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Meinung

Weißt du das nur oder kannst du das auch?

Studie zur Aus- und Weiterbildung in der Veranstaltungsbranche

Unter Leitung von Prof. Gernot Gehrke hat die Hochschule Hannover mit Unterstützung des Verbands der Deutschen Messewirtschaft (AUMA) eine Studie veröffentlicht, die sich intensiv mit dem Thema Aus- und Weiterbildung in der Veranstaltungswirtschaft beschäftigt. Im Rahmen des Projektes wurden insgesamt 70 Studiengänge identifiziert, die eine Hochschulausbildung im Eventsektor beinhalten. Zusätzlich wurden gleich 92 verschiedene Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten recherchiert.

Die Bewertung der Angebote basiert auf den Ergebnissen einer großangelegten Onlineumfrage sowie zahlreichen Interviews mit Berufseinsteigern und Experten. Die Studie mit dem Titel „Die Veranstaltungswirtschaft und ihr Personal“ kann für 49,99 Euro im Springer Verlag erworben werden. Die Zusammenarbeit zwischen der Hochschule Hannover und dem AUMA wird im Rahmen eines weiteren Forschungsprojektes fortgesetzt. Im „Trendreport 2018: Aus- und Weiterbildung für Messe, Event und Kongress“ sollen im kommenden Jahr die neuesten Erkenntnisse veröffentlicht werden.

Gute Grundausbildung, schlechtes Fortkommen

Die Umfrageergebnisse lassen sich im Wesentlichen in folgenden Statements zusammenfassen:

  • Experten sehen die Aus- und Weiterbildung für eine Tätigkeit in der Veranstaltungswirtschaft insgesamt auf einem guten Weg.
  • Berufseinsteiger nennen Kommunikations- und Teamfähigkeit als zentrale Voraussetzungen für erfolgreiche Arbeit in der Eventbranche.
  • Teilnehmende der Onlinebefragung sehen viele Inhalte und vor allem die Aktualität des Lehrstoffs als kritisch und intransparent an.
  • Veranstaltungsrecht und Qualitätsmanagement sind aus Sicht der Befragten wichtige Trendthemen für die Aus- und Weiterbildung.
  • Bislang wenig ausbildungsrelevante Themen wie Nachhaltigkeit, IT/Technik und interkulturelle Kompetenz sollten in die Lehrpläne mit aufgenommen werden.

Es ist also viel graue Theorie, die im Rahmen der Aus- und Weiterbildung vermittelt wird. Fehlender Praxisbezug und häufig veraltete Unterrichtsmaterialien sind der Hauptkritikpunkt an den Lehrangeboten. Dahingehend erhält fast ein Drittel der Institute im Rahmen der Befragung seitens der Absolventen ein „ausreichend“ oder „mangelhaft“. Eine der Ursachen scheint klar: Eine dynamische und stetig im Wandel begriffene Branche braucht auch seitens des Lehrkörpers ein Mindestmaß an Anpassungsfähigkeit. Schließlich sprechen wir hier nicht über VWL, sondern über das reale Wirtschaftsleben − über die Planung, Organisation und Durchführung von Events unterschiedlichster Couleur.

Es liegt in der Natur der Sache, dass die praxisnahen Ausbildungsberufe in der Veranstaltungswirtschaft besser abschneiden als die teils schwammigen Studiengänge und Fortbildungsangebote. Hier fordern Experten trotz existierender Netzwerke eine intensivere Zusammenarbeit von Hochschulen und freier Wirtschaft. Im Besonderen gilt dies für private und damit gewinnorientierte Anbieter. Diese scheinen aus ökonomischen Gründen häufig die Investition in neue Lehrmaterialien, Techniken und Kooperationen zu scheuen.

Branche ohne Background

Auf die Frage, ob Eventmanager ein klar definierter Beruf ist, antworten 60 Prozent der Studienteilnehmer mit „nein“. Gleichzeitig wird die MICE-Branche von einer großen Mehrheit der Befragten gesamtwirtschaftlich betrachtet als „eher unbedeutend“ wahrgenommen. Ein grundlegendes Problem innerhalb der Veranstaltungswirtschaft wird damit offensichtlich: Es fehlt an Selbstbewusstsein und Selbstverständnis – und auch an einer Lobby.

So gibt es eine riesige Grauzone an Fortbildungsangeboten und Lehrgängen, die mit dem Eventbusiness zu tun haben können, aber eben nicht müssen. Die Branche zeichnet sich ohnehin durch viele Quereinsteiger aus, die während ihres Studiums oder ihrer Ausbildung kaum daran gedacht haben mögen, einmal für sie tätig zu werden. Das kann der Tontechniker sein, der Programmierer oder der Koch, die Reiseverkehrskauffrau, die Vertrieblerin oder die Marketingfachkraft.

Folglich bleiben die meisten Hochschulen und Lehrinstitute recht vage in der Ausgestaltung ihrer Kurse. Das liegt andererseits auch daran, dass die Wirtschaft nicht mitzieht. Hier wäre zweifelsohne mehr Networking gefragt, damit erlerntes Wissen nicht irgendwo im luftleeren Raum hängen bleibt. Um die Dynamik der Branche mitzugehen, stehen somit nicht nur Hochschulen und Fortbildungsinstitute in der Pflicht, sondern auch die Unternehmen selbst. Doch fristet das Veranstaltungsmanagement oft genug ein Nischendasein in den Strategien der Konzerne und Verbände, da es aus Sicht vieler Führungsetagen zwar notwendig ist, am Ende aber mehr Kosten verursacht als Gewinn abwirft.

Triebfeder Digitalisierung

Darüber, dass sich die Arbeitswelt zusehends verändert, haben wir ja schon berichtet. Die Digitalisierung kommt in der Mitte der Gesellschaft an und damit erst recht in der Eventwirtschaft, die ja stets mit gutem Live-Beispiel vorangeht bzw. vorangehen sollte: mit dem Webinar, mit der Buchungs-App, mit virtuellen Führungen oder interaktiven Erlebnissen. Natürlich kann eine Lehrkraft in Unternehmensberatermanier kundtun, dass es Sinn macht, A oder B zu lancieren, nur weiß der Aus- bzw. Fortzubildende damit noch lange nicht, wie das eigentlich funktioniert.

Obwohl gerade in der Veranstaltungswirtschaft oft technisches Know-how, organisatorisches Geschick und kreatives Handwerk gefragt sind, scheint es erhebliche Defizite in der Praxisbezogenheit der Weiterbildung zu geben. Doch es sind nicht die „Digital Skills“ allein, die verstärkt nachgefragt werden. Als dauerhafte Trendthemen wurden im Rahmen der Studie auch Nachhaltigkeit, Sicherheit, Compliance und Recht identifiziert. Themen, die nach Meinung vieler Befragter vor allem in den Weiterbildungsangeboten sträflich vernachlässigt werden. Dabei sollten gerade diese besonders praxisbezogen sein, da man den Bachelor oder Master ja meistens schon in der Tasche hat.

Fachkräftemangel befürchtet

Eine Quintessenz der Studie lautet: Die aktuelle Entwicklung in der Veranstaltungswirtschaft erfordert auf Personalseite einen kontinuierlichen Zuwachs an Kompetenz zur Gestaltung erlebnisorientierter Erfahrungen. Dass diese oftmals jenseits des operativen Geschäfts liegen, versteht sich von selbst. Und gerade deshalb wird hier in naher Zukunft ein eklatanter Fachkräftemangel befürchtet.

Fast zwei Drittel der im Rahmen der Studie identifizierten Aus- und Fortbildungsinstitute befinden sich wie erwähnt in privater Hand, verfolgen also vor allem wirtschaftliche Interessen. Wieso sollten diese – provokant gefragt – vermehrt in eine Branche investieren, zu der sich weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer wirklich bekennen? Die Organisation von Veranstaltungen wird laut der Umfrageergebnisse immer noch oft nur „nebenbei“ gemanagt. Natürlich möchte man von Seiten der Auftraggeber dennoch ein großartiges Erlebnis haben und ein perfektes Ergebnis sehen. Doch wie soll das funktionieren, wenn das nötige Fachpersonal fehlt?

Natürlich laufen alle Veranstaltungsfäden am Ende bei wenigen Eventmanagern zusammen, doch die allein können die Aufgaben von morgen kaum bewältigen. Es besteht zweifellos Handlungsbedarf, was die Aus- und Weiterbildung in der Veranstaltungswirtschaft angeht. Gemeinsame Plattformen von Lehrinstituten und Unternehmen könnten ein sinnvoller Anfang sein. Das „Learning by doing“-Prinzip mag sich noch eine Zeitlang auszahlen in einer der führenden Eventnationen der Welt. Aber wer weiß, wie lange noch?


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Autor: Frank Brehm

Veröffentlicht am: 01.06.2017


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MICE Club Admin
MICE Club Admin
10. Juni, 11:59 Uhr

Hallo Frau Herl,

die Quelle der Studie ist in dem Artikel verlinkt :-).

Hier der Link: http://www.springer.com/de/book/9783658169664.

Herzliche Grüße Ihr MICE Club-Team

No_profile_picture
rabijah,
TH Köln
09. Juni, 13:35 Uhr

Hallo Herr Brehm,

es wäre großartig wenn Sie die Quelle zu besagter Studie angeben würden. Gerne würde ich dazu weiter rechrechieren wollen, da ich selbst in dem Bereich tätig bin. Wäre es möglich, die Angaben zu der Studie zu veräffentlichen bzw. weiterzuleiten?

Beste Grüße

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