in den USA wurden seit dem Anschlag vom 11. September 2001 bereits zig Millionen Gesichtserkennungen durchgeführt. Was natürlich nicht heißt, dass man auf weitere Grenz- und Sicherheitskontrollen verzichtet hätte. Das Neue daran: Künftig wird man die Erhebung biometrischer Daten nicht mehr als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme, sondern als ein Plus an Reisekomfort verkaufen können. Kein Wunder, dass die größten US-amerikanischen Flughäfen in Atlanta, Los Angeles, Chicago, Dallas, Miami und New York großes Interesse an dem Pilotprojekt bekunden.

Wer nun meint, dass die gesammelten Personendaten nach wenigen Wochen wieder gelöscht werden, gilt in den Augen führender US-Tourismusexperten als naiv. Was aber einmal als vorteilhaft und komfortabel verkauft werden kann, ruft selbstredend weniger Kritiker auf den Plan. Und tatsächlich: Fast zwei Drittel aller Fluggäste würden der repräsentativen Studie „SITA’s 2017 Air Transport IT-Trends Survey“ zufolge die biometrische Personenerkennung an Flughäfen begrüßen. Derweil planen derzeit knapp 30 Prozent aller internationalen Flughäfen spätestens 2020 ein entsprechendes System einzuführen.

Ziehen Sie blank oder vor Gericht

Es bleibt Ihnen überlassen, ob Sie es gut finden, auf internationalen Flugreisen künftig schneller abgefertigt, aber dafür noch gründlicher durchleuchtet zu werden. Aufhalten lassen wird sich der Einsatz biometrischer Scansysteme an Flughäfen wohl nicht. Womöglich hält die automatische Gesichtserkennung dann sukzessive auch in anderen Lebensbereichen Einzug, etwa beim Supermarkteinkauf oder am Geldautomaten, beim Einchecken im Hotel oder beim Besuch einer Messe.

Als Verbraucher mögen Sie auch künftig selbst darüber entscheiden können, ob Sie sich mehr Bequemlichkeit oder mehr Datenschutz wünschen. Bei internationalen Reisen werden Sie diese Wahl wohl nicht mehr lange haben.


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Bildquelle: The National

Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 14.12.2017


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